Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 06. Dezember 2022 zum AKtenzeichen 2 BvL 29/14 auf die Vorlage eines Finanzgerichts entschieden, dass auch § 36 Absatz 6a Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung von § 34 Abs. 13f KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (im Folgenden: § 36 Abs. 6a KStG) mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist. Die Regelung kann zu einem Verlust von im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbarem Körperschaftsteuerminderungspotenzial führen, ohne dass dies durch die gleichzeitige Verringerung von Körperschaftsteuererhöhungspotenzial vollständig kompensiert wird.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 16/2023 vom 7. Februar 2023 ergibt sich:
Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 % Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 % (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung, zuletzt also in Höhe von 10 Prozentpunkten. Steuerfreie Vermögensmehrungen der Körperschaft wurden dagegen zum Teil bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, enthielten also ein Steuererhöhungspotenzial.
§ 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln. Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte.
Die Regelung in § 36 Abs. 6a KStG sieht die Umgliederung des mit 45 % vorbelasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % vorbelastetes Eigenkapital (EK 40) vor; gleichzeitig wird ein positiver nicht mit Körperschaftsteuer vorbelasteter Eigenkapitalteil (EK 02) verringert, bis er verbraucht ist. Bei dieser Umgliederung kann es zu einem Verlust von im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbarem Körperschaftsteuerminderungspotenzial kommen, ohne dass dies durch die Verringerung eines im EK 02 ruhenden und im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbaren Körperschaftsteuererhöhungspotenzials ausgeglichen wird.
Das unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). In dieses Schutzgut greift § 36 Abs. 6a KStG bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur nachteilig ein. Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt. Er ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele jedenfalls nicht erforderlich und wird den Anforderungen des Gleichheitssatzes an die Umgestaltung von Eigentümerbefugnissen nicht gerecht.
Sachverhalt:
Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde das verwendbare Eigenkapital (vEK) der Gesellschaft entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene „Eigenkapitaltöpfe“ (EK) gegliedert. Eine Belastung des einbehaltenen Gewinns mit 45 % wurde im sogenannten „EK 45“ vermerkt, eine Belastung mit 40 % im „EK 40“. Diese belasteten Eigenkapitalteile enthielten ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden im „EK 0“ erfasst. Letzteres unterteilte sich in die nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Gewinne und Verluste (EK 01), Altrücklagen aus den Jahren vor 1977 (EK 03), offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter (EK 04) sowie sonstige der Körperschaftsteuer nicht unterliegende Vermögensmehrungen (EK 02). Das EK 02 und das EK 03 wurden bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, sie enthielten also ein Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.
Den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete der Gesetzgeber durch die mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.Oktober 2000 neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügten §§ 36 bis 40 KStG. Gemäß § 36 KStG wurden die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals in mehreren Umrechnungsschritten zusammengefasst und umgegliedert und die so ermittelten Endbestände gesondert festgestellt. Diese Feststellung bildete die Grundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 1 KStG einerseits und der Nachbelastung mit Körperschaftsteuer gemäß § 38 KStG andererseits.
Mit Beschluss vom 17. November 2009 (BVerfGE 125, 1 – Körperschaftsteuerminderungspotenzial I) erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 36 Abs. 3 und 4 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes für mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Regelung durch die Umgliederung von EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte.
Daraufhin änderte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2010 die Übergangsvorschriften der §§ 36 und 37 KStG durch Einfügung von § 34 Abs. 13f, 13g KStG. Nach der Neuregelung wurde die vorrangige Umgliederung von EK 45 in EK 40 durch § 36 Abs. 3 KStG gestrichen. Gemäß § 36 Abs. 4 bis 6 KStG findet zunächst in mehreren Schritten eine Verrechnung belasteter und unbelasteter Eigenkapitalteile statt. Daran schließt sich im letzten Schritt gemäß § 36 Abs. 6a KStG die Umgliederung des EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 an, sofern nach den vorgenannten Verrechnungsschritten ein positiver Teilbetrag des EK 02 verblieben ist. Dieser wird zunächst um 5/22 eines positiven Bestands an EK 45, jedoch maximal bis auf null vermindert und das EK 45 entsprechend erhöht. In Höhe von 27/5 des Betrags, um den das EK 02 gemindert worden ist, wird sodann das EK 40 erhöht und das EK 45 vermindert. Damit wird – anders als nach § 36 Abs. 3 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes – vermieden, dass das EK 02 durch die Umgliederung negativ wird und die anschließende Verrechnung mit belasteten Eigenkapitalteilen umgliederungsbedingt zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt.
