Zimmer in Gemeinschaftsunterkunft ist als Wohnung zu betrachten

20. August 2020 -

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat am 18.08.2020 zum Aktenzeichen 4 Bf 160/19 entschieden, dass das Betreten der zur privaten Nutzung überlassenen Zimmer einer Wohnunterkunft zum Zwecke der Abschiebung ohne richterlichen Anordnung rechtswidrig ist.

Aus der Pressemitteilung des OVG Hamburg vom 20.08.2020 ergibt sich:

Gegenstand der Entscheidung war die Abschiebung einer irakischen Familie in die Niederlande im Jahr 2017. Zu diesem Zweck betraten Mitarbeiter der Beklagten gegen 6:30 Uhr die den Klägern zur privaten Nutzung überlassenen Zimmer der Wohnunterkunft.
Die Kläger haben daraufhin vor dem Verwaltungsgericht mit Erfolg Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betretens und Durchsuchens der Zimmer ihrer Wohnunterkunft erhoben.

Das OVG Hamburg hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Freien und Hansestadt Hamburg zurückgewiesen und das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts war die Freie und Hansestadt Hamburg nicht berechtigt, die Wohnunterkunft einer Familie im Jahr 2017 zum Zwecke der Abschiebung ohne richterliche Anordnung zu betreten. Die Voraussetzungen der seinerzeit für das Handeln allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 23 Abs. 1 HmbVwVG hätten nicht vorgelegen. Danach dürfen Wohnungen und Geschäftsräume ohne Einwilligung der pflichtigen Person nur auf Grund einer richterlichen Anordnung durchsucht werden (§ 23 Abs. 3 HmbVwVG). Bei den zur individuellen Nutzung überlassenen Zimmern einer Wohnunterkunft handele es sich nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts um eine Wohnung in diesem Sinne. Zudem stelle das Betreten einer Wohnung durch Behördenmitarbeiter, um dort Personen zum Zwecke der Abschiebung aufzufinden und zu ergreifen, eine Durchsuchung i.S.v. § 23 Abs. 1 HmbVwVG und Art. 13 Abs. 2 GG dar. Für die Durchsuchung der Wohnung der Kläger habe weder deren Einwilligung noch eine richterliche Anordnung vorgelegen.

Da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der streitigen Maßnahme im Jahr 2017 abzustellen gewesen sei, seien die vom Bundesgesetzgeber im August 2019 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten Vorschriften des § 58 Abs. 5 und 6 AufenthG, die spezialgesetzlich die Voraussetzungen für das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung eines abzuschiebenden Ausländers zum Zweck seiner Ergreifung regeln, für die Entscheidung ohne Bedeutung gewesen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das BVerwG entscheidet.