Das Sozialgericht Stuttgart hat am 05.06.2020 zum Aktenzeichen S 11 SO 4131/17 entschieden, dass testamentarisch angeordnete Zuwendungen aus einem sogenannten Behindertentestament der Gewährung eines Barbetrages im Rahmen einer stationären Unterbringung entgegenstehen können.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:
Der Kläger ist aufgrund seiner Behinderung seit Jahren vollstationär in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe untergebracht. Die Beklagte gewährte ihm zunächst auch den Barbetrag gemäß § 27b Abs. 2, 3 SGB XII. Nachdem die Mutter des Klägers verstorben war, erhielt der Kläger aus dem Erbe seiner verstorbenen Mutter testamentarisch angeordnete Zuwendungen (im Rahmen eine sog. Behindertentestaments). Insgesamt erhielt er pro Jahr Zuwendungen in Höhe von ca. 1.400 Euro für Taschengeld, Urlaubsreisen, Besuche von Verwandten und Ausflüge. Mit streitgegenständlichem Bescheid lehnte die Beklagte dann eine weitere Gewährung des Barbetrags ab mit der Begründung, dass die Zuwendungen aus dem Behindertentestament ebenso wie der Barbetrag dazu gedacht seien, den gesamten notwendigen Lebensunterhalt zu decken. Zwischen dem Barbetrag und den Zuwendungen aus dem Erbe der Mutter bestehe folglich eine Zweckidentität.
Das SG Stuttgart hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Sozialgerichts ist Zweck des Barbetrags nach § 27b Abs. 2, 3 SGB XII insbesondere die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zudem seien auch Bedarfe aus den Bedarfsgruppen Körperpflege, Reinigung oder Instandsetzung von Kleidung sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert durch den Barbetrag zu decken. Es liege daher eine Zweckidentität zwischen dem Barbetrag und den Zuwendungen aus dem Behindertentestament vor, sodass der Gewährung des Barbetrags der Nachranggrundsatz aus § 2 Abs. 1 SGB XII entgegenstehe. Da die Zuwendungen aus dem Behindertentestament über dem Barbetrag lagen, sei dieser Bedarf in Gänze weggefallen. Auch die Konstruktion als Behindertentestament ändere hieran nichts. Mit einem solchen Testament gestalten die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie mit einer konkreten Verwaltungsanweisung verbundenen Dauertestamentsvollstreckung derart, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, die Sozialhilfeträger darauf aber nicht zurückgreifen können. Ein solches Testament sei nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht sittenwidrig, sondern Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Auch sei nach der sozialrechtlichen Rechtsprechung ein der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass kein verwertbares Vermögen i.S.v. § 90 Abs. 1 SGB XII. Grund hierfür sei, dass der Leistungsberechtigte bei der Einsetzung als Vorerbe bei Anordnung der Testamentsvollstreckung der Verfügungsbeschränkung des § 2211 Abs. 1 BGB unterliege, wonach über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand der Erbe nicht verfügen könne. Vorliegend ging es nach Ansicht des Sozialgerichts nicht um die Konstellation, dass die Beklagte eine Bedürftigkeit verneint habe, weil in der Erbschaft ein berücksichtigungsfähiges Vermögen vorhanden sei. Stattdessen seien die Zuwendungen durch den Betreuer tatsächlich getätigt worden, sodass es alleine darauf ankomme, ob die Sozialhilfe wegen der tatsächlichen Zuwendungen gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII insoweit zurückzutreten habe. Auf das Nachlassvermögen als solches greife der Sozialhilfeträger weiterhin nicht zurück.