Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit Urteil vom 12.02.2021 zum Aktenzeichen 6-32 OJs 11/16 sein Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein Mitglied der syrischen Vereinigung „Jaish al-Muhajirin wal-Ansar“ (JAMWA) verkündet.
Aus der Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 15.02.2021 ergibt sich:
Der 28-jährige Angeklagte, ein syrischer Staatsangehöriger und in der Bundesrepublik Deutschland anerkannter Asylbewerber, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129 b Strafgesetzbuch zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe setzte der Senat zur Bewährung aus.
Dem Urteil waren 15 Verhandlungstage seit dem 8. Oktober 2020 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 16 Zeugen und einen Islamwissenschaftler als Sachverständigen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und abgehörte Telefongespräche eingeführt. Nach den Feststellungen des Senats strebte die als jihadistisch einzustufende JAMWA ein islamisches Kalifat in Syrien und den angrenzenden Staaten des Nahen Ostens unter Geltung der Scharia an. Diesem Ziel versuchte die hierarchisch gegliederte Vereinigung unter Führung des Georgiers Abu Umar al-Shishani durch militärischen Kampf näher zu kommen. Im Zeitraum seit ihrer Gründung im März 2013 beteiligte sich die Organisation an zahlreichen militärischen Operationen in Nordsyrien mit einer Vielzahl von Toten und Verletzten. Aufgrund der ideologischen Nähe kooperierte die JAMWA besonders eng mit der Vereinigung „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS), dem später sogenannten IS.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der inzwischen 28-jährige Angeklagte Ahmad I. sich ab Sommer 2013 für einen Zeitraum von jedenfalls zwei Monaten der JAMWA angeschlossen hat. Dort war er in der Basisstation der JAMWA in Hraytan, einem Vorort von Aleppo, eingesetzt, die an der Frontlinie des syrischen Bürgerkrieges in dem bei Aleppo gelegenen Ort Kafr Hamra eine Stellung hielt. Er war u.a. mit der Beschaffung und der Zubereitung der täglichen Verpflegung der Mitglieder der Gruppierung befasst, verrichtete Reinigungsarbeiten und betätigte sich als einheimisches, arabisch-sprechendes Mitglied an der sprachlichen Eingliederung der im Wesentlichen ausländischen Angehörigen der Gruppierung. Dass der Angeklagte in dieser Zeit an einem Kampfeinsatz teilgenommen hatte, konnte der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.
Der Senat hat bei der Strafzumessung u.a. berücksichtigt, dass die Tat mit über sieben Jahren sehr lange zurückliegt, der Angeklagte nicht vorbestraft ist, lediglich für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum Teil der Gruppierung gewesen war und durch seine Angaben im Ermittlungsverfahren selbst zu seiner Überführung beigetragen hat; andererseits handelte es sich bei der JAMWA um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung.
Angesichts der für den Angeklagten günstigen Sozialprognose und dem nach Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten vom Senat bejahten Vorliegen besonderer Umstände konnte die Vollstreckung der festgesetzten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Senat ist von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgegangen; deshalb gilt ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten ebenso wie der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.