Wann schuldet der Arbeitgeber Annahmeverzugslohn und was muss der Arbeitnehmer dafür tun?

15. Februar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 08.09.2017 zum Aktenzeichen 4 Sa 62/17 entschieden, dass im ungekündigten Arbeitsverhältnis die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich im Sinne des § 294 BGB anzubieten ist. Ein wörtliches Angebot kann ein tatsächliches Angebot nicht ersetzen, auch wenn es mehrfach wiederholt wird.

Ist der Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung leistungsunwillig, hat er einen etwa wieder gefassten Leistungswillen durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren. Ein wörtliches Angebot ist dann auch nach Ausspruch einer Kündigung regelmäßig nicht ausreichend.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Annahmeverzugslohn aus dem Arbeitsvertrag der Parteien i.V.m. § 615 Satz 1 BGB. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten und konnte den Beklagten mit wörtlichen Angeboten nicht in Annahmeverzug setzen. Dies gilt sowohl für die Zeit vor Ausspruch der ersten Kündigung als auch für die Zeit danach.

Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt nur dann, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Nur für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich. Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat es dem Kläger oblegen, seine Arbeitsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien, also ab dem 01.09.2015, tatsächlich gemäß § 294 BGB anzubieten.

Der Kläger hat seine Leistung nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten. Nach § 294 BGB muss die Leistung so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses. Der Kläger hat erstmals in seiner Berufungsbegründungsschrift behauptet, er sei tatsächlich im Betrieb erschienen und zwar „offensichtlich um zu arbeiten“. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 08.09.2017 hat der Kläger sich wiederum dahingehend eingelassen, dass er sich nicht persönlich auf den Weg in die Firma des Beklagten gemacht habe, weil ihm der Weg zu weit gewesen sei. Der Vortrag des Klägers ist widersprüchlich und daher unbeachtlich. Schon deshalb hatte die Kammer davon auszugehen, dass der Kläger seine Leistung nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten hat, weil er schon nicht am „rechten Ort“, also im Betrieb des Beklagten gewesen ist.

Unabhängig davon, fehlte es aber auch dann an einem tatsächlichen Angebot der Arbeitsleistung, wenn der Kläger – wie er schriftsätzlich vorgetragen hat – im Betrieb des Beklagten gewesen sein sollte. Soweit der Kläger hier ausführt, er sei dort gewesen, „offensichtlich um zu arbeiten“, so trägt er gerade nicht vor, dass er am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise seine Arbeitsleistung angeboten hat. Weder lässt sich dem Vortrag des Klägers entnehmen, dass er sich zu Beginn der betriebsüblichen Arbeitszeit im Betrieb des Beklagten aufgehalten hat, noch benennt er sonstige Anhaltspunkt für ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot, etwa das Mitführen von Arbeitskleidung.

Ein ordnungsgemäßes Angebot der Arbeitsleistung setzt gemäß § 297 BGB zudem die Leistungsfähigkeit des Schuldners voraus. Der Kläger hat dem Beklagten durch Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 14.09.2015, also etwa zwei Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses, mitteilen lassen, seine Genesung bleibe abzuwarten. Auch dies lässt nicht den Schluss auf ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot zu. Da der eigene Vortrag des Klägers erhebliche Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit begründet, ist es im Streitfall unerheblich, dass grundsätzlich der Gläubiger, hier also der Beklagte, die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners trägt.

Schließlich ist ein tatsächliches Angebot auch nicht in den „mehrfachen“ mündlichen – vom Beklagten allerdings bestrittenen – Angeboten des Klägers per Telefon oder Telefax zu sehen. Die Arbeitsleistung ist am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise anzubieten. Der Kläger war ausweislich des Arbeitsvertrags der Parteien als Maler- und Lackierergeselle vom Beklagten eingestellt worden. Per Telefon oder Telefax konnte er ein tatsächliches Arbeitsangebot nicht erbringen. Die Häufigkeit von wörtlichen Angeboten führt – anders als der Kläger in seiner Berufungsbegründung meint – nicht zu einer anderen Bewertung. Ein wörtliches Angebot kann ein tatsächliches Angebot auch dann nicht ersetzen, wenn es mehrfach wiederholt wird.

