Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 05.02.2020 zum Aktenzeichen 4 K 653/19 und 4 K 1482/19 entschieden, dass die historisch bedingte Umbenennung der Freiburger Lexerstraße in Wilhelm-von-Möllendorff-Straße rechtmäßig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Freiburg vom 28.02.2020 ergibt sich:
Im Jahr 2012 hatte der Gemeinderat der Stadt Freiburg beschlossen, alle Freiburger Straßennamen durch eine Kommission aus Historikern, Politologen, Soziologen und Archivaren wissenschaftlich überprüfen zu lassen. In ihrem Abschlussbericht empfahl die Kommission im März 2016 zwölf Straßen umzubenennen, darunter die im Stadtteil Betzenhausen gelegene Lexerstraße. Der Straßenname sei schwer belastet und nicht haltbar. Zwar handele es sich bei dem Freiburger Universitätsprofessor Erich Lexer (1867-1937) um einen der bedeutendsten Chirurgen seiner Zeit. Er sei allerdings auch Mitglied der Allgemeinen SS gewesen, zuletzt im Rang eines Obersturmführers, und habe eine hohe Affinität zum sozialdarwinistisch-rassehygienischen Gedankengut besessen. Für den im Jahr 1934 erschienenen regierungsamtlichen Kommentar zum „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ habe er eine Anleitung zur Zwangssterilisation verfasst. In seiner Amtszeit und unter seiner Verantwortung seien in einer von ihm geleiteten Klinik über 1.000 Menschen zwangssterilisiert worden. Als neuen Namensgeber schlug die Kommission den Anatomieprofessor und kurzzeitigen Rektor der Universität Freiburg Wilhelm von Möllendorff (1887-1944) vor, der als einziger deutscher Rektor 1933 gegen die Entlassung jüdischer Kollegen protestiert habe. Nach schriftlicher Anhörung der Anwohner sowie der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer der Straße und einem Bürgeranhörungstermin beschloss der Gemeinderat der Stadt Freiburg im Mai 2018, die Lexerstraße in Wilhelm-von-Möllendorff-Straße umzubenennen. Hiergegen haben zwei Grundstückseigentümer sowie ein Anwohner der Straße Klagen erhoben. Die Kläger machten unter anderem geltend, die Stadt sei den Empfehlungen der Kommission ohne Aussprache gefolgt und habe die Einwände der betroffenen Anwohner gegen die Umbenennung nicht ausreichend berücksichtigt.
Das VG Freiburg hat die Klagen abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts lässt die Entscheidung zur Umbenennung der Lexerstraße keine Rechtsfehler erkennen. Die Entscheidung, ob, wann und wie eine Gemeinde eine ihrer Straßen umbenenne, sei eine Selbstverwaltungsangelegenheit, für die ihr ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Die Stadt Freiburg habe das ihr eingeräumte weite Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie habe die Empfehlungen der Kommission nicht unbesehen übernommen. Dies zeige sich schon daran, dass sie hinsichtlich aller zwölf vorgeschlagenen Straßen umfangreiche Anhörungsverfahren durchgeführt und die Einwände der Betroffenen in jedem Einzelfall berücksichtigt habe. Mit ihrer Umbenennungsentscheidung verfolge die Stadt das legitime Ziel, die Ehrung Erich Lexers vollständig rückgängig zu machen. Dieses hätte sie mit dem von einigen Anwohnern stattdessen gewünschten Erläuterungsschild nicht erreichen können. Den Betroffenen sei auch der mit der Umbenennung verbundene administrative und finanzielle Aufwand zumutbar; dies insbesondere nachdem die Stadt die bei ihr anfallenden Gebühren übernehme und die letzte Änderung des Straßennamens fast 50 Jahre zurückliege. Nach so langer Zeit müsse jeder mit einer Umbenennung einer Straße rechnen.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können innerhalb eines Monats einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum VGH Mannheim stellen.