Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18. September 2024 zum Aktenzeichen IV ZR 436/22 entschieden, dass die von einem Versicherer in dem von ihm angebotenen Tarif einer Rentenversicherung praktizierte Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen zulässig ist und vom Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verwendete Klauseln zur Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten (sog. Zillmerung) sowie zum Stornoabzug wirksam sind.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 184/2024 vom 18.09.2024 ergibt sich:
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Der Kläger, ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verein, und der beklagte Versicherer streiten über die Ausgestaltung und Abwicklung von Rentenversicherungsverträgen in einem von der Beklagten angebotenen Tarif. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die von der Beklagten in diesem Tarif praktizierte Überschussbeteiligung. In dieser sieht er einen Verstoß gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV) sowie eine Verletzung des aufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 138 Abs. 2 VAG) und der in § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG vorgesehenen Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren. Hintergrund ist die Praxis der Beklagten, bei der jährlichen Zuweisung der Überschüsse auf die überschussberechtigten Verträge den Versicherungsverträgen mit einem höheren Rechnungszins eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zuzuteilen als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.
Die Parteien streiten daneben über die Wirksamkeit diverser Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen, unter anderem über eine Regelung, nach der die Abschluss- und Verwaltungskosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, sowie über die Bestimmungen zum sog. Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte unter anderem zur Unterlassung der Verwendung von Teilen der Klauseln in den Versicherungsbedingungen zum Stornoabzug verurteilt. Die von der Beklagten praktizierte Beteiligung der Versicherungsverträge unterschiedlicher Tarifgenerationen an den Überschüssen hat es hingegen als wirksam angesehen und die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil geändert und die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung weiterer Teilklauseln in den von ihr verwendeten Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien sind erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln, mit denen sie – soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist – ihre jeweiligen Begehren weiterverfolgen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers im Wesentlichen zurückgewiesen, derjenigen der Beklagten dagegen teilweise stattgegeben.
Der Senat hat entschieden, dass die vom Kläger angegriffene Praxis der Überschussverteilung nicht gegen die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 MindZV verstößt. Dieser ist nicht die Vorgabe zu entnehmen, bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der einzelnen Versicherungsverträge mit den jeweils vereinbarten rechnungsmäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen und nur den verbleibenden Teil als Überschuss zu verwenden. Die von der Beklagten geübte Praxis, Tarifgenerationen mit unterschiedlichem Garantiezins eine einheitliche Gesamtverzinsung zuzuteilen, soweit diese nicht hinter dem Garantiezins zurückbleibt, ist dabei sowohl mit § 138 Abs. 2 VAG als auch mit § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG vereinbar. Weder der aufsichtsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch die Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren verbieten zudem im Grundsatz eine sog. „risikoadjustierte Gesamtverzinsung“, bei der den Verträgen mit einer höheren Garantieverzinsung eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zugeteilt wird als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.
Der Senat hat zudem entschieden, dass die von der Beklagten in ihren Versicherungsbedingungen verwendete Klausel, nach der die Abschluss- und Vertriebskosten in gleichmäßigen Jahresbeträgen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält und insbesondere nicht im Sinne von § 171 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 169 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VVG abweicht. Die letztgenannte Bestimmung enthält, wie ihre Auslegung ergibt, keine Regelung für Verträge, bei denen die Prämie in einem Einmalbeitrag entrichtet wird oder bei denen die vereinbarte Prämienzahlungsdauer weniger als fünf Jahre beträgt.
Auch die von der Beklagten in ihren Versicherungsbedingungen verwendeten Klauseln zum Stornoabzug für erhöhte Verwaltungsaufwendungen bei Beitragsfreistellung und Kündigung sind wirksam und halten einer Inhaltskontrolle – auch am Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – stand. Transparenzbedenken ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Klauseln mit ihrer jeweiligen Regelung zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe des Stornoabzugs die Folgen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend verständlich machten.