Das Amtsgericht Marburg hat mit Beschluss vom 03.11.2023 zum Aktenzeichen 74 F 809/23 WH entschieden, dass bei der Zuweisung eines Familienhundes nach der Trennung der Eheleute analog § 1361 a BGB oberstes Entscheidungsprinzip das Tierwohl ist, wobei wichtigstes Kriterium die Frage der Hauptbezugsperson des Hundes ist, gefolgt von der Frage, wer sich am besten um das Tier kümmern kann und schließlich der Frage, wer das artgerechtere Umfeld bieten kann.
Die beteiligten Eheleute streiten nach erfolgter Trennung um die vorläufige Zuweisung des Familienhundes.
Die Entscheidung beruht auf § 1361 a BGB.
Zwar handelt es sich gem. § 90 a BGB bei einem Hund ausdrücklich nicht um eine Sache im Sinne des Gesetzes. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Regelung des § 1361 a BGB dennoch auch auf die Frage der Zuweisung von Haustieren während der Trennungszeit entsprechend anzuwenden ist, wobei jedoch bei der vorzunehmenden Billigkeitsentscheidung Kriterien zugrunde zu legen sind, die dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um ein Lebewesen handelt und dementsprechend Tierwohlkriterien ausschlaggebend sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.08.2018, AZ 11 WF 141/18, zitiert nach Juris, OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.12.2016, AZ 10 UF 1249/16, zitiert nach Juris). Aus der Regelung des § 90 a BGB ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts unmissverständlich das gesetzgeberische Bekenntnis zum ethisch fundierten Tierschutz (vgl. auch OLG Oldenburg, a.a.O.). Dementsprechend sind bei der im Rahmen des § 1361 a BGB zu treffenden Zuweisungsentscheidung im Falle des Familienhundes insbesondere Aspekte des Tierwohls zu berücksichtigen. Dabei dürfte für den Hund, der sich bekanntermaßen eng an menschliche Bezugspersonen bindet, in erster Linie relevant sein, wer die Hauptbezugsperson des Tieres ist.
Im vorliegenden Fall lässt sich nicht eindeutig feststellen, dass einer der Beteiligten als Person bzw. „Rudelmitglied“ für den Hund eine maßgeblich größere Bedeutung hat als der andere. Das Gericht ist nach den Darlegungen der Beteiligten vielmehr davon überzeugt, dass beide eine gute und enge Bindung an das Tier haben und sich in der Vergangenheit auch beide adäquat um die Versorgung und Betreuung des Hundes gekümmert haben. Bei dieser Sachlage mussten zusätzliche andere Kriterien zur Entscheidung der Frage herangezogen werden, welche Zuweisungsvariante dem Wohl des Tieres hier am besten entspricht. Den entscheidenden Ausschlag zu Gunsten des Antragstellers hat dabei der Umstand gegeben, dass dieser – anders als die Antragsgegnerin – dem Hund einen Verbleib in seinem bisherigen gewohnten Umfeld ermöglichen kann. Ein maßgebliches Kriterium war dabei der Umstand , dass nur im Haushalt des Antragstellers für den Hund die Möglichkeit besteht, sich auch frei draußen im Garten aufzuhalten. Es ist gerichtsbekannt, dass gerade die freie und unbeschränkte Nutzung eines hundesicher eingezäunten Gartens für das betreffende Tier einen ganz erheblichen Zuwachs an Lebensqualität bedeutet. Der Hund fühlt sich dort als Herrscher in seinem Revier, das er kontrollieren und gegebenenfalls auch bewachen kann. Dort kann er beispielsweise auch einen Knochen verstecken und diesen nach einiger Zeit wieder ausgraben und dergleichen. Auch wenn der Hund beispielsweise einmal krank ist oder aus sonstigen Gründen zum Beispiel sehr spät in der Nacht noch einmal hinausgehen und sein „Geschäft“ erledigen muss oder ähnliches, so ist dies jederzeit ohne große Schwierigkeiten zu ermöglichen, wenn der Hund einfach in den Garten gelassen werden kann. Entsprechendes gilt auch bei Krankheit der menschlichen Bezugsperson.
Demgegenüber überzeugt das Argument der Antragsgegnerin nicht, dass der Hund B. im Haushalt des Antragstellers allzu häufig fremdbetreut werden müsste. Der Antragsteller hat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er zum allergrößten Teil von Zuhause aus arbeiten kann. Die Antragsgegnerin hat im Termin selbst eingeräumt, dass sie keine eigenen Erkenntnisse über die aktuellen Arbeitszeiten und -orte des Antragstellers hat. Das Gericht hat keinen Anlass, an der diesbezüglichen Darstellung des Antragstellers zu zweifeln. Danach erfolgen seine Dienstreisen jedenfalls aktuell nur noch punktuell und gelegentlich. Für solche Zeiten ist die Versorgung des Hundes offenbar tierwohladäquat sichergestellt durch entsprechende dem Hund vertraute Personen. Im Haushalt der Antragsgegnerin muss der Hund dagegen an 5 Tagen die Woche jeweils für 6 Stunden allein zuhause bleiben. Auch wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass dies für den Hund kein Problem darstellen dürfte, so ist dem doch auf der anderen Seite die Alternative des Lebens beim Antragsteller gegenüberzustellen, wo der Hund offenbar bis auf ganz vereinzelte zweitägige Abwesenheiten seines Herrn mit diesem mehr oder weniger rund um die Uhr zusammen sein kann. Der Antragsteller hat auch berichtet, dass er beispielsweise den Hund auch bei Hobby-Aktivitäten wie beispielsweise der Imkerei mitnehme. Dieser Umstand spricht zudem für eine sehr enge Bindung des Antragstellers und des Hundes zueinander. Hinzu kommt, dass der Hund offensichtlich während des ganz überwiegenden Teils der letzten 5 Jahre jeweils zumindest den größten Teil des Tages mit dem Antragsteller verbracht haben dürfte, da dieser zu etwa 75 % des zurückliegenden 5-Jahreszeitraumes einer Erwerbstätigkeit nicht nachging.
