Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04. August 2023 zum Aktenzeichen 2 BvR 54/19 entschieden, dass eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör teilweise erfolgreich ist.
Die 1983 geborene Beschwerdeführerin zu 1. und ihre 2001 geborene Tochter, die Beschwerdeführerin zu 2., sind thailändische Staatsangehörige. Der 2006 geborene Sohn der Beschwerdeführerin zu 1. ist britischer Staatsangehöriger. Sie alle leben seit 2015 zusammen bei dem deutschen Ehemann der Beschwerdeführerin zu 1., der nicht der Kindesvater ist, in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Beschwerdeführerin zu 1. beantragte nach der Einreise in das Bundesgebiet bei der Stadt Dresden (im Folgenden: Ausländerbehörde) die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 5 FreizügG/EU im Hinblick auf ein von ihrem Sohn abgeleitetes Freizügigkeitsrecht. Die Beschwerdeführerin zu 2. stellte anschließend einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte aufgrund abgeleiteter Freizügigkeit von der Beschwerdeführerin zu 1. Hilfsweise beantragten die Beschwerdeführerinnen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2016 stellte die Ausländerbehörde fest, dass die Beschwerdeführerinnen nicht freizügigkeitsberechtigt seien und lehnte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zum Familiennachzug ab, erteilte ihnen jedoch Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage der Beschwerdeführerinnen wies das Verwaltungsgericht Dresden (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit Urteil vom 28. Juni 2018 – 3 K 1707/16 – ab. Die Beschwerdeführerinnen seien nicht freizügigkeitsberechtigt. Insbesondere könne die Beschwerdeführerin zu 1. ein solches Recht auf Freizügigkeit nicht aus der Anwendung primären Unionsrechts, „hier nach Art. 20, 21 AEUV“, herleiten. Eine nationale Maßnahme dürfe zwar die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit nicht dadurch berauben, dass ein minderjähriger Unionsbürger aufgrund aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen gegen einen Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv abhängig sei, einem rechtlichen oder faktischen Zwang unterworfen werde, das Unionsgebiet zu verlassen. Die Berufung auf Art. 20 und 21 AEUV sei allerdings auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Der Sohn der Beschwerdeführerin zu 1. sei keinem solchen Zwang zum Verlassen des Unionsgebiets ausgesetzt, da die Beschwerdeführerin zu 1. über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge.
Hiergegen beantragten die Beschwerdeführerinnen die Zulassung der Berufung. Die Beschwerdeführerin zu 1. sei freizügigkeitsberechtigt, ohne dass es darauf ankomme, ob ihr Sohn im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 20 AEUV von ihr abhängig sei. Das Verwaltungsgericht nenne neben Art. 20 AEUV zwar auch Art. 21 AEUV, verkürze die nachfolgende Prüfung aber auf einen Anspruch aus Art. 20 AEUV. Sie betreffe daher allein die Kernbestandsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die gerade nur solche Unionsbürgerkinder begünstige, die nicht gewandert seien und sich daher nicht auf Art. 21 AEUV berufen könnten (mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018, C-82/16, K.A. u.a.; Urteil vom 10. Mai 2017, C-133/15, Chavez-Vilchez). Demgegenüber habe der Europäische Gerichtshof die Rechte, die Kinder ihren Eltern aus Art. 21 AEUV vermittelten, in den Entscheidungen NA (EuGH, Urteil vom 30. März 2016, C-115/15) und Alokpa (EuGH, Urteil vom 10. Oktober 2013, C-86/12) aufgezeigt.