Bei der Klägerin des Ausgangsverfahrens, einem Kreditinstitut in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft, führte die Feststellung der Endbestände des vEK gemäß § 36 Abs. 7 KStG durch das Finanzamt aufgrund der Regelung in § 36 Abs. 6a KStG zu einer Verringerung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 1 KStG gegenüber dem im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Nach erfolglosem Einspruch erhob sie Klage zum Finanzgericht. Dieses hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
§ 36 Abs. 6a KStG verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum, sondern auch andere dingliche und sonstige gegenüber jedermann wirkende Rechte sowie schuldrechtliche Forderungen. Er ist nicht auf bestimmte vermögenswerte Rechte beschränkt. Geschützt sind nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht jedoch bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten.
Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit über das Eigentumsobjekt gekennzeichnet. Vermögenswerte öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen hat das Bundesverfassungsgericht in den Schutz der Eigentumsgarantie einbezogen, wenn sie eine Rechtsstellung begründen, die der des Eigentums entspricht und die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde. Hierfür ist neben der Privatnützigkeit der Rechtsposition und einer zumindest eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Inhabers insbesondere von Bedeutung, inwieweit eine derartige Rechtsstellung sich als Äquivalent eigener Leistung erweist.
Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann insbesondere, wenn sich eine Reform des geltenden Rechts als notwendig erweist, vor der Entscheidung stehen, bisher eingeräumte rechtliche Befugnisse zu beseitigen oder zu beschränken. Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist er bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen im Wege einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung befugt.
Er unterliegt dabei jedoch besonderen verfassungsrechtlichen Schranken. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss mit Blick auf die in Art. 14 Abs. 1 GG enthaltene subjektive Rechtsstellungsgarantie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden.
Bei der Umgestaltung komplexer Regelungssysteme steht dem Gesetzgeber für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat.
Nach diesen Maßstäben ist § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Das unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Es erfüllt die Kriterien der Privatnützigkeit und jedenfalls eingeschränkten Verfügbarkeit. Ferner beruht es auf einer eigenen Leistung der Körperschaft, weil es sich aus der von dieser in Höhe der Tarifbelastung entrichteten Körperschaftsteuer ableitet. Soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbar war, handelt es sich bei dem Körperschaftsteuerminderungspotenzial nicht lediglich um eine bloße Chance oder zukünftige Verdienstmöglichkeit, sondern um eine vermögenswerte Rechtsposition, die der Körperschaft bereits zustand und bezifferbar war.
In das im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren bestehende, im EK 45 gespeicherte und realisierbare Körperschaftsteuerminderungspotenzial greift § 36 Abs. 6a KStG je nach Eigenkapitalstruktur ein. Die Vorschrift führt gegenüber dem Zeitpunkt des Systemwechsels zu einer Reduzierung des Körperschaftsteuerminderungspotenzials, ohne dass dieser Eingriff durch die gleichzeitige Verringerung von Körperschaftsteuererhöhungspotenzial vollständig kompensiert wird.
Unter dem Anrechnungsverfahren konnte in positivem EK 45 gespeichertes Körperschaftsteuerminderungspotenzial bei einer Vollausschüttung wegen der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 nur dann nicht oder nicht vollständig realisiert werden, wenn die Summe aller übrigen Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals negativ war. In allen anderen Fällen hat § 36 Abs. 6a KStG eine Verringerung des unter dem Übergangsrecht noch realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials zur Folge. Die Umgliederung von EK 45 in EK 40 gemäß § 36 Abs. 6a Satz 2 KStG führt zwar zu einem höheren Bestand an EK 40, dieses enthält aber mit 1/6 nur ein geringeres Minderungspotenzial als das EK 45, bei dem das Minderungspotenzial 15/55 des Teilbetrags beträgt. Dadurch tritt insgesamt eine Reduzierung des Minderungspotenzials ein.
Der Verlust an Körperschaftsteuerminderungspotenzial wird allerdings rechnerisch kompensiert durch die gleichzeitige entsprechende Reduktion von EK 02 und damit des darin enthaltenen Körperschaftsteuererhöhungspotenzials. Nach § 36 Abs. 6a Satz 1 KStG verringert sich der Bestand des EK 02 um 5/22 des Bestands an EK 45 bis zum Verbrauch des EK 02. Da die Verrechnung auf den positiven EK 02-Bestand beschränkt ist, entspricht die umgliederungsbedingte Reduktion des unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten Körperschaftsteuerminderungspotenzials stets der umgliederungsbedingten Reduktion des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials.
