Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 1846/22 entschieden, dass eine durch das Landgericht Berlin erlassene einstweilige Verfügung, mit der der Beschwerdeführerin die Wort- und Bildberichterstattung über einen Vorfall mit vermeintlich islamistischem Hintergrund auf dem Vorfeld des (…) Flughafens untersagt wurde, verfassungswidrig ist.
Die Beschwerdeführerin verlegt die deutschlandweit erscheinende Tageszeitung (…)-Zeitung, deren Internetseite www.(…).de sie ebenso verantwortet wie deren Kanäle auf Instagram, Twitter und YouTube. In allen fünf Medien berichtete die Beschwerdeführerin am 22. Juli 2022 in Wort und Bild über einen Vorfall auf dem Vorfeld des (…) Flughafens, bei dem drei Mitarbeiter der Gepäckabfertigung – darunter die beiden Antragsteller des Ausgangsverfahrens – dabei fotografiert wurden, wie sie, in Richtung eines mit Passagieren besetzten Flugzeugs blickend, nebeneinanderstehend jeweils mit einem etwa auf Kopfhöhe neben sich gehaltenen Zeigefinger himmelwärts zeigten.
Ihren etwa eine dreiviertel Seite füllenden Beitrag in der Ausgabe „(…)“ der von ihr verlegten (…)-Zeitung kündigte die Beschwerdeführerin auf der Titelseite mit der Schlagzeile „Direkt an den URLAUBSFLIEGERN in (…)“, „ISLAMISTEN arbeiten am Flughafen!“ an, begleitet von einem eine dritte Person zeigenden Ausschnitt des Fotos und dem Begleittext „Einer der drei Gepäckträger zeigt auf dem Rollfeld den ISIS-Gruß“. In dem auf der dritten Seite der Ausgabe abgedruckten Beitrag füllte sodann das im Bereich der Gesichter mit Augenbalken versehene Foto etwa ein Drittel der Seite, das den links oben angeordneten Begleittext „Mit ISIS-Finger auf dem Rollfeld des Flughafens (…): die drei islamistischen Gefährder“ enthielt. Unter dem Übertitel „Wegen ISIS-Gruß: Bundespolizei sperrt Kofferträger am (…) Flughafen“ und dem Haupttitel „ISLAMISTEN-ALARM auf dem Rollfeld“ berichtete die Beschwerdeführerin darüber, dass drei Mitarbeiter „den ISIS-Zeigefinger zum Himmel“ gereckt und „ihre Sympathie mit islamistischen Terroristen“ bekannt hätten, wobei sie mitteilte, dass es sich um die deutschen Staatsangehörigen (…) (19), (…) (20) und (…) (20) handele und diese „ihren Job am Flughafen los“ seien. Einen Sprecher des Polizeipräsidiums (…) zitierte die Beschwerdeführerin mit dem Satz „Wir haben mit zwei Personen Gefährderansprachen durchgeführt.“, einen Politiker mit der Äußerung „Ein sicherheitspolitischer Skandal!“, es müsse „unverzüglich Konsequenzen“ geben. Unter der Abbildung einer bis auf ihre Augen verhüllten Person, die in vergleichbarer Weise mit seitlich vom Körper nach oben abgewinkeltem Arm ihren Zeigefinger himmelwärts richtet, druckte die Beschwerdeführerin die Überschrift „Das ist der ISIS-Gruß“ ab, gefolgt von der Erläuterung „Der nach oben gestreckte Zeigefinger („Tauhid“) ist der Gruß der ISIS-Terroristen. Er leitet sich aus dem Islam ab. Zeigefinger nach oben bedeutet: Es gibt keinen Gott außer Allah.“.