Den Zulassungsantrag lehnte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (im Folgenden: Oberverwaltungsgericht) mit Beschluss vom 28. September 2018 – 3 A 947/18 – ab. Insbesondere sei das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass aus primärem Unionsrecht ein Aufenthaltsrecht sui generis für einen Drittstaatsangehörigen folge, wenn – anders als hier – sonst ein von diesem abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen. Dies folge aus „Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2a, Art. 21 AEUV, wonach der Status eines Unionsbürgers das Recht“ verleihe, „sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“ (mit Verweis auf BVerwGE 147, 278 <289 ff. Rn. 30 ff.>). Aus der „Heranziehung von Art. 20, 21 AEUV“ ergebe sich „kein Unterschied in der Ausgestaltung dieses primärrechtlichen Aufenthaltsrechts“.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Anhörungsrüge machten die Beschwerdeführerinnen namentlich geltend, dass der Verweis des Oberverwaltungsgerichts auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 fehlgehe, da die maßgeblichen und von ihnen angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zeitlich erst danach ergangen seien. In diesen sei bereits entschieden worden, dass Art. 21 AEUV und die Richtlinie 2004/38/EG, wenn sie einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerkind ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat gewährten, auch dem tatsächlich für das Kind sorgenden Elternteil den Aufenthalt unabhängig von einem andernfalls bestehenden faktischen Ausreisezwang des Unionsbürgerkindes erlaubten.
Durch Beschluss vom 26. November 2018 – 3 A 947/18 – wies das Oberverwaltungsgericht die Anhörungsrüge zurück. Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen die unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vertretene Rechtsauffassung des Gerichts richteten, weil diese angeblich wegen neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs obsolet geworden sei, wendeten sie sich der Sache nach gegen die rechtliche Würdigung des Senats, womit eine Gehörsrüge nicht begründet werden könne. „Nur der Vollständigkeit halber“ werde „im Hinblick auf die geltend gemachte angeblich abweichende Rechtsauffassung beispielhaft auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land-Nordrhein Westfalen verwiesen, in der die von den [Beschwerdeführerinnen] vorgetragene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewürdigt“ werde (mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2017 – 18 B 222/16 -, juris).
Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 1. zulässig. Insbesondere fehlt es dieser nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis.
Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt unter anderem voraus, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsakts oder wenigstens für die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis kann daher nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde insbesondere dann entfallen, wenn sich das ursprünglich verfolgte Begehren erledigt.
Hiernach fehlt es der Beschwerdeführerin zu 1. im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht wegen des nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde erfolgten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Es lässt sich – insbesondere seitens des Bundesverfassungsgerichts, das die primäre Zuständigkeit der Fachgerichte für die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts zu respektieren hat – schon nicht feststellen, dass sich das ursprünglich von der Beschwerdeführerin verfolgte fachgerichtliche Begehren wegen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union erledigt hat. Dieser betrifft ohnehin nur die Rechtslage ab dem 1. Januar 2021, nicht aber den auch streitgegenständlichen Zeitraum von der Einreise der Beschwerdeführerin zu 1. im Jahr 2015 bis zum 31. Dezember 2020. Es ist Sache der Fachgerichte zu entscheiden, inwieweit die Beschwerdeführerin zu 1. eine rückwirkende Feststellung ihrer Freizügigkeitsberechtigung begehren kann. Überdies erscheint es zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin zu 1. aus den entsprechenden Bestimmungen des Austrittsabkommens in Verbindung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie der daran anknüpfenden jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 20 und 21 AEUV die begehrte Freizügigkeitsberechtigung oder eine vergleichbare Rechtsposition auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2021 herleiten können wird.
Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch im Sinne einer die Zuständigkeit der Kammer eröffnenden Weise offensichtlich begründet.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. September 2018 verletzt die Beschwerdeführerin zu 1. in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zwar hat das Gericht bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken, ohne dass darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt. Wenn aber ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde. Dagegen aber schützt Art. 103 Abs. 1 GG.
