Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 28.08.2024 zum Aktenzeichen 5 SLa 45/24 entschieden, dass für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts (§ 21 MuSchG) es auf die letzten abgerechneten Monate unmittelbar vor dem Beginn der Schwangerschaft (Mutterschutzlohn) bzw. unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist (Zuschuss zum Mutterschaftsgeld) ankommt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Referenzzeitraum drei oder 12 Monate beträgt.
Der Wortlaut der Vorschriften (§ 18 Satz 2 MuSchG, § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG) sieht ausnahmslos einen dreimonatigen Referenzzeitraum vor. Dieser ist regelmäßig auch bei schwankender Vergütungshöhe maßgeblich (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 28). Das Abstellen auf 12 Monate kann nur ausnahmsweise erfolgen. Voraussetzung ist eine „saisonal stark schwankende variable Vergütung“ (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 26 und 32).
Für Flugbegleiterinnen, die in den Sommermonaten ein relativ hohes und in den Wintermonaten ein relativ geringes variables Einkommen (Mehrflugstundenvergütung und Bordverkaufsprovision) erzielen, ist unabhängig von tatsächlichen Schwankungen ein dreimonatiger Referenzzeitraum zugrunde zu legen, wenn ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, der das Ziel verfolgt, durch Pauschalzahlungen in den Wintermonaten eine möglichst durchgehende gleichmäßige variable Vergütung sicherzustellen.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass es für die Höhe des Mutterschutzlohns auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt in den Monaten November 2021 bis Januar 2022 und für den Zuschuss zum Mutterschutzlohn auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt in den Monaten Juli 2022 bis September 2022 ankommt. In beiden Fällen beträgt der Referenzzeitraum drei und nicht 12 Monate. Eine zeitliche Verlagerung des Referenzzeitraums auf die Zeit vor Einführung der Kurzarbeit ist nicht angezeigt.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Mutterschaftslohn für den Zeitraum April 2022 bis Juli 2024 (§ 18 Satz 1 MuSchG) und eines Zuschusses zum Mutterschutzlohn für den Zeitraum vom 15.10.2022 bis zum 31.01.2023 (§ 20 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) in der eingeklagten Höhe.
Die Ansprüche bestehen – worüber zwischen den Parteien kein Streit besteht – dem Grunde nach.
Für den Mutterschaftslohn folgt dies aus § 18 Satz 1 MuSchG. Danach erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Beschäftigungsverbot suspendiert, das zugleich nach Maßgabe des § 18 Satz 1 MuSchG über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bestimmt. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn besteht allerdings nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Betroffene mit der Arbeit aussetzt (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 21).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin wurde vom 06. April 2022 bis zum 14. Oktober 2022 aufgrund eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots und seit dem 01. Februar 2023 aufgrund eines betrieblichen Beschäftigungsverbots wegen der Stillzeit nicht beschäftigt. Anderweitige Umstände, die zu einem Entfallen ihrer Vergütungsansprüche in diesen Zeiträumen hätten führen können, sind nicht gegeben. Sie sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld aus § 20 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.
Hiernach erhält eine Frau während ihres bestehenden Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Entbindung sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Im Fall der Klägerin ist für die Zeit vom 15. Oktober 2022 bis zum 31. Januar 2023 der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu leisten.
Die Klägerin kann den Mutterschutzlohn und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in der von ihr errechneten Höhe beanspruchen.
Die Höhe der Ansprüche ist zu ermitteln, in dem in einem ersten Schritt der Berechnungszeitraum (auch als Referenzzeitraum bezeichnet) gemäß § 21 Abs. 1 MuSchG festgelegt wird. Im zweiten Schritt ist zu ermitteln, welches Arbeitsentgelt die Arbeitnehmerin im Bemessungszeitraum erzielt hat. Dabei ist nicht nur auf das tatsächlich erhaltene Arbeitsentgelt abzustellen.
