Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. März 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 2000/21 entschieden, dass vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung eingelegt werden muss.
Eine solche Möglichkeit bestand hier im Wege der Einlegung eines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung gemäß §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO.
Für den Fall, dass die einstweilige Verfügung auf der Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beruht, so dass bei einer frühzeitigen Beteiligung des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren die einstweilige Verfügung nicht oder jedenfalls nicht so erlassen worden wäre, eröffnet das Widerspruchsverfahren die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Korrektur der aufgrund der Verletzung der prozessualen Waffengleichheit ergangenen Entscheidung für die Zukunft.
Durch die erstmalige Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners im Widerspruchsverfahren wird die Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit zwar nicht beseitigt. Denn der Mangel, der in der fehlenden Beteiligung des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren besteht, kann im Unterschied zu einer (reinen) Verletzung rechtlichen Gehörs gerade nicht mehr beseitigt werden. Räumt das Fachgericht den error in procedendo auf den Widerspruch hin jedoch ein und hebt die einstweilige Verfügung aufgrund des Vorbringens des Antragsgegners auf, wird die fehlerhafte Handhabung des Prozessrechts damit festgestellt, so dass − je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls − die Intensität der erlittenen Grundrechtsverletzung gemindert sein kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn über den Widerspruch zeitnah nach Erlass der einstweiligen Verfügung verhandelt und entschieden wird.
Selbst wenn aber die einstweilige Verfügung auch nach der − im Widerspruchsverfahren nachgeholten − Beteiligung des Antragsgegners im fachgerichtlichen Verfahren Bestand haben sollte, eröffnet die Entscheidung über den Widerspruch dem Fachgericht jedenfalls die Möglichkeit, wenn auch nicht formell, so doch in den Gründen der Entscheidung den error in procedendo einzuräumen. Damit könnte es dem mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Interesse an der Feststellung der Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit in der Sache Rechnung tragen. Legt der Antragsgegner gegen die unter Verletzung der prozessualen Waffengleichheit erlassene einstweilige Verfügung hingegen keinen Widerspruch ein, hat er damit regelmäßig nicht alle Möglichkeiten genutzt, eine solche Feststellung durch die Fachgerichte zu erwirken.
Räumt das Fachgericht im Rahmen der Entscheidung über den Widerspruch den error in procedendo ein, wird in der Regel auch keine Wiederholungsgefahr mehr gegeben sein. Denn es darf angenommen werden, dass ein Fachgericht einen einmal als solchen erkannten Verstoß gegen das Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG in der Zukunft vermeiden wird. Dies schließt nicht aus, dass umgekehrt in Fällen, in denen ein Fachgericht wiederholt das Recht auf prozessuale Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren verletzt, obwohl es zuvor in einem vergleichbaren Fall den error in procedendo eingeräumt hatte, ein hinreichend gewichtiges Interesse an der bundesverfassungsgerichtlichen Feststellung des Verstoßes gegeben sein kann. In einem solchen Fall wird regelmäßig ein bewusstes und systematisches Übergehen der prozessualen Rechte des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren vorliegen, das die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die einstweilige Verfügung selbst ermöglicht.