Diesen Maßstäben wird die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 28. September 2018 nicht gerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Nichtzulassungsbeschluss den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es hat sich mit dem Kern des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu 1. zum Anwendungsbereich des Art. 21 AEUV, der für den Prozessausgang entscheidungserheblich war, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Der Nichtzulassungsbeschluss lässt nicht erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht die von der Beschwerdeführerin zu 1. vorgebrachten Argumente tatsächlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Das Oberverwaltungsgericht beschränkt sich – unter maßgeblicher Heranziehung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE 147, 278 aus Juli 2013 – auf die Feststellung, dass aus primärem Unionsrecht ein Aufenthaltsrecht für einen Drittstaatsangehörigen folge, wenn sonst ein von diesem abhängiger Unionsbürger gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen. Dies folge aus „Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2a, Art. 21 AEUV, wonach der Status eines Unionsbürgers das Recht“ verleihe, „sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“. Es führt unmittelbar anschließend aus, dass sich „aus der Heranziehung von Art. 20, 21 AEUV kein Unterschied in der Ausgestaltung dieses primärrechtlichen Aufenthaltsrechts“ ergebe. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend „die Berufung auf Art. 20, 21 AEUV verneinen können, da das freizügigkeitsberechtigte Kind“ der Beschwerdeführerin zu 1. „keinem rechtlichen oder faktischen Zwang zum Verlassen des Unionsgebiets“ unterliege.
In der Sache übergeht das Oberverwaltungsgericht damit das Kernvorbringen der Beschwerdeführerin zu 1., dass sich aus der explizit benannten und zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Unterschied zwischen Art. 20 und 21 AEUV ergebe und dies zur Folge habe, dass es für Art. 21 AEUV keines rechtlichen oder faktischen Zwangs zum Verlassen des Unionsgebiets im Sinne des Art. 20 AEUV bedürfe. Das Oberverwaltungsgericht wäre nach den vorstehenden Maßstäben gehalten gewesen, sich mit diesem Vorbringen und damit notwendigerweise mit der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkret auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die ausschließlich vom Oberverwaltungsgericht angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeitlich vor den betreffenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ergangen ist und sich demnach zu diesen gar nicht verhalten konnte. Im Übrigen genügen bloß formelhafte Verweise auf höchstrichterliche Rechtsprechung ohne nähere Begründung zur Relevanz für den konkreten Fall – wie hier – auch für sich genommen schon nicht für die Gewährung rechtlichen Gehörs. Ferner deutet auch die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zu 1. „aus der Heranziehung von Art. 20, 21 AEUV kein Unterschied in der Ausgestaltung [des] primärrechtlichen Aufenthaltsrechts“ folge, darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, die Beschwerdeführerin zu 1. mache eine Modifizierung des von Art. 20 AEUV gewährleisteten Aufenthaltsrechts durch zusätzliche „Heranziehung“ des Art. 21 AEUV geltend. Dieses Verständnis lässt sich indes mit dem tatsächlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1. zu dem aus Art. 21 AEUV folgenden, von den Voraussetzungen des Art. 20 AEUV unabhängigen Aufenthaltsrecht nicht vereinbaren. Nach alledem geben die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht hinreichend zu erkennen, dass es die eingehende Begründung der Beschwerdeführerin zu 1. für ihre gegenteilige Rechtsauffassung inhaltlich nachvollzogen und damit zur Kenntnis genommen sowie anschließend auch tatsächlich in Erwägung gezogen hat. Das Schweigen zu diesen Argumenten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtfertigt vielmehr den gegenteiligen Schluss.
Durch den Anhörungsrügebeschluss wurde die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht beseitigt.
Zwar bezweckt der Rechtsbehelf der Anhörungsrüge die Heilung von Verletzungen des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG. Eine Heilung von Gehörsverstößen in derselben oder einer weiteren Instanz ist möglich, wenn das betreffende Gericht in der Lage ist, das Vorbringen zu berücksichtigen. Hat sich das Gericht in einem solchen Fall eine abschließende Meinung gebildet, kann das Bundesverfassungsgericht davon ausgehen, dass eine für den Beteiligten günstigere Lösung ausgeschlossen ist, die Entscheidung also nicht auf der Gehörsverletzung beruht. Ob die Rechtsmeinung des Gerichts fachrechtlich zutrifft, ist im Rahmen der Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen.
Hier ist jedoch durch den Anhörungsrügebeschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Heilung eingetreten. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht seinen Gehörsverstoß vertieft.