Im Streitfall kommt es für die Höhe des Mutterschutzlohns auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt in den Monaten November 2021 bis Januar 2022 und für den Zuschuss zum Mutterschutzlohn auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt in den Monaten Juli 2022 bis September 2022 an.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts (§ 21 MuSchG) auf die letzten abgerechneten Monate unmittelbar vor dem Beginn der Schwangerschaft (Mutterschutzlohn) bzw. unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist (Zuschuss zum Mutterschaftsgeld) ankommt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Referenzzeitraum drei oder 12 Monate beträgt.
Ausnahmen von dem Unmittelbarkeitsgrundsatz sieht das Gesetz nicht vor. Eine Veränderung der Dauer und/oder der Lage des Bemessungszeitraums findet nach der in § 21 MuSchG getroffenen Regelung nicht statt. Vielmehr werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 MuSchG innerhalb des Berechnungszeitraums Fehlzeiten, in denen unverschuldet gar kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist, bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts nicht berücksichtigt. Ist der Arbeitnehmerin im Bemessungszeitraum beispielsweise 10 Tage unbezahlter Sonderurlaub gewährt worden, ist der für die drei Monate ermittelte Gesamtverdienst nicht durch 90, sondern durch 80 zu teilen, um das tägliche Entgelt zu ermitteln (ErfK/Schlachter § 21 MuSchG Rn. 2; NK-GA/Boecken § 21 MuSchG Rn. 14). Hat die Frau infolge unverschuldeter Fehlzeiten ein verringertes Arbeitsentgelt erhalten, verringern sich die zu berücksichtigenden Tage nicht. Vielmehr bleibt die Kürzung bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts unberücksichtigt, wenn einer der Tatbestände des § 21 Abs. 2 MuSchG gegeben ist. Ist zum Beispiel wegen Kurzarbeit eine Kürzung des Arbeitsentgelts erfolgt, ist die Vergütung zu ermitteln, die ohne die Kurzarbeit angefallen wäre (Rancke/Pepping/Pepping § 21 MuSchG Rn. 2, 9 ff.; ErfK/Schlachter § 21 MuSchG Rn. 2; NK-GA/Boecken § 21 MuSchG Rn. 14).
Der Referenzzeitraum beträgt drei Monate. Für die Höhe der Ansprüche der Klägerin kommt es auf den durchschnittlichen Verdienst in den letzten drei Monaten vor Eintritt der Schwangerschaft bzw. in den letzten drei Monaten vor Beginn der Schutzfrist an. Eine Verlängerung des Berechnungszeitraums auf 12 Monate ist nicht angezeigt.
Zur Begründung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut der Vorschriften (§ 18 Satz 2 MuSchG, § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG) ausnahmslos einen dreimonatigen Referenzzeitraum vorsieht. Dies gilt grundsätzlich auch bei schwankender Vergütungshöhe (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 28). Das Abstellen auf 12 Monate kann nur ausnahmsweise erfolgen. Voraussetzung ist eine „saisonal stark schwankende variable Vergütung“ (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 26 und 32). In einem solchen Fall kann sich ergeben, dass ein dreimonatiger Referenzzeitraum dem Sinn und Zweck der Regelungen nicht mehr gerecht wird. Dieser besteht darin, der Frau einen möglichst gleichbleibenden Verdienst sicherzustellen. Arbeitgeber sollen in die Lage versetzt werden, die Ansprüche ihrer Mitarbeiterinnen schnell und unkompliziert zu ermitteln (vgl. BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 29).
Im vorliegenden Fall ist eine „saisonal stark schwankende variable Vergütung“ nicht gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass das BAG in einem die Beklagte betreffenden Verfahren einen Referenzzeitraum von 12 Monaten zugrunde gelegt hat (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22). Die Sachverhalte beider Verfahren unterscheiden sich erheblich. In dem vom BAG zu beurteilenden Sachverhalt lag noch kein Tarifvertrag, der die Zahlung einer Winterzulage vorsieht, vor. Hierauf hat das BAG in dem Tatbestand des Urteils ausdrücklich hingewiesen (BAG 31.05.2023 – 5 AZR 305/22 – Rn.
