Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 23.07.2019 zum Aktenzeichen 182 C 18938/18 entschieden, dass einem stark alkoholisiert erscheinenden Fluggast die Beförderung verweigert werden darf und dieser dann keinen Schadensersatz wegen Nichtbeförderung gegen seinen Reiseveranstalter geltend machen kann.
Aus der Pressemitteilung des Amtsgerichts München Nr. 85/2019 vom 25.10.2019 ergibt sich:
Der Kläger buchte über eine Discounterkette für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Pauschalreise über eine Pazifikkreuzfahrt sowie Hin- und Rückflug von Frankfurt über Dubai nach Brisbane zu einem Gesamtreisepreis von 7.398 Euro. Nachdem der Kläger und seine Ehefrau beim Rückflug in Brisbane ihre Plätze in dem Flugzeug eingenommen hatten, wurde ihnen mit der Begründung, sie seien stark alkoholisiert und fluguntauglich, nach Rücksprache mit dem Kapitän des Flugzeugs die Beförderung verweigert. Sie mussten daraufhin das Flugzeug verlassen. Beide buchten sodann einen Rückflug für den Folgetag. Hierfür will der Kläger 1.752,64 Euro bezahlt haben. Der Kläger behauptet, ihm und seiner Ehefrau sei die Beförderung zu Unrecht verweigert worden. Ihm sei neben den für den Ersatzflug aufgewendeten Kosten ein Schaden in Form eines Umsatzverlustes als Rechtsanwalt in Höhe von mindestens 600 Euro entstanden. Die Beklagte behauptet, der Kläger und dessen Ehefrau seien zu Recht des Flugzeugs verwiesen worden, da sie reiseuntauglich gewesen seien.
Die Parteien erklärten sich im schriftlichen Verfahren mit der Verwertung der in einem anderweitigen Zivilverfahren vor dem AG Frankfurt eingeholten Zeugenaussagen einverstanden. Die Flugbegleiterin sagte als Zeugin aus, sie sei gerade mit dem Einsteigen der Kunden im Business-Class-Bereich beschäftigt gewesen, als sie eine Frau mit rotem Gesicht gesehen habe, die geweint habe und sich nach besten Kräften bemüht habe, einen Herrn mit einem rot angelaufenen Gesicht zu seinem Platz zu führen. Bevor er sich gesetzt habe, habe er nach einem Glas Champagner gefragt. Ihr Chef sei zu dem Fazit gelangt, der Kunde werde nicht bis Dubai durchhalten. Daraufhin habe man ihn des Flugzeugs verwiesen. Als der Kunde mit Hilfe des Sicherheitsdienstes von Board gebracht werden sollte, habe er sich geweigert und angefangen zu schreien. Nach ein paar Minuten habe er allerdings doch Folge geleistet und Drohungen ausgestoßen, als er durch die Reihen gegangen sei. Die Chefstewardess gab an, dass beide nicht geradeaus zu ihren Sitzen gegangen seien. Die Ehefrau des Klägers sei aufgebracht gewesen und habe geweint. Einer von beiden habe ihr gesagt, dass die Ehefrau sich nicht wohl fühle. Sie habe bei einem Vier-Augen-Gespräch beim Kläger starken Alkoholgeruch wahrgenommen, der sich an der Wand anlehnen musste, um nicht umzufallen. Sein Gesicht sei ganz rot gewesen und er habe sich nicht normal konzentrieren können. Als sie mit ihm gesprochen habe, seien seine Augen ganz glasig gewesen und er habe Probleme gehabt, dem Gespräch zu folgen. Er habe bestätigt, Alkohol getrunken zu haben. Der Kapitän habe dann entschieden, beide des Flugzeugs zu verweisen. Das Ehepaar räumte geringfügigeren Alkoholkonsum ein.
Das AG München hat der Beklagten Recht gegeben und die Klage auf Minderung und Schadensersatz wegen Nichtbeförderung abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts liegt eine schuldhafte Verletzung der sich aus dem Reisevertrag ergebenden Pflicht der Beklagten zur (Rück-)Beförderung des Klägers und seiner Ehefrau nicht vor. Der Beklagten sei vorliegend der Nachweis gelungen, dass die Verweisung des Klägers und seiner Ehefrau von Bord des Flugzeugs in Brisbane zu Recht erfolgt sei und damit nicht von ihr verschuldet war.
Zusammenfassend lagen nach den glaubhaften Aussagen der Zeuginnen folgende Anknüpfungstatsachen für eine Verweisung von Board vor: Ein wankender Gang beider Fluggäste, gerötete Gesichter, glasige Augen, Stützen des Klägers, Weinen der Ehefrau des Klägers, die Aussage, es gehe ihr nicht gut, starker Alkoholgeruch und mangelnde Konzentrationsfähigkeit des Klägers sowie der Umstand, dass dieser sich zum Stehen an die Wand anlehnen musste. Dies ist nach Auffassung des Amtsgerichts als ausreichend anzusehen. Das Amtsgericht berücksichtigt hierbei weiter, dass der Flugkapitän seine Ermessensentscheidung stets aufgrund einer „ex-ante“ (d.h. vorausschauender) Einschätzung der Situation zu treffen und zahlreiche auf den Einzelfall bezogene Faktoren, wie etwa die Länge des jeweiligen Fluges, zu berücksichtigen habe. In die Ermessensentscheidung sei hier mithin auch eingeflossen, dass es sich um einen Langstreckenflug handelte.