Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 07.11.2019 zum Aktenzeichen 13 U 215/19 entschieden, dass eine Klausel „Der Vermieter räumt dem Mieter für den ersten Vermietungsfall nach Vertragsablauf in sinngemäßer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht ein Vormietrecht ein.“ wirksam ist.
Durch die Ausübung des Vormietrechts mit Schreiben vom 19.9.2018 kam zwischen den Parteien ein neuer Mietvertrag zustande. Der das Vormietrecht enthaltende § 21 war wirksamer Bestandteil des ursprünglichen Mietvertrags aus dem Jahr 2000. Ebenso lagen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vormietrechts vor und die Klägerin war nicht berechtigt, das neu zustande gekommene Mietverhältnis außerordentlich fristlos zu kündigen. … § 21 des Mietvertrags verstößt … nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB . Die Vereinbarung eines Vormietrechts ist nicht unüblich, sondern kommt bei der Anmietung von Supermarktflächen nicht selten zur Anwendung, was sich auch in der Diskussion des Rechtsinstituts in der juristischen Fachliteratur zeigt. Etwas ungewöhnlich erscheint zwar, dass die Klausel sich am Ende des Mietvertrags und nicht bei den Regelungen zu Laufzeit, Optionsrecht und Vertragsverlängerungen in § 2 des Mietvertrags findet. Nachdem der Bestimmung jedoch in § 20 Vereinbarungen zur außerordentlichen Kündigung vorangehen, sie nicht als Absatz oder Satz in einer umfangreichen Regelung „versteckt“, sondern alleiniger Gegenstand von § 21 ist, der die Überschrift „Vormietrecht“ trägt, die zudem zentriert gedruckt ist und sich die Unterschrift der Parteien auf jeder der 11 Seiten des Mietvertrags befindet, genügt die Bestimmung den Anforderungen von § 305c Abs. 1 BGB . Die Regelung des § 21 verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . Gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. … Stellt man wie geboten auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners ab, so erweist sich § 21 nicht als intransparent. Bereits der Begriff des Vormietrechts ist ausreichend verständlich. Dem Gebot zur Klarheit und Bestimmtheit entsprechend ist der Wortlaut der Vormietklausel zudem in jeder Hinsicht eindeutig. Er lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass jeder erste Vermietungsfall nach Vertragsablauf das Vormietrecht begründet. Die Regelung lässt nicht fraglich erscheinen, ob nur der sich direkt an den Vertragsablauf anschließende erste Vermietungsfall gemeint ist oder auch die erste Vermietung nach einem Leerstand oder einer Eigennutzung. Ebenso wenig ist fraglich, ob ein Vertragsablauf im Sinne der Regelung bei jeder ordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt oder nur bei Vertragsbeendigung nach Ausschöpfung aller Optionsmöglichkeiten. Gemeint ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners jeder erste Vermietungsfall nach jedem ordentlichen Vertragsablauf. Ein durchschnittlicher Vertragspartner bedurfte keines Hinweises darauf, dass das Vormietrecht zeitlich unbefristet gilt.
Ebenso wenig ist das Vormietrecht wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin als nach § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam anzusehen. … Die Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen führt nicht zu dem Ergebnis, dass § 21 die Klägerin unangemessen benachteiligt. Auf Seiten der Klägerin ist vor allem deren Interesse zu berücksichtigen, ihren Vertragspartner frei wählen zu können und nicht wegen Übersehens des Vormietrechts Schadensersatz leisten zu müssen, was insbesondere dann nicht fernliegend ist, wenn der erste Vermietungsfall wegen Eigennutzung oder Leerstands erst längere Zeit nach Beendigung des das Vormietrecht enthaltenden Mietverhältnisses eintritt. Auf Seiten der Beklagten geht es vor allem um deren Interesse an einer langfristigen Standortsicherung mit einem durch die Ausübung des Optionsrechts nicht zu erlangenden, an geänderte Verhältnisse angepassten Vertrag. Zwar ist es entgegen der Ansicht der Beklagten keineswegs ausgeschlossen, dass ein Supermarktgrundstück selbst genutzt wird oder für längere Zeit leer steht, so dass der erste Vermietungsfall keineswegs immer innerhalb kürzester Zeit nach Vertragsablauf eintreten wird. Eine Bindung der Vermieterseite durch das Vormietrecht quasi auf unbegrenzte Zeit durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist jedoch gleichwohl nicht unangemessen benachteiligend. Wie sich aus § 544 BGB ergibt, ist auch ein Mietvertrag über mehr als 30 Jahre zulässig. Zudem eröffnet § 544 S. 1 die Möglichkeit, nach 30 Jahren ein noch bestehendes Vormietrecht durch Kündigung zu beendigen. § 544 gilt nach herrschender Meinung für mietähnliche Verhältnisse entsprechend und damit erst recht für ein mietvertraglich vereinbartes Vormietrecht. Hinzu kommt, dass das Vormietrecht nicht dazu führt, dass der Vermieter mit jedem Dritten kontrahieren muss, sondern nur (ein weiteres Mal) mit seinem vormals von ihm selbst ausgewählten früheren Vertragspartner, und das nur zu den vom Vermieter neu ausgehandelten Bedingungen. Der Vermieter kann sich zudem auf einfache Art und Weise gegen die Gefahr des Übersehens des Vormietrechts schützen, indem er zu seinen Unterlagen über das Grundstück, die auch bei Leerstand und Eigennutzung anfallen und sinnvollerweise aufbewahrt werden, einen Vermerk über das zu beachtende Vormietrecht nimmt.
Demgemäß wurden auch von der seitherigen Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Vormiet- und Vorpachtrechten bislang keine Bedenken gegen eine langfristige formularvertragliche Bindung des Vermieters bzw. Verpächters durch ein auf den ersten Vermietungsfall beschränktes Vormiet- oder Vorpachtrecht geäußert, wobei der Senat nicht verkennt, dass es um andere Formulierungen als im Streitfall und in den drei letztgenannten Fällen um individualvertraglich vereinbarte Regelungen ging.
Soweit Bedenken gegen eine langfristige Bindung geäußert wurden, geschah das nicht in Bezug auf ein einmaliges Vormietrecht, sondern immer nur bezogen auf ein Vormietrecht für jeden Fall der Neuvermietung. Schließlich ergibt sich nichts zugunsten der Klägerin aus der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer formularvertraglich festgelegten einseitigen Bindung an ein Mietverhältnis auf 30 Jahre bei weitgehend beliebiger Kündbarkeit seitens des Verwenders.