Ihren Bericht veröffentlichte die Beschwerdeführerin in nahezu identischer Weise im Regionalteil (…) ihrer Internetseite www.(…).de. Anders als in den übrigen Medien veröffentlichte sie dort zudem am 23. Juli 2022 einen weiteren Beitrag mit dem Übertitel „NACH BILD-BERICHT ÜBER ISIS-SYMBOLE“ und dem Haupttitel „Kriminelle haben am Sicherheitscheck nichts verloren“, in dem sie über „Große Aufregung nach dem (…)-Bericht über mutmaßliche Islamisten auf dem Rollfeld des (…) Flughafens“ berichtete und zwei Politiker, einen Polizei-Gewerkschafter und einen Sprecher des (…) Flughafens zu Wort kommen ließ.
Ebenfalls veröffentlichte die Beschwerdeführerin das Foto am 22. Juli 2022, hier ohne Verwendung von Augenbalken, mit dem Übertitel „ISIS-Gruß mitten auf dem Rollfeld“, dem Haupttitel „Islamisten-Alarm am (…) Flughafen“ und einer Verlinkung „ZUM ARTIKEL“ auf Instagram sowie in vergleichbarer Weise auf ihren Kanälen bei Twitter sowie, hier ferner ein Video einstellend, bei YouTube.
Am 3. August 2022 forderte zunächst der Antragsteller zu 1), am 5. August 2022 auch der Antragsteller zu 2) die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Berichterstattung vom 22. Juli 2022 in der (…)-Zeitung, auf ihrer Internetseite www.(…).de und in ihren Kanälen auf Instagram und Twitter anwaltlich zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen bis spätestens 8. August 2022, 18 Uhr, auf. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs kündigten sie an, ohne weitere Ankündigung gerichtliche Schritte einzuleiten. Ihre Abmahnungen begründeten die Antragsteller damit, dass sie keine Islamisten seien. Die Gesten seien aus einem Spaß heraus entstanden. Weder hätten sie sich als Islamisten „outen“ wollen, noch hegten sie ansonsten irgendeine Nähe zu Islamisten. Bei der Geste handele es sich um das sogenannte Tauhid-Zeichen, das von Muslimen, wie auch Beispiele aus dem Sport zeigten, als Zeichen des Glaubens und der Einheit und zu 99,9 % friedlich verwendet werde, nicht aber als Zeichen für Sympathie mit dem IS. Sie seien zudem keine Gefährder und am Flughafen weiter beschäftigt. Hierauf Bezug nehmend, begründeten die Antragsteller in gleicher Weise auch ihre Abmahnungen hinsichtlich des auf YouTube eingestellten Videos durch anwaltliche Schreiben vom 11. August 2022 unter jeweiliger Fristsetzung bis 15. August 2022, sowie hinsichtlich des auf der Internetseite www.(…).de am 23. Juli 2022 veröffentlichten Beitrags durch anwaltliche Schreiben vom 12. August 2022, ebenfalls unter Fristsetzung bis 15. August 2022.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu sämtlichen Schreiben nicht, woraufhin die Antragsteller am 17. August 2022 beim Landgericht Berlin den Erlass einer mit den zuvor begehrten Unterlassungserklärungen inhaltlich übereinstimmenden einstweiligen Verfügung beantragten und dabei mit Rücksicht auf bevorstehende Urlaube ab dem 27. August 2022 dringlichst um schnellstmögliche Entscheidung baten. In ihrer Begründung beschränkten sie sich gegenüber ihren außergerichtlichen Aufforderungen darauf, dass sie sich gegen unwahre und hochgradig ehrverletzende Tatsachenbehauptungen wehrten. Die in den Berichterstattungen veröffentlichten Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit. Am 22. Juli 2022 seien in der Google-Suche allein bei Eingabe der Suchworte „Flughafen (…)“ Dutzende weitere Berichte anderer Medien erschienen, welche die in höchstem Maße vorverurteilenden Anschuldigungen der Beschwerdeführerin übernommen hätten. Eine Gelegenheit zur Stellungnahme vor Veröffentlichung der Artikel hätten die Antragsteller nicht erhalten.