Durch ein wörtliches Arbeitsangebot des Klägers konnte der Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht in Verzug geraten. Ein wörtliches Angebot ist gemäß § 295 Satz 1 BGB nur dann ausreichend, wenn der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen. Soweit der Kläger hierzu ausgeführt hat, der Beklagte habe ihn „kurz vor“ dem 01.09.2015 angerufen und ihm mitgeteilt, dass er den Arbeitsvertrag nicht erfüllen werde, hat der Beklagte dies bestritten. Obwohl bereits das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, dass dieses Vorbringen nicht hinreichend konkret sei und der Kläger zudem keinen Beweis für seine diesbezügliche Behauptung angetreten habe, hat der Kläger diesen Vortrag im Berufungsverfahren nach wie vor nicht näher konkretisiert und nach wie vor keinen Beweis für seine Behauptung angetreten. Der Kläger, der sich auf diese für ihn günstige Tatsache beruft, trägt für diese die Darlegungs- und Beweislast.

Ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung war auch ab dem Zugang des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 05.04.2016 beim Kläger nicht entbehrlich.

Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich. Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt. Demgegenüber bedarf es in Fällen, in denen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien streitig ist zur Begründung des Annahmeverzugs eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer.

Im vorliegenden Fall ist durch das Kündigungsschreiben des Bevollmächtigten des Beklagten vom 05.04.2016 ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers nicht entbehrlich geworden. Denn dadurch, dass der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.09.2015 bis zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens des Beklagten vom 05.04.2016 seine Arbeitsleistung nicht in der geschuldeten Art und Weise angeboten hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger leistungsunwillig war. Zwar kann grundsätzlich nicht allein aus dem fehlenden Anbieten der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer auf dessen fehlenden Leistungswillen geschlossen werden. Der Kläger hat es im vorliegenden Fall jedoch nicht bloß unterlassen, seine Arbeitskraft tatsächlich anzubieten, sondern er hat dem Beklagten auch unter dem 14.09.2015 mitteilen lassen, dass im Hinblick auf die von ihm erstrebte Erfüllung des Arbeitsverhältnisses seine Genesung abzuwarten sei. Gleichwohl hat der Kläger später über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinweg seine Arbeitskraft weder tatsächlich angeboten, noch seine Wiedergenesung angezeigt.

Da der Kläger somit vor Zugang des Schreibens des Beklagten vom 05.04.2016 nicht leistungswillig war, hätte er einen etwa wieder gefassten Leistungswillen durch ein tatsächliches Arbeitsangebot dokumentieren müssen. Ein Lippenbekenntnis reicht in derartigen Fällen nicht aus. Aus diesem Grund war ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung auch nicht entbehrlich, nachdem sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten für diesen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bestellt hatte.

Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers durch das Schreiben des Beklagten vom 05.04.2016 entbehrlich geworden wäre, stünde dem Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn zu. Denn der Arbeitnehmer hat für Zeiträume, in denen sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befindet Anspruch auf Vergütung der infolge des Annahmeverzugs nicht geleisteten Arbeit. Damit ist der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB auf den Vergütungsanspruch gerichtet, den der Arbeitnehmer gehabt hätte, wenn der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten wäre. Da der Kläger über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten seine Arbeitsleistung nicht in der erforderlichen Art und Weise, nämlich gemäß § 294 BGB durch ein tatsächlich angeboten hat, kann nicht unterstellt werden, dass ein – zugunsten des Klägers unterstellter – Annahmeverzug des Arbeitgebers für die Nichtleistung der Arbeit durch den Kläger ursächlich gewesen ist. Vielmehr muss – da gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind – angenommen werden, dass der Kläger auch ohne das Schreiben des Beklagten vom 05.04.2016 seiner Arbeitsleistung nicht erbracht hätte. Daher hätte er auch ohne dieses Schreiben keine Dienste geleistet und keinen Vergütungsanspruch erworben.