Das Finanzgericht Hamburg hat am 17.12.2020 zum Aktenzeichen 6 K 307/19 über die Voraussetzungen für eine Zurechnungsbesteuerung bei den Begünstigten einer Familienstiftung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 6 AStG entschieden.
Aus dem Newsletter des FG Hamburg Nr. 2/2021 vom 30.06.2021 ergibt sich:
Die Klägerin ist eine 1973 errichtete liechtensteinische Familienstiftung im Sinne der Art. 552 ff. des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts vom 20.1.1926 (PGR) und erfüllt die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AStG. Nach den Statuten und dem Testament der Stifterin B war Zweck der Stiftung die Verwaltung des Stiftungsvermögens zum Wohle der Familie und die Verteilung von Erträgnissen des Stiftungsvermögens und/oder Verteilung von Stiftungsvermögen selbst an die Begünstigten. Begünstigte waren die Stifterin und als deren Abkömmlinge D und E. Organe der Stiftung waren der Stiftungsrat und das Kuratorium. Der Stiftungsrat führt die Geschäfte der Stiftung grundsätzlich frei. Das Kuratorium bestand aus drei bis fünf Mitgliedern, D und E waren feste Kuratoriumsmitglieder auf Lebenszeit. Im Streitjahr 2014 bestand das Kuratorium aus fünf Mitgliedern, sodass D und E keine Stimmrechtsmehrheit besaßen. U.a. im Streitjahr nahm die Klägerin Ausschüttungen aus ihrem Vermögen an die Berechtigten D und E vor.
Gegen die vom Beklagten vorgenommene Feststellung der zuzurechnenden Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 AStG berief sich die Klägerin u.a. darauf, dass sie rechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin des Stiftungsvermögens und die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 6 AStG ausgeschlossen sei. Die BFH-Rechtsprechung zur Schenkungsteuer (II R 21/05) deute auf eine rein zivilrechtliche Auslegung des Begriffs der Verfügungsmacht nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG hin. Zivilrechtlich wirksam könne aber nur der Stiftungsrat als vertretungsberechtigtes Organ über das Stiftungsvermögen verfügen. Einseitige Widerrufsrechte stünden den Begünstigten nicht zu.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das FG Hamburg hat zunächst unter vorrangiger Anwendung von § 39 AO das wirtschaftliche Eigentum an dem der Einkünfteerzielung zu Grunde liegenden Vermögen der klagenden Stiftung bejaht. Zwar waren den Begünstigten weitreichende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt, aber nicht hinreichend umgesetzt worden, um die Annahme ihres wirtschaftlichen Eigentums zu rechtfertigen. Die Zurechnung nach § 15 AStG sei aber zu Recht erfolgt. Die Vorschrift verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Zunächst hinsichtlich der Berechnung des hinzuzurechnenden Einkommens bestehende verfassungsrechtliche Bedenken seien durch die Gesetzesänderung mit Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 ausgeräumt worden, weil seither „Einkünfte“ zugerechnet würden. Unionsrechtlichen Zweifeln sei durch die Einfügung von Absatz 6 durch das JStG 2009 Rechnung getragen worden. Die Zurechnung sei auch nicht durch eben diesen Absatz 6 ausgeschlossen. Das Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Berechtigten rechtlich und tatsächlich entzogen sei, beziehe sich nicht allein auf die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis, sondern sei weiter auszulegen. U.a. angesichts der weitreichenden Befugnisse der Berechtigten, durch einfache Erklärung Kuratoriumsmitglieder abberufen und sich die Stimmenmehrheit beschaffen zu können, sowie mit Blick auf die Möglichkeit, nach Umstrukturierung des Kuratoriums das Stiftungsvermögen an die Familie auskehren zu können, hat der Senat die erforderliche Vermögenstrennung verneint. Die Revision wurde zugelassen.
Die Revision wurde eingelegt (Az. des BFH I R 11/21).