Das Oberlandesgericht Oldenburg hat am 11.05.2020 zu den Aktenzeichen 1 U 14/20 und 1 U 15/20 zur Leistungspflicht einer Berufsunfähigkeitsversicherung entschieden, dass bei Ausübung eines neuen Jobs in einem anderen Beruf mögliche Chancen und Erwartungen auf einen beruflichen Aufstieg im alten Beruf nicht durch die Versicherung abgesichert sind.
Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg Nr. 24/2020 vom 05.08.2020 ergibt sich:
Häufig ist bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung vereinbart, dass die Versicherung nur dann zahlen muss, wenn feststeht, dass der Versicherte seinen Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann und auch nicht zu einer anderen Tätigkeit in der Lage ist, die der Ausbildung, den Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht und er eine solche Tätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt (§ 2 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, BBUZ). Ob dies der Fall ist, ist nicht immer einfach zu beurteilen.
Das OLG Oldenburg hatte jetzt in zwei solcher Fälle zu entscheiden:
Im ersten Fall konnte der Kläger nicht mehr als Heizungsmonteur tätig sein. Er schulte zum technischen Zeichner um und verdiente letztlich so viel wie zuvor. Er machte indes geltend, die beiden Berufe seien nicht vergleichbar, weil der Beruf des Heizungsmonteurs – gerade im ländlichen Raum – ein höheres Sozialprestige habe. Außerdem habe sich seit seinem Unfall das Gehaltsniveau im Handwerk besonders positiv entwickelt. Er hätte daher mittlerweile in seinem alten Beruf viel mehr verdienen können als jetzt in dem neuen Beruf.
In dem anderen Fall argumentierte ein ehemaliger Estrichleger ähnlich. Er hatte eine Umschulung zum Großhandelskaufmann gemacht. Als kaufmännischer Angestellter verdiente er jetzt geringfügig weniger als zuvor. Er gab an, als Estrichleger hätte er mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren, später einen Meistertitel erworben und ein Firmenfahrzeug erhalten.
Das OLG Oldenburg hat in beiden Fällen der Versicherung Recht gegeben.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Behauptung der Kläger, Handwerk habe ein höheres Sozialprestige als die jetzt von den Klägern ausgeübten Berufe, durch nichts belegt. Die Argumentation, die Gehälter im Handwerk hätten sich nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verbessert oder der Versicherte hätte mit einem Aufstieg rechnen können, sei nicht relevant. Abzustellen sei nämlich auf die Lebensstellung des Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalles. Chancen und Erwartungen seien durch die Versicherung nicht abgesichert. Der Versicherte könne also nicht argumentieren, nach Eintritt des Versicherungsfalles hätte er im alten Beruf eine positive Lohnentwicklung mitgemacht.
Die Versicherungen hätten daher ihre Leistungen zu Recht einstellen dürfen.