Zuckerkartell: Kein Schadensersatz nach Bezug von Verarbeitungszucker

12. Oktober 2020 -

Das Landgericht Köln hat am 12.10.2020 zu den Aktenzeichen 33 O 69/15, 33 O 147/15, 33 O 146/15 und 33 O 33/17 in vier Verfahren entschieden, dass Molkereien, Gebäck- und Feinkosthersteller sowie Brauereien gegen die kartellbeteiligten Zuckerhersteller Nordzucker, Südzucker und Pfeifer & Langen keinen Anspruch auf Schadensersatz haben.

Aus der Pressemitteilung des LG Köln Nr. 24/2020 vom 09.10.2020 ergibt sich:

Das Bundeskartellamt leitete im Januar 2009 Kartellbußgeldverfahren gegen die drei Zuckerhersteller Nordzucker, Südzucker und Pfeifer & Langen ein. Das Verfahren endete am 18.02.2014 mit Bescheiden, in denen Bußgelder in Höhe von insgesamt ca. 280 Mio. Euro verhängt wurden. Die Bußgeldbescheide sind bestandskräftig. Das Bundeskartellamt wirft den Herstellern vor, im Zeitraum von April 1996 bis März 2009 Absprachen für Verarbeitungszucker und Haushaltszucker getroffen zu haben, um die jeweiligen Kernabsatzgebiete der Wettbewerber zu respektieren (Heimatmarktprinzip). Zuckermengen, die über die Nachfrage der Kunden im eigenen Kernabsatzgebiet produziert wurden, sollten in andere Länder exportiert, nicht aber an Kunden im Gebiet der Wettbewerber abgesetzt werden. Die Klägerinnen hatten während des Kartellzeitraums Verarbeitungszucker von den Kartellteilnehmern und -außenseitern bezogen und sind der Auffassung, der Zuckerpreis sei aufgrund der kartellrechtswidrigen Absprachen überhöht gewesen. Sie machen Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt ca. 126 Mio. Euro geltend.

Das Landgericht hat Beweis durch die Begutachtung eines Wirtschaftswissenschaftlers erhoben, der den Verfahrensbeteiligten zur Erläuterung und für Nachfragen an zwei ganztägigen Verhandlungsterminen zur Verfügung gestanden hat.

Das LG Köln hat die Klagen abgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts setzt ein aus dem Erwerb kartellierter Produkte resultierender Ersatzanspruch nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für einen kartellbedingten Schaden besteht. Es könne jedoch nicht mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die auf Verarbeitungszucker bezogenen kartellrechtswidrigen Absprachen der Zuckerhersteller zu erhöhten Preisen geführt hätten.

Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass auf dem Markt für Verarbeitungszucker auch ohne kartellrechtswidrige Absprachen mit jedenfalls überwiegender Wahrscheinlichkeit eine stillschweigende Koordinierung zwischen den Zuckerherstellern zu erwarten gewesen wäre.

Bei nur drei Zuckerherstellern, die zusammen über 80% des Marktes abdeckten, und den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen unter Geltung der damaligen Zuckermarktordnung, die jahrzehntelang für eine Abschottung der Märkte gesorgt hätte, war der Markt für Verarbeitungszucker derart stabil und transparent, dass die drei Zuckerhersteller aufgrund des Bestehens glaubwürdiger Sanktionsmechanismen auch ohne Kartell mit einiger Wahrscheinlichkeit auf vorstoßenden Wettbewerb verzichtet hätten.

Bei gleichzeitiger Betrachtung der ausweislich der Bußgeldbescheide im Bereich Verarbeitungszucker nur äußerst rudimentären Absprachen der Kartellteilnehmer könne daher auch nicht mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese zu höheren Preisen geführt hätten, als in einem kartellfreien Markt zu erwarten gewesen wären.