willkürliche Nichtanwendung einer Norm

05. September 2021 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 17. August 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 1086/21 entschieden, dass die willkürliche Nichtanwendung einer Norm einen Richterspruch verfassungswidrig macht.

Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, die Rechtslage also in krasser Weise verkannt wird.

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat mit Art. 103m EGInsO eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt.

Nach dieser Vorschrift sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Januar 2021 beantragt wurden, die bis dahin geltenden Vorschriften und nicht die durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 geänderten Vorschriften weiter anzuwenden.

Demzufolge war für die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung § 272 InsO in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung maßgeblich. Danach war entweder der Antrag der Gläubigerversammlung, eines absonderungsberechtigten Gläubigers beziehungsweise Insolvenzgläubigers oder des Schuldners selbst notwendig. An einem solchen Antrag fehlt es hier. Selbst wenn man die Anregung des Sachwalters im Schreiben vom 26. Februar 2021 als Antrag verstehen wollte, würde dies nicht genügen, da er nicht antragsberechtigt war. Eine Aufhebung von Amts wegen sieht das maßgebliche Gesetz (anders als die durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2021 neu gefasste Vorschrift des § 272 InsO) offensichtlich nicht vor.

Damit ist das Amtsgericht Bitburg von einer Rechtslage ausgegangen, welche eindeutig nicht einschlägig ist. Die angegriffene Entscheidung ist unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.