Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 17.11.2021 zum Aktenzeichen 4 Sa 280/21 entschieden, dass ein Arbeitgeber die Gewährung einer Invalidenrente von der zusätzlichen Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig machen kann, sofern die Versorgungsordnung auf einer Betriebsvereinbarung beruht.
Die Parteien streiten über die Frage, ab wann dem Kläger eine betriebliche Invalidenrente zusteht. Der Kläger war seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 16.03.2020 wurde ihm im Widerspruchsverfahren rückwirkend ab dem 01.03.2019 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. Nach der einschlägigen tariflichen Regelung endete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des Monats, in dem der Rentenbescheid beim Arbeitnehmer eingeht, also am 31.03.2020. Seit April 2020 zahlt die Beklagte an den Kläger eine betriebliche Invalidenrente auf Grundlage einer „Konzernbetriebsvereinbarung Betriebliche Alterssicherung (KBV). In § 7 der KBV heißt es unter anderem: „Wird ein Mitarbeiter im Sinne der gesetzlichen Vorschriften voll oder teilweise erwerbsgemindert, beginnt die Zahlung von Versorgungsleistungen gemäß der für den Mitarbeiter individuell gültigen Versorgungszusage im unmittelbaren Anschluss nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall/Versicherungsfall eingetreten ist … Dabei ergibt sich der Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den jeweils gültigen tarifvertraglichen Vorschriften, aus einzelvertraglicher Regelung (Aufhebungsvertrag) oder dem Wirksamwerden einer Kündigung. …“ Weiter heißt es dort: „Die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt als versorgungsfähige Dienstzeit„. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm bereits ab März 2019 eine Invalidenrente zu zahlen und nicht erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Das LAG Hamm hat allerdings die Revision zugelassen.
Der Anspruch auf Invalidenrente besteht nicht bereits seit März 2019. Nach § 7 Satz 1 KBV beginnt die Zahlung von Versorgungsleistungen eines erwerbsgeminderten Mitarbeiters im unmittelbaren Anschluss nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall eingetreten ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im vorliegenden Fall nicht bloße Fälligkeitsvorschrift, sondern Anspruchsvoraussetzung. Dies folgt aus § 7 Satz 3 KBV, wonach die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall eingetreten ist und die jeweils gültige Versorgungsregelung dies vorsieht, als versorgungsfähige Dienstzeit gilt. Es kann nicht angenommen werden, dass die Parteien der Konzernbetriebsvereinbarung einerseits eine mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällige Nachzahlung der ab Eintritt des Versorgungsfalls aufgelaufenen Renten gewollt haben und andererseits für die Zeit zwischen Eintritt des Versorgungsfalls und Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Erhöhung der Versorgungsleistungen durch Verlängerung der versorgungsfähigen Dienstzeit bewirken wollten. Der Kläger erfüllt das anspruchsbegründende Merkmal der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst ab dem 01.04.2020. Es ist nach Auffassung des LAG Hamm auch nicht zu beanstanden, dass die Parteien der Konzernbetriebsvereinbarung die Zahlung einer Invalidenrente an die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geknüpft haben. Der Arbeitgeber kann bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung entscheiden. Entschließt er sich hierzu, ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Aus diesem Grund ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch berechtigt, die Invalidenversorgung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Invaliditätsversorgung auszuschließen. Eine betriebliche Ruhegeldordnung kann daher den Versorgungsfall der Invalidität von der doppelten Voraussetzung abhängig machen, dass einerseits Invalidität eingetreten ist und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis geendet hat. Damit wird sichergestellt, dass für die Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Ansprüche auf Arbeitsvergütung und Ruhegeld erwachsen können.
Einige Landesarbeitsgerichte haben allerdings die Frage aufgeworfen, ob eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB darin liegen kann, dass ein Arbeitgeber in allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Zahlung einer Invaliditätsversorgung voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist (u.a. LAG Niedersachen, Urteil vom 10.12.2019 – 3 Sa 422/19 B; LAG München, Urteil vom 29.05.2020 – 3 Sa 10/20). Das BAG hat diesen Ansatz mit Urteil vom 13.07.2021 – 3 AZR 298/20 – bestätigt und angenommen, dass ein vollständiger Ausschluss einer betrieblichen Invaliditätsrente vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB darstelle. Diese Rechtsprechung, die auf einer Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne von § 307 BGB beruht, ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die §§ 305 ff. auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung finden.