Nach Auffassung der Kammer hat die Vereinbarung des Tarifvertrages zur Folge, dass nunmehr entsprechend der gesetzlichen Regelung auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum abzustellen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin im Jahr vor dem Eintritt der Schwangerschaft bzw. in dem Jahr vor dem Beginn der Schutzfrist tatsächlich eine saisonal stark schwankende variable Vergütung erzielt hat. Aufgrund der tariflichen Regelungen ist in einer Pauschalbetrachtung für alle Arbeitnehmerinnen anzunehmen, dass die variable Vergütung keinen erheblichen Schwankungen unterlegen ist.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Tarifvertragsparteien dasselbe Ziel wie der Gesetzgeber verfolgen. Sie haben in Ausübung ihrer Tarifautonomie eine Pauschalregelung für die Wintermonate getroffen. Dabei sind sie davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmerinnen in den anderen Monaten durchschnittlich eine variable Vergütung in der Größenordnung, die der Tarifvertrag vorsieht, erarbeiten. Diese Einschätzung der Tarifvertragsparteien ist zu respektieren.
Für den Mutterschaftslohn ist für die Monate November 2021 bis Januar 2022 ein Betrag von insgesamt 1.203,59 EUR zugrunde zu legen.
Dabei sind zunächst die tatsächlich an die Klägerin geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen. Als Winterzulage hat sie insgesamt 1.039,31 EUR erhalten (= 338,51 + 350,23 + 350,57).
Sie ist allerdings so zu stellen, als habe sie in jedem der drei Monate 400 EUR als Winterzulage bekommen. Dies folgt aus § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG. Danach sind Kürzungen des Arbeitsentgelts, die infolge von Kurzarbeit eintreten, nicht zu berücksichtigen. Ohne die Kurzarbeit (und ohne die Schwangerschaft) hätte die Klägerin in den drei relevanten Monaten jeweils 400 EUR als Winterzulage erhalten. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass sie bei einem anderen Arbeitszeitmodell, dass für sie nicht gilt, möglicherweise geringere Zahlungen erhalten hätte.
Gegen dieses Ergebnis kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die Klägerin nunmehr im Sommer eine Winterzulage erhält. Dies ist nicht der Fall. Die Zahlung der 400 EUR beruht vielmehr auf der Annahme, dass die Klägerin in den Sommermonaten ohne die Schwangerschaft und ohne die Kurzarbeit (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG) variable Vergütung i H v durchschnittlich 400 EUR monatlich verdient hätte.
Die Winterzulage bleibt schließlich nicht nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG unberücksichtigt. Es handelt sich nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne von § 23a SGB IV. Aus der Vorschrift ergibt sich, dass Jahressonderzahlungen, die der Arbeitgeber für das gesamte Jahr zahlt und deren Auszahlung zufällig in den Berechnungszeitraum fällt, nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Brose/Weth/Volk/Herrmann § 21 MuSchG Rn. 22). Wintergeld stellt kein einmalig gezahltes Entgelt dar. Die Zahlungen in den Wintermonaten sind nicht für das gesamte Jahr bestimmt. Sie sollen vielmehr einen typischen Verdienstausfall in den Wintermonaten ausgleichen.
Danach betrug der der Klägerin zustehende Gesamtbetrag ursprünglich 1.203,59 EUR. Die von der Beklagten ermittelten 3,59 EUR sind nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie nicht Teil des Streitgegenstandes sind (§ 308 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin hat für die einzelnen Monate 400 EUR geltend gemacht. Zudem ist der Betrag vonm 3,59 EUR an die Klägerin ausbezahlt worden.