Die Bundesregierung hat am 20.01.2021 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe beschlossen.
Aus der Pressemitteilung des BMJV vom 20.01.2021 ergibt sich:
Der Entwurf sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) und der Patentanwaltsordnung (PAO) vor. Ziel der Neuregelung ist es, der Anwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern.
Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Zukünftig soll daher Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung nicht mehr ausschließlich die einzelnen Berufsträger sein, sondern auch die Organisationseinheit, in der diese ihren Beruf ausüben.
Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus modernisiert der Gesetzentwurf das Berufsrecht.
Der Entwurf beinhaltet insbesondere die folgenden Regelungen:
- Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit: Zukünftig sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der Steuerberater alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen.
- Berufsausübungsgesellschaften werden Träger von Berufspflichten: In Berufsausübungsgesellschaften hängt die Einhaltung der Berufspflichten durch die einzelnen Berufsträger häufig auch von der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft selbst ab. Daher ist es nicht sachgerecht, wenn nur die natürliche Person Adressat der Berufspflichten ist. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten werden.
- Zulassungspflicht: Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer bzw. der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft ermöglicht den Kammern insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei interprofessionellen Gesellschaften eine Überprüfung, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Reine Personengesellschaften ohne Haftungsbeschränkung, denen nur Angehörige der rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe angehören, sollen von der Zulassungspflicht jedoch ausgenommen werden.
- Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur: Die bisherigen Mehrheitserfordernisse entfallen. Diese sind nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten erfolgt künftig dadurch, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliegt.
- Aufnahme der zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften in die von den Kammern geführten elektronischen Verzeichnisse: Dadurch wird insbesondere für die Rechtsuchenden transparent, wer Gesellschafter einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft ist und welchen Berufsgruppen diese angehören. Außerdem knüpft das Gesellschaftspostfach an dieses Register an.
- Erleichterung der interprofessionellen Zusammenarbeit: Die Möglichkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit soll für Rechtsanwälte, Steuerberater sowie Patentanwälte auf alle Freien Berufe ausgeweitet werden. Für Rechtsanwälte soll beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen mit einem Architekten zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich ist die Zusammenarbeit mit Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärkt daher die Spezialisierung von Anwaltskanzleien.
Regelung der ausländischen Berufsausübungsgesellschaften: Es sollen klare Regelungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch ausländische rechts- und patentanwaltliche Berufsgesellschaften mit Sitz außerhalb der EU geschaffen werden.
- Gesetzliche Regelung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen: Bisher wurde das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Absatz 4 BRAO bzw. § 39a Abs. 3 PAO alleine durch die Satzungsregelung in den jeweiligen Berufsordnungen ausgestaltet. Nunmehr sollen die Grundsätze der Interessenkollision angesichts der grundlegenden Bedeutung der Berufspflicht detailliert gesetzlich geregelt werden. Für eine gesetzliche Regelung spricht auch die tatsächliche Entwicklung des Anwaltsmarktes, auf dem Verbünde immer größer und komplexer werden.
- Öffentlichkeit der berufsgerichtlichen Hauptverhandlung: Die Vorschriften des § 135 BRAO, des § 120 PAO, des § 122 StBerG und des § 99 WPO, nach denen die Hauptverhandlung vor den jeweiligen Berufsgerichten derzeit nicht öffentlich ist, sollen aufgehoben werden. Diese Vorschriften stehen im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass in der Bundesrepublik Deutschland Gerichtsverfahren insbesondere zur Wahrung der Transparenz grundsätzlich öffentlich sind. Besondere Gründe, die für die Verhandlungen vor den Berufsgerichten Ausnahmen rechtfertigen könnten, bestehen nicht mehr, zumal auch bei den vergleichbaren Berufen (Beamte, Notare, Richter sowie Ärzte mit Ausnahme von vereinzelten landesgesetzlichen Ausnahmen) sowie in verwaltungsrechtlichen Verfahren nach der BRAO, der PAO und dem StBerG die gerichtlichen Verfahren öffentlich sind.
- Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer: Die derzeitige in § 190 BRAO geregelte Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer sieht vor, dass jede der 28 Rechtsanwaltskammern eine Stimme hat, obwohl deren Größe zwischen 40 und mehr als 20.000 Mitgliedern differiert. Dies führt dazu, dass Rechtsanwälte großer Rechtsanwaltskammern in der Bundesrechtsanwaltskammer nicht hinreichend repräsentiert sind, obwohl die Bundesrechtanwaltskammer die Interessen der Rechtsanwaltschaft insgesamt wahrnimmt. Es soll daher eine neue Stimmverteilung vorgesehen werden, die sich einerseits an der Größe der Rechtsanwaltskammern orientiert, andererseits aber auch gewährleistet, dass kleineren Rechtsanwaltskammern ein relevantes Mitspracherecht verbleibt.
Weitere Informationen
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (PDF, 2,3 MB)