Die Beschwerdeführerin zu 1. hat mit ihrer Anhörungsrüge ausdrücklich auf die fehlende Relevanz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen sowie nochmals die betreffenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs dargestellt und erläutert, weshalb daraus nach ihrer Ansicht folge, dass für ein aus Art. 21 AEUV herzuleitendes Freizügigkeitsrecht ein anderer Maßstab als für ein solches aus Art. 20 AEUV gelte. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anhörungsrüge dagegen mit der knappen Begründung zurückgewiesen, dass sich die Beschwerdeführerin zu 1. allein gegen die Rechtsauffassung des Gerichts wende und demnach in der Sache schon keinen Gehörsverstoß geltend mache. Zu der Rechtsfrage der möglicherweise divergierenden Maßstäbe betreffend Art. 20 AEUV einerseits und Art. 21 AEUV andererseits hatte das Oberverwaltungsgericht im Nichtzulassungsbeschluss jedoch keine eigene Rechtsauffassung zu erkennen gegeben, gegen die sich die Beschwerdeführerin zu 1. hätte wenden können; die Frage war (und ist bislang) vom Oberverwaltungsgericht nicht erörtert worden. Entsprechend hat es auch den vertiefenden Vortrag der Beschwerdeführerin zu 1. in ihrer Anhörungsrüge – insbesondere auch bezüglich der in Abrede gestellten Relevanz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 – nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
Auch der allein „der Vollständigkeit halber“ erfolgende Verweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2017 – 18 B 222/16 – gebietet insofern keine andere Bewertung. Diese Bezugnahme geht fehl. Der zitierte Beschwerdebeschluss verhält sich nicht zu der von der Beschwerdeführerin zu 1. aufgeworfenen Rechtsfrage. Vielmehr war das Gericht seinerzeit im Schwerpunkt mit der Frage befasst, ob der Begriff des Familienangehörigen im Sinne des Art. 2 Nr. 2 Buchstabe d) der Richtlinie 2004/38/EG über den Wortlaut der Regelung hinaus auch ein Elternteil eines minderjährigen Unionsbürgers unabhängig von einer Unterhaltsgewährung durch letzteren erfasst, was es im Ergebnis verneint hat. Diese Rechtsauffassung teilt die Beschwerdeführerin zu 1. jedoch, wodurch die Herleitung eines Freizügigkeitsrechts unmittelbar aus Art. 21 AEUV erst erforderlich wird. Allein in der letzten Randnummer (Rn. 9) des genannten Beschlusses finden sich überhaupt Ausführungen zu Art. 21 AEUV, wo es aber lediglich heißt, dass sich die Beschwerde zu „den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Art. 21 AEUV“ nicht verhalte. Eine Aussage zu der von der Beschwerdeführerin zu 1. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgeworfenen Rechtsfrage lässt sich dem ersichtlich nicht entnehmen. Der Verweis im Anhörungsrügebeschluss zeugt so letztlich ebenso davon, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1. bereits nicht hinreichend nachvollzogen hat.
Der Nichtzulassungsbeschluss beruht auch auf dem aufgezeigten Gehörsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberverwaltungsgericht, hätte es das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1. zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, zu einem anderen, der Beschwerdeführerin zu 1. günstigeren Ergebnis – nämlich der Feststellung der unmittelbar aus Art. 21 AEUV herrührenden Freizügigkeitsberechtigung – gekommen wäre. Seitens des Bundesverfassungsgerichts, das – wie bereits betont – die primäre Zuständigkeit der Fachgerichte für die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts zu respektieren hat, lässt sich auch nicht feststellen, dass dem Begehren der Beschwerdeführerin ganz unabhängig von jeglichem Vorbringen von Rechts wegen nicht entsprochen werden dürfte. Dies gilt auch mit Blick auf die vorliegend nach Erlass des Nichtzulassungsbeschlusses eingetretene Änderung der Rechtslage, die das Oberverwaltungsgericht bei einer erneuten Entscheidung zu berücksichtigen hätte.