Jedoch bleibt infolge der Regelung von § 36 Abs. 6a KStG nur der Saldo aus Körperschaftsteuerminderungs- und -erhöhungspotenzial identisch, nicht das Körperschaftsteuerminderungspotenzial als solches. Die Regelung zieht deshalb ungeachtet des rechnerischen Ausgleichs unter zwei Aspekten eine gegenüber dem Anrechnungsverfahren nachteilige Veränderung nach sich:
Zum einen bewirkt die Verrechnung mit EK 45 eine zwangsweise Nachbelastung des EK 02 mit 30 %, während die Nachbelastung unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens nur bei einer tatsächlichen Ausschüttung erfolgt ist. Die betroffenen Körperschaften konnten also durch eine entsprechende Steuerung des Ausschüttungsverhaltens das Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisieren, ohne dass zugleich eine Körperschaftsteuererhöhung anfiel.
Zum anderen wäre auch bei einer unterstellten Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels EK 02 nur in dem Umfang nachbelastet worden, in dem der Bestand in diesem Zeitpunkt als zur Ausschüttung verwendet gegolten hätte. Das hängt davon ab, ob negative Teilbeträge des vEK zu einer Ausschüttungssperre geführt hätten und gegebenenfalls welche Bestandteile des vEK nach der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 davon betroffen gewesen wären. Da EK 02 gegenüber den belasteten Teilbeträgen des vEK nachrangig war, ist nicht ausgeschlossen, dass bei einer Vollausschüttung zwar Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisiert worden wäre, dagegen nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.
Dies bleibt bei der Verrechnungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG, die allein an den verbliebenen Bestand an EK 02 anknüpft, unberücksichtigt. Eine Konzentration auf den Teil des EK 02, der bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels verwendet worden wäre, wird auch nicht durch die nach § 36 Abs. 4 bis 6 KStG vorausgehenden Schritte zur Ermittlung der Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gewährleistet. Denn die danach erfolgende Verrechnung der verschiedenen Teilbeträge des unbelasteten und des belasteten vEK ist ebenfalls von der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 gelöst.
Der in der beschriebenen belastenden Wirkung von § 36 Abs. 6a KStG liegende Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Körperschaftsteuerminderungspotenzial ist nicht gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neuregelung der Übergangsvorschriften legitime Ziele. Er wollte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 125, 1 umsetzen, zugleich aber soweit möglich an dem bisherigen System des Übergangsrechts festhalten. In diesem System war es ein legitimes (Zwischen-)Ziel des Gesetzgebers, die unter dem Halbeinkünfteverfahren nicht mehr benötigte Eigenkapitalgliederung abzubauen. Das gilt umso mehr, als er dabei anstrebte, die bei Fortgeltung des Anrechnungsverfahrens im Falle einer Ausschüttung künftig entstandenen Körperschaftsteuerminderungen im Ergebnis zu erhalten.
Zugleich sollte der Übergang vom alten zum neuen Körperschaftsbesteuerungssystem von Anfang an möglichst einfach abgewickelt werden. Teil der Vereinfachung war das Bestreben des Gesetzgebers, die EK-Konten vom Beginn des Übergangs an auf den dafür absolut erforderlichen Umfang zu reduzieren, nämlich auf einen mit 40 % belasteten Eigenkapitalanteil, anhand dessen das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird (§ 37 Abs. 1 KStG), einen unbelasteten Eigenkapitalanteil (früheres EK 02), dessen Ausschüttung zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer um 3/7 der Gewinnausschüttung führt (§ 38 KStG), und ein steuerliches Einlagekonto (§ 27 KStG, vormals EK 04).
Grundsätzlich legitim war auch die nicht ausdrücklich als gesetzgeberisches Ziel formulierte, der Sache nach aber verwirklichte Zwangsrealisation eines im positiven EK 02 ruhenden Körperschaftsteuererhöhungspotenzials durch Verrechnung mit im EK 45 enthaltenem Körperschaftsteuerminderungspotenzial derselben steuerpflichtigen Körperschaft. Soweit das eine wie das andere realisierbar war, entspricht sie dem Gedanken einer fiktiven Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels, der insgesamt dem Übergangsrecht der §§ 36 ff. KStG zugrunde lag. Dieser Ansatz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil die Steuerpflichtigen auch unter dem Anrechnungsverfahren – jedenfalls dem Grunde nach – spätestens für den Zeitpunkt der Liquidation mit einer Nachbelastung des EK 02 rechnen mussten.
