Das Verwaltungsgericht Weimar hat am 25.02.2021 zum Aktenzeichen 1 E 222/21 We entschieden, dass das Verbot einer Versammlung am 27.02.2021 in Erfurt mit dem Thema „Beendigung des Lockdowns, Beendigung der Einschränkung der Grundrechte“ bestehen bleibt.
Aus der Pressemitteilung des VG Weimar Nr. 1/2021 vom 25.02.2021 ergibt sich:
Die Antragstellerin hat sich mit ihrem am 23.02.2021 beim Verwaltungsgericht Weimar eingegangenen Antrag gegen eine Verfügung der Stadt Erfurt vom 22.02.2021 gewandt, mit der diese eine für den 27.02.2021 angemeldete Versammlung als Standkundgebung auf dem Domplatz mit 10.000 Teilnehmern untersagt hatte. Gestützt wurde das Verbot auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Versammlungsgesetz (VersammlG) i.V.m. der Zweiten Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Grundverordnung i.d.F. v. 18.02.2021, der Dritten Thüringer SARS-CoV-2- Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung i.d.F. v. 18.02.2021 und der Allgemeinverfügung der Stadt Erfurt über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 v. 24.02.2021.
Das VG Weimar hat den Eilantrag abgelehnt.
Das Gericht führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass sich die Verbotsverfügung im Rahmen des Eilverfahrens voraussichtlich als rechtmäßig erweise und mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar sei, so dass in der Folge die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfalle.
Gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG könne die Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet sei. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse den Schutz zentraler Rechtsgüter wie u. a. Leben und Gesundheit des Einzelnen.
Die Antragsgegnerin habe ihre Gefahrenprognose zu Recht maßgeblich auf die fachliche Einschätzung des Robert-Koch-Institutes (RKI) gestützt. In seiner aktuellen Risikobewertung vom 23.02.2021 schätze das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein und führe aus, dass das für die COVID-19-Erkrankung verantwortliche Virus SARS-CoV-2 grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch übertragbar sei. Hauptübertragungsweg sei die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel; die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme sei grundsätzlich im Umkreis von 1 bis 2 m um eine infizierte Person herum erhöht. Eine Maske könne das Übertragungsrisiko reduzieren. Nach Auffassung des Gerichts sei es dringend geboten, im Rahmen von größeren Menschenansammlungen, wo ein erhöhtes Übertragungsrisiko bestehe, die Übertragung des SARS-CoV-2 weitgehend zu verhindern bzw. einzudämmen, soweit dies die Versammlungsfreiheit zulasse. Verstärkt werde dieses Erfordernis bis hin zu einem zwingenden Umstand dadurch, dass die derzeitigen Infektionszahlen weit über dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner lägen. Das RKI habe bundesweit in den letzten 7 Tagen durchschnittlich 60 Neuinfizierte auf 100.000 Einwohner verzeichnet, in Thüringen hätten sich in den letzten 7 Tagen durchschnittlich 120 Personen auf 100.000 Einwohner infiziert. Hinzu komme, dass mittlerweile auch in Deutschland Mutationen des SARS-Virus aufgetreten seien, bezüglich derer zumindest eine höhere Übertragbarkeit anzunehmen sei. Um die Leistungsfähigkeit des derzeit bereits stark beanspruchten Gesundheitswesens auch weiterhin zu erhalten, sei die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gekommen, dass von der für den 27.02.2021 angemeldeten Versammlung voraussichtlich infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbare Gefahren für eine Vielzahl von Menschen (Versammlungsteilnehmer, Polizeibeamte und Passanten) ausgingen, welche nicht durch versammlungsrechtliche Beschränkungen als mildere Mittel weitgehend behoben werden könnten. Insbesondere sei die Annahme der Antragsgegnerin im Rahmen der anzustellenden Gefahrprognose, dass es bei der für 10.000 Personen angemeldeten Versammlung zu einer Vielzahl von Unterschreitungen des Mindestabstandes von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung durch die Versammlungsteilnehmer und dadurch zu einer unmittelbaren Gefahr für das Rechtsgut des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit komme, nicht zu beanstanden, zumal das Infektionsschutzkonzept der Antragstellerin ausdrücklich keine Verpflichtung der Teilnehmer der Veranstaltung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorsehe.
Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl als milderes Mittel zur Unterbindung der durch die Versammlung drohenden unmittelbaren Gefahr habe die Antragsgegnerin zu Recht als nicht erfolgversprechend erachtet. Entweder gelänge es der Polizei, die ausdrücklich mit einer Teilnehmerzahl von 10.000 beworbene Versammlung auf 500 Teilnehmer wirksam zu beschränken, dann wäre an den Zugängen mit einem Gedränge durch weitere, abgewiesene Versammlungsteilnehmer zu rechnen, was dem Infektionsschutz zuwider liefe. Anderenfalls wäre der Infektionsschutz wegen Überschreitung einer nach der oben genannten Vorschrift unbedenklichen Teilnehmerzahl gefährdet.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.