Ihrer Antragsschrift beigefügt waren eidesstattliche Versicherungen der Antragsteller jeweils vom 16. August 2022, in denen diese übereinstimmend schilderten, sie hätten nach dem Beladen eines Urlaubsflugzeugs angefangen, auf dem Rollfeld genau neben der Urlaubsmaschine zu rangeln, und dies auch fortgesetzt, nachdem sie bemerkt hätten, dass ein Passagier sie hierbei filmte. Das Foto, auf dem sie die Zeigefinger einer Hand gen Himmel ausstreckten, sei entstanden, als der Fluggast mit einer Geste aus dem Flugzeug heraus mitgeteilt habe, dass er ein Foto von ihnen machen wolle. Hierzu hätten sie sich nebeneinandergestellt und begonnen, für den Fluggast und die anderen Fluggäste zu „posieren”, ganz sicher jedoch keine Sympathie für den IS ausdrücken wollen. Ergänzend versicherte der Antragsteller zu 1) darüber hinaus an Eides statt, er habe auch nicht gewusst, dass Anhänger des IS ihre Sympathie für diesen ausdrücken wollten, wenn sie die Geste mit der rechten Hand machten. Ihm sei später erklärt worden, dass er hierzu die rechte anstatt die linke Hand hätte nutzen müssen.
Durch Beschluss vom Folgetag, 18. August 2022, erließ das Landgericht „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Zur Begründung führte es aus, das „glaubhaft gemachte tatsächliche und rechtliche Vorbringen in der verbundenen Antragsschrift nebst Anlagen“ rechtfertige den geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Eine Anhörung der Beschwerdeführerin sei entbehrlich gewesen, weil die Antragsschrift der Abmahnung inhaltlich entspreche.
Der Beschluss des Landgerichts wurde der Beschwerdeführerin im Parteibetrieb am 5. September 2022 zugestellt. Nach Zugang und Prüfung der Antragsunterlagen legte sie durch Schriftsatz vom 22. September 2022 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein und beantragte, den Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung, wurde für den 1. November 2022 bestimmt.
Durch am 26. September 2022 eingegangenen und begründenden Schriftsatz hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, dass sie durch die vollstreckbare Unterlassungsverfügung schwerwiegend in ihrer Berichterstattungsfreiheit eingeschränkt sei. Insbesondere ist es ihr durch die Verfügung vom 18. August 2022 versagt, den am 22. Juli 2022 in der Printversion erschienenen Artikel über ihre digitalen Verbreitungswege, insbesondere Online-Archiv, für die Öffentlichkeit bereitzuhalten.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist eine Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor Gericht. Das Gericht muss den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einräumen, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Urrecht (vgl. BVerfGE 70, 180 <188>) gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 9, 89 <96 f.>; 57, 346 <359>).
Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass ansonsten der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 15). Im Presse- und Äußerungsrecht kann jedenfalls nicht als Regel von einer Erforderlichkeit der Überraschung des Gegners bei der Geltendmachung von Ansprüchen ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 2421/17 -, Rn. 31; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 21; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 20). Auch wenn über Verfügungsanträge in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden muss, berechtigt dies das Gericht nicht dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag aus dem Verfahren herauszuhalten (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 21 ff.). Eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag und weiteren an das Gericht gerichteten Schriftsätzen geltend gemachte Vorbringen zu erwidern (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 21; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 23; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 22).
Dabei ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht in Eilverfahren auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genügen die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung allerdings nur dann, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: der Verfügungsantrag muss im Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht werden; die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung müssen mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sein; der Antragsteller muss ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht einreichen. Demgegenüber ist dem Antragsgegner Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde oder der Antrag vor Gericht in anderer Weise als in der Abmahnung oder mit ergänzendem Vortrag begründet wird (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 22 ff. sowie Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 -, Rn. 18 f.; vom 17. Juni 2020 – 1 BvR 1380/20 -, Rn. 14; vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 22; vom 4. Februar 2021 – 1 BvR 2743/19 -, Rn. 25; vom 1. Dezember 2021 – 1 BvR 2708/19 -, Rn. 28; vom 21. April 2022 – 1 BvR 812/22 -, Rn. 23).
Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Es bestehen bereits Bedenken, ob der am 17. August 2022 angebrachte Verfügungsantrag unverzüglich gestellt wurde. Denn während die Antragsteller der Beschwerdeführerin in ihren Abmahnungsschreiben vom 3. und 5. August 2022 jeweils eine Stellungnahmefrist bis Montag, 8. August 2022, 18 Uhr, einräumten und damit signalisierten, umgehend, nämlich möglicherweise noch am Tag des Fristablaufs selbst gerichtliche Schritte einzuleiten, warteten sie mit ihrer Antragstellung noch bis Mittwoch, 17. August 2022, zu und gaben damit zu erkennen, einer Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes noch nicht notwendig zu bedürfen. Dass der bis zu diesem Tag vergangene Zeitraum gemessen an den erst am 15. August 2022, 18 Uhr, abgelaufenen Fristen zur Stellungnahme auf die weiteren Abmahnungsschreiben vom 11. und 12. August 2022 deutlich kürzer bemessen war, könnte möglicherweise nicht ausschlaggebend sein, da die hierin angegriffenen Beiträge der Beschwerdeführerin ebenfalls bereits vom 22. beziehungsweise 23. Juli 2022 stammten, wie auch die Antragsteller sich in ihrer Antragsschrift zur Begründung sowohl im Tatsächlichen wie im Rechtlichen auf ihre ersten Abmahnungsschreiben bezogen. Zudem baten die Antragsteller in ihrer Antragsschrift zwar „dringlichst“, „schnellstmöglich“ zu entscheiden, begründeten dies jedoch gleichzeitig mit bevorstehenden Urlauben ab dem 27. August 2022 und benannten damit einen Zeitraum, innerhalb dessen eine Entscheidung über ihren Antrag einschließlich der Veranlassung ihrer Bekanntgabe im Wege des Parteibetriebs gemäß § 936 ZPO in Verbindung mit § 922 Abs. 2 ZPO auch unter Anhörung der Beschwerdeführerin ohne weiteres möglich gewesen wäre. Gaben sie damit aber zu erkennen, auch eine durch ihren Bevollmächtigten bis spätestens am 26. August 2022 veranlasste Bekanntgabe als rechtswahrend zu betrachten, könnte auch dies gegen die Annahme einer Dringlichkeit sprechen, die einer Anhörung der Beschwerdeführerin – gegebenenfalls auch fernmündlich oder per E-Mail (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 -, Rn. 25) – entgegengestand.
Indes braucht diese Frage nicht entschieden zu werden, da zwar das in den einzelnen Abmahnungsschreiben genannte Unterlassungsbegehren mit dem die Abmahnungsschreiben zusammenfassenden Unterlassungsbegehren der Antragsschrift identisch war, nicht jedoch die hierfür in den Abmahnungsschreiben einerseits und der Antragsschrift andererseits enthaltene Begründung. Denn die Begründung der Antragsschrift blieb zum einen hinter der Begründung der lediglich als Anlagenkonvolut überreichten Abmahnungsschreiben zurück, soweit sie sich darauf beschränkte, die Antragsteller wehrten sich gegen „unwahre und hochgradig ehrverletzende Tatsachenbehauptungen“; die „Vorwürfe“ entsprächen „nicht der Wahrheit“. Sie reichte zum anderen aber auch über die der Beschwerdeführerin zuvor bekanntgegebenen Begründung hinaus, soweit sie erstmals gegenüber dem Landgericht eidesstattliche Versicherungen der Antragsteller jeweils vom 16. August 2022 vorbrachte, in denen diese Hergang und Motivation ihres Verhaltens – in leicht voneinander abweichender Weise – schilderten und durch Versicherung an Eides Statt glaubhaft machten.
Die Außervollzugsetzung der verfahrenswidrig zustande gekommenen Entscheidung gibt dem Landgericht Berlin Gelegenheit, bei einer neuerlichen Entscheidung beide Seiten einzubeziehen und deren Vortrag zu berücksichtigen.