Zur Erreichung der genannten legitimen Ziele war § 36 Abs. 6a KStG nur teilweise geeignet. Mit der Regelung wurden zwar die angestrebte Reduktion der Teilbeträge des belasteten verwendbaren Eigenkapitals auf EK 40 und eine weitgehende Eliminierung des EK 02 erreicht, wenn in hinreichendem Umfang positives EK 02 zur Verrechnung mit EK 45 zur Verfügung stand. In allen Fällen, in denen der EK 02-Bestand nach Anwendung von § 36 Abs. 4 bis 6 KStG geringer als 5/22 des EK 45-Bestands war, blieb aber auch danach ein mit 45 % vorbelastetes Eigenkapitalkonto bestehen. Der Vereinfachungseffekt wurde dadurch insgesamt nicht unerheblich beeinträchtigt.
Auch zum (vollständigen) Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials war die Regelung nicht uneingeschränkt geeignet. Erhalten wurde allenfalls der Saldo aus Körperschaftsteuerminderung und -erhöhung. Denn der nach Verrechnung von EK 45 und EK 02 verbleibende erhöhte Bestand an EK 40 wies ein geringeres Minderungspotenzial auf als der Ausgangsbestand an EK 45. Die gleichzeitige Minderung des EK 02 stellte jedenfalls insoweit keinen legitimen und für die Steuerpflichtigen zumutbaren Ausgleich dar, als das darin ruhende Körperschaftsteuererhöhungspotenzial im Zeitpunkt des Systemwechsels nicht realisierbar gewesen wäre, weil EK 02 bei einer Vollausschüttung infolge einer handelsrechtlichen Ausschüttungssperre nach Maßgabe von § 28 Abs. 3 KStG 1999 nicht zur Verwendung gekommen wäre.
Zur Vereinfachung des Übergangs und zum Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials war der Verrechnungsschritt des § 36 Abs. 6a KStG, selbst wenn man ihn als dafür zumindest teilweise geeignet betrachtet, jedenfalls nicht erforderlich.
Der Gesetzgeber hätte eine ebenso einfache Abwicklung unter vollständigem Erhalt des (realisierbaren) Körperschaftsteuerminderungspotenzials dadurch erreichen können, dass er das Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 KStG unmittelbar aus den zum Stichtag vorhandenen Teilbeträgen des belasteten Eigenkapitals, dem EK 45 und dem EK 40, gebildet hätte, ohne zuvor die Umgliederung von EK 45 vorzunehmen. Es hätte lediglich der Endbestand beider Teilbeträge zum Stichtag jeweils gesondert festgestellt werden müssen. Auch bei dieser Lösung wäre eine anschließende Saldierung von Körperschaftsteuerguthaben und -erhöhung für die einzelnen Steuerpflichtigen ohne weiteres durchzuführen gewesen.
Davon unabhängig ist § 36 Abs. 6a KStG mit der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Festlegung und Beschränkung von Eigentümerbefugnissen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar.
Das EK 45 unterscheidet sich nicht wesentlich vom EK 40. Beide sind Teilbeträge des belasteten vEK, in denen somit Körperschaftsteuerminderungspotenzial enthalten ist. Sie unterscheiden sich lediglich – abhängig von ihrem jeweiligen Entstehungszeitpunkt – hinsichtlich der Höhe des in ihnen enthaltenen Körperschaftsteuerminderungspotenzials.
Durch die Umgliederungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG werden Unternehmen mit umzugliederndem EK 45 schlechter gestellt als Unternehmen mit (von der Umgliederung nicht erfasstem) EK 40. Die Umgliederung führt zu einem partiellen Untergang des im EK 45 gespeicherten Körperschaftsteuerminderungspotenzials, das zwar durch die Reduktion des EK 02 rechnerisch kompensiert wird, aber mit einer entsprechenden „Zwangsrealisation“ des im EK 02 ruhenden Körperschaftsteuererhöhungspotenzials verbunden ist. Demgegenüber bleibt das in dem EK 40 gespeicherte Körperschaftsteuerminderungspotenzial von der Umgliederung gänzlich unbeeinflusst; korrespondierend findet eine Zwangsrealisation des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials zu Beginn der Übergangsphase nicht und ab dem Jahressteuergesetz 2008 nur in Höhe von 3 % statt.
Für diese Ungleichbehandlung von EK 40 und EK 45 fehlt ein einleuchtender Grund. Sie war nicht geeignet, den vom Gesetzgeber angestrebten Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials in allen Fällen zu erreichen. Zur Vereinfachung des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren war sie jedenfalls nicht erforderlich.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31. Dezember 2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.