Das Amtsgericht München hatte mit Urteil vom 08.01.2020 zum Aktenzeichen 171 C 7243/19, ob sich ein in seiner Wohnung eingesperrter Mann gegenüber dem herbeigerufenen Schlüsseldienst und den in Rechnung gestellten Kosten auf Wucher berufen kann.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 31/2020 vom 10.07.2020 ergibt sich:
Der Kläger wollte an einem Sonntag gegen 22:00 Uhr seine Wohnung verlassen, um seine Mutter zu besuchen. Er konnte allerdings die Wohnungstüre nicht öffnen. Auf der Suche nach einem gewerblichen Schlüsseldienst, an den ihn die Feuerwehr verwiesen hatte, fand er eine Internetseite, die einen 24-Stunden-Notservice anbot. Auf telefonische Frage nach einem konkreten Angebot wurde der Kläger darauf verwiesen, dass sich die Kollegen erst ein genaues Bild vor Ort machen müssten. Gegen Mitternacht erschien der Beklagte vor der Wohnungstüre. Durch deren Briefschlitz übergab er dem Kläger ein Formular. Dort waren jeweils „netto“ ein „Fallspezifischer Einsatzwert Mo. – Fr. 9-18 Uhr“ von 189 Euro, Pauschalen von An- und Abfahrt von je 20 Euro, ein Sonntag / Feiertagszuschlag von 189 bereits ausgefüllt. Ohne Unterschrift werde die Türe nicht geöffnet werden. Der Kläger habe jedenfalls, auch bei Verweigerung der Unterschrift, die Kosten für den Zeitaufwand und die An- und Abfahrt zu tragen. Der Kläger leistete daraufhin die verlangte Unterschrift. Nach umstandslos rascher Öffnung der Tür stellte sich heraus, dass die Türfalle nicht hängen geblieben, sondern gebrochen war. Der Kläger beauftragte den Beklagten nun auch mit dem Austausch des Schlosses, dessen Preis von 169 Euro damit begründet wurde, dass es sich nicht um Massenware aus dem Baumarkt handeln würde. Das Formular wurde um die Posten „Mehrarbeitszeit“ in Höhe von 139 Euro und „Sicherheitsschloss“ von 169 Euro ergänzt. Der Kläger unterschrieb dann unter dem Titel „Abnahmeprotokoll“ erneut und bestätigte damit u.a., dass er die Arbeit ohne Mängel abgenommen habe, die obenstehenden Artikel verbaut worden seien und er die Zahlung ohne Abzüge vornehmen werde. Der Kläger bezahlte den Rechnungsbetrag von 863,94 Euro in bar, nachdem ihm für den Fall einer Zahlung per EC-Karte weitere Kosten von 9,90 Euro genannt worden waren. Der Vermieter erstattete dem Kläger nur einen Betrag von 217,18 Euro und verwies ihn auf ein entsprechendes Angebot eines anderen Anbieters sowie Preisempfehlungen des Bundesverbands Metall aus dem Jahr 2011. Der Kläger beruft sich wegen des auffälliges Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf die Unwirksamkeit des sittenwidrigen Vertrags, zumal er sich auch in einer Zwangslage befunden habe, da er am nächsten Morgen zur Arbeit erscheinen habe müssen. Der Beklagte wendet ein, dass niemand den Kläger genötigt habe, die angebotene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hätte ihn auch – maximal belastet mit den Anfahrtskosten – weiterschicken können. Auch eine Zwangslage habe nicht vorgelegen.
Das AG München hat dem Beklagten Recht gegeben und die Klage auf Rückerstattung eines Großteils des gezahlten Lohnes in Höhe von 621,51 Euro abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts befand sich der Kläger nicht in einer Zwangslage, wie dies von § 138 Abs. 2 BGB tatbestandlich vorausgesetzt wird. Eine Situation, in der es dem Kläger nicht möglich oder nicht zumutbar war, den Beklagten schlicht weiterzuschicken, lag nicht vor. Der Kläger befand sich in seiner Wohnung und hatte normalen und zuverlässigen Kontakt zur Außenwelt. Er verfügte über einen funktionierenden Telefon- und Internetanschluss. Es mag sein, dass sich der Kläger in einer für ihn unangenehmen Lage befand, eine Art von Zwang, gerade den Beklagten zu beauftragen, erwuchs aus dieser Lage aber nicht. Der Beklagte habe dem Kläger sein schriftliches und detailliertes Angebot unterbreitet. Zum einen hätte der Kläger das Angebot schlicht ablehnen können, auch Anfahrtskosten hätte er zunächst faktisch nicht zahlen müssen und den Beklagten auf den Rechtsweg verweisen können. Zum anderen hätte der Kläger auf zumutbare Weise einen anderen Schlüsseldienst beauftragen können. Es sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die Beklagten im Raum München über eine Monopolstellung verfügten.
Auch ein Verstoß gegen § 138 Abs.1 BGB liege nicht vor. In einer vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägten freien Marktwirtschaft müsse es grundsätzlich den Parteien überlassen werden, eine angemessene Vergütung für eine konkrete Leistung zu bestimmen. Wenn ein Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote mache, werde er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren müssen oder aber vom Markt verschwinden.
Das Urteil ist – nach entsprechendem Hinweisbeschluss des LG München I – aufgrund Rücknahme der klägerischen Berufung vom 30.04.2020 rechtskräftig.