Insgesamt stellt nach Abwägung aller Umstände die Tatsache, dass der Antragsteller gelegentlich auf kurzzeitige Dienstreisen geht, bei denen er den Hund nicht mitnehmen kann, keine so schwerwiegende Beeinträchtigung im Leben des Tieres dar, dass sie die ansonsten bei einer Zuweisung des Hundes an den Antragsteller festzustellenden Vorteile für das Tier überwiegen würde.
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung ausschließlich die Frage in den Mittelpunkt gestellt, welche Zuweisungsentscheidung voraussichtlich für den Hund mit den größten Vorteilen, und zwar für die Zukunft ab jetzt, einhergehen würde. Einige der von den Beteiligten vorgebrachten Argumente waren daher für die gerichtliche Entscheidung außer Acht zu lassen. So stellt die gerichtliche Zuweisungsentscheidung weder eine Sanktionierung für das eigenmächtige – und in dieser Form tatsächlich zu tadelnde – Verhalten der Antragsgegnerin bei der rücksprachelos und ohne Information des Antragstellers erfolgten Verbringung des Hundes in einen mehr als fünf Autostunden entfernt liegenden Ort dar, noch geht es um eine Bestrafung eines möglichen vergangenen, in der Ehe und insbesondere gegenüber der Antragsgegnerin gezeigten Fehlerhaltens des Antragstellers .
Neben der Entscheidung über die Zuweisung des Hundes waren gemäß § 209 FamFG auch die zu deren Durchführung erforderlichen Anordnungen zu treffen. Insbesondere war insofern auszusprechen, dass die Antragsgegnerin den in ihrem Besitz befindlichen Hund an den Antragsteller herauszugeben hat. Des Weiteren war zusätzlich mit zu tenorieren, dass auch die dem Hund zuzuordnenden Gegenstände entsprechend mit zu übergeben sind. In besonderer Weise gilt dies natürlich für das nicht einfach zu ersetzende Impfheft und die Steuermarke. Aber auch die weiteren genannten Gegenstände, die allein den Bedürfnissen des Hundes dienen, sind sozusagen als Annex zur Herausgabe des Hundes ebenfalls mit an den Antragsteller herauszugeben.
Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit beruht auf § 209 Abs. 2 Satz 2 FamFG analog (vgl. dazu auch Amtsgericht München, Beschluss vom 02.01.2019, AZ 523 F 9430/18, zitiert nach Juris). Auch bezüglich der Frage der Wirksamkeit der Entscheidung ist tragender Grundgedanke, was hier dem Tierwohl am besten entspricht. B. lebt nun bereits seit zwei Monaten im Haushalt der Antragsgegnerin. Wenn vor einer möglichen Herausgabevollstreckung die Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses abzuwarten wäre, so würde dies eine weitere Verzögerung von mindestens 6 Wochen bis zur Rückkehr des Tieres in sein angestammtes Zuhause bedeuten. Das Gericht ist der Überzeugung, dass eine weitere derartige Schwebezeit, in welcher B. sich noch bei der Antragsgegnerin aufhält, alle Beteiligten aber bereits wissen, dass er zum Antragsteller zurückzukehren hat, keinem der Beteiligten guttun würde. Während der Antragsteller den Hund bereits jetzt offenkundig schmerzlich vermisst, wird der unvermeidliche Trennungsschmerz für die Antragsgegnerin nur umso größer, je länger sie B. noch weiter in ihrem Haushalt beherbergt. Maßgeblich kommt es jedoch auch insofern auf die Kriterien des Tierwohles an. Auch wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass B. im Haushalt der Antragsgegnerin gut versorgt und betreut ist und es ihm dort mit Sicherheit nicht schlecht geht, so muss er doch zweifelllos dort auch eine Anpassungsleistung erbringen, insbesondere beispielsweise dahingehend, dass er nun täglich für viele Stunden allein ist. Die ganze Situation, nämlich namentlich auch die Trennung der beiden bisherigen Hauptbezugspersonen, dürfte für das Tier am ehesten und besten noch in der alten vertrauten Umgebung zu verarbeiten sein. Das Gericht ist daher aus Tierschutzgründen der Auffassung, dass die beschlossene Rückkehr des Hundes zum Antragsteller möglichst unverzüglich umgesetzt werden sollte.
Im Übrigen geht auch das Gesetz in § 40 FamFG davon aus, dass familiengerichtliche Beschlüsse in Nicht-Streitverfahren grundsätzlich mit Bekanntgabe bereits wirksam werden. § 209 Abs. 2 S. 1 FamFG konstituiert hiervon eine Ausnahme für Hausrats- Entscheidungen nach § 1361 a BGB. Hier ist jedoch auch an dieser Stelle die Besonderheit zu berücksichtigen, dass es sich bei B. eben nicht um einen klassischen Haushaltsgegenstand handelt, sondern um ein Lebewesen, auf das sich die für Sachen geltenden Vorschriften gemäß § 90 a BGB nicht ohne weiteres 1 zu 1 übertragen lassen. Vielmehr dürfte es hier sachgerechter sein, eher eine Parallele zu anderen, das konkrete Leben der Betroffenen maßgeblich prägenden gerichtlichen Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise die Entscheidung über die Herausgabe eines Kindes oder eben auch die Wohnungszuweisung, für die § 209 Abs. 1 S. 2 FamFG explizit die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit vorsieht.