Der Bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat mit Urteil vom 16.07.2019 zum Aktenzeichen Vf. 41-IX-19 entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“ nicht gegeben sind.
Aus der Pressemitteilung des VerfGH München vom 16.07.2019 ergibt sich:
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens zur Änderung des Bayerischen Krankenhausgesetzes gegeben sind. Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens enthält vor allem Qualitätsanforderungen und Regelungen zur Bemessung des Pflegepersonals für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und Qualifikation von Reinigungskräften. Für ihr Anliegen haben die Initiatoren des Volksbegehrens nach eigenen Angaben über 100.000 Unterschriften gesammelt; davon wurden Listen mit insgesamt 56.240 Unterschriften eingereicht. Die erforderliche Anzahl von 25.000 gültigen Unterschriften wurde damit beigebracht. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat die Zulassung des Volksbegehrens abgelehnt und daher die Sache dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 64 Landeswahlgesetz (LWG) vorgelegt. Von dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hängt ab, ob das Volksbegehren bekannt zu machen ist und sich die Bürger bei den Gemeinden in Listen für das Anliegen eintragen können.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hält das Volksbegehren für nicht zulässig. Der Landesgesetzgeber habe für die in Art. 4a und Art. 4c des Volksbegehrensentwurfs vorgesehenen Regelungen zur Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in Krankenhäusern keine Gesetzgebungsbefugnis. Bedenken bestünden gegen diese Regelungen darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Gleiches gelte für die Vorschriften über das Reinigungspersonal. Die in Art. 4b Abs. 1 Satz 8 vorgesehene Verpflichtung der Staatsregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs verletze deren Initiativrecht. Die dynamische Verweisung in Art. 4a Abs. 6 Satz 3 des Volksbegehrensentwurfs auf die Empfehlungen des Bundesverbandes Geriatrie zu den Personalkennzahlen in der Geriatrie sei im Hinblick auf das Demokratieprinzip und das Rechtstaatsprinzip bedenklich. Außerdem genüge das beantragte Volksbegehren nicht den zur Gewährleistung der Abstimmungsfreiheit zu beachtenden Anforderungen, weil seine Begründung unzureichend sei. Dahingestellt bleiben könne, ob der Volksbegehrensentwurf überdies gegen das Verbot der Koppelung nicht zusammenhängender Materien und gegen das Verbot von Volksbegehren über den Staatshaushalt verstoße.
Der Beauftragte des Volksbegehrens beantragt, die Zulässigkeit des Volksbegehrens festzustellen, da es mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Im Rahmen der Öffnungsklausel des § 6 Abs. 1a Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) würden den Ländern ausdrücklich Regelungskompetenzen zur Qualitätssicherung in der Krankenhausplanung eingeräumt; dies schließe Regelungen zur Personalbemessung ein. Die bestehenden bundesrechtlichen Normen seien nicht abschließend. Darin werde lediglich eine Untergrenze als eine absolute Mindestanforderung geregelt, die – anders als die Konzeption des Volksbegehrens – nicht geeignet sei, für die Patienten und die Pflegekräfte eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Es handle sich daher um zwei unterschiedliche Regelungsmaterien. Ein Verstoß der Personalbemessungsregelungen gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. Die Vorgaben zum Reinigungspersonal und zu den Reinigungsstandards verletzten die Betreiber von Krankenhäusern nicht in ihren Rechten. Durch Art. 4b Abs. 1 des Gesetzentwurfs des Volksbegehrens werde der Staatsregierung kein Gesetzestext aufoktroyiert. Die Verweisung auf Empfehlungen des Bundesverbandes Geriatrie sei als zulässig anzusehen. Ebenso wenig sei die Begründung des Volksbegehrens zu beanstanden. Eine Verletzung des Koppelungsverbots liege nicht vor. Ein unzulässiger Eingriff in den Staatshaushalt sei nicht ersichtlich.
Der VerfGH München hat entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben sind.
Die Entscheidung stützt sich im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
Der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf ist mit Bundesrecht unvereinbar, da dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz fehlt.
Die auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beruhenden bundesgesetzlichen Normierungen zur Bemessung und Finanzierung des Pflegepersonalbedarfs in Krankenhäusern und zu Personaluntergrenzen insbesondere in § 136a Abs. 2, §§ 137i und 137j SGB V versperren die Möglichkeit einer landesrechtlichen Regelung derselben Materie.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Bundesgesetzgeber durch die erschöpfende Regelung der Pflegepersonalausstattung in Krankenhäusern die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Gesetzgebungszuständigkeiten überschritten hätte.
Die im Bundesrecht enthaltenen Öffnungsklauseln (§ 136b Abs. 2 Satz 4 SGB V, § 6 Abs. 1a Satz 2 KHG) erlauben keine Regelungen der Länder zur Ausstattung der Krankenhäuser mit Pflegepersonal.
Die Staatsregierung hat grundsätzlich selbst darüber zu befinden, ob und in welcher Weise sie von dem ihr in Art. 71 Bayerische Verfassung (BV) eingeräumten Gesetzesinitiativrecht Gebrauch machen will. Der Volksgesetzgeber darf die Staatsregierung nicht zur Vorlage eines Gesetzentwurfs verpflichten.
Die sich aus Art. 74 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 BV ergebende Abstimmungsfreiheit ist verletzt, wenn in der Begründung des Volksbegehrens in einer für die Abstimmung relevanten Weise die geltende Rechtslage unzutreffend und unvollständig erläutert wird. Dieser Mangel kann durch das Nachschieben einer ergänzenden Begründung nicht geheilt werden. Das Risiko, dass sich die Rechtslage während des Sammelns von Unterschriften für ein Volksbegehren ändert und die Grundlage für eine Zulassung dadurch möglicherweise entfällt, geht zulasten seiner Initiatoren.
Ohne die für unzulässig erachteten Teile wäre das mit dem Volksbegehren verfolgte Anliegen nur noch ein Torso. Der verbleibende Inhalt des Gesetzentwurfs ist daher nicht zulassungsfähig.