Vergleich über Urlaub in natura hindert nicht Urlaubsabgeltung

10. September 2024 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 11.04.2024 zum Aktenzeichen 7 Sa 516/23 entschieden, dass ein Tatsachenvergleich nach § 779 BGB voraussetzt, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 BurIG würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Etwas anders gilt auch nicht dann, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststeht

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war seit dem 01.01.2019 bei der Beklagten als Betriebsleiter an dem Standort der Beklagten in T zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 5.000,00 EUR beschäftigt. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass dem Kläger 30 Urlaubstage pro Jahr zustanden.

Anfang des Jahres 2023 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dessen Verlauf diese übereinkamen, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewünscht war. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger im Jahr 2023 keinen Urlaub in Anspruch genommen, da er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.

Mit Schreiben vom 24.03.2023 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Prozessvertreterin des Klägers einen Vergleichsentwurf. Mit Schreiben vom 28.03.2023 (Bl. 37 f. der erstinstanzlichen Akte) übersandte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Erwiderungsschreiben mit verschiedenen Änderungsvorschlägen sowie einem modifizierten Vergleichsvorschlag. Unter anderem führte die Prozessbevollmächtigte des Klägers wie folgt aus:

„Im Übrigen nehme ich wie folgt Stellung: Insbesondere auf den gesetzlichen Mindesturlaub kann nicht wirksam verzichtet werden. Im Zuge einer Gesamteinigung ist mein Mandant bereit, nur die Abgeltung des Mindesturlaubes 2023 von sieben Tagen zu berücksichtigen. Aus den Vorjahren wären ansonsten noch nicht gewährte Urlaubstage in beträchtlicher Höhe abzugelten.“

Die Klausel zu Urlaubsansprüchen im Vergleichsentwurf lautete wie folgt:

„Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die E G den gesetzlichen Mindesturlaub des Jahres 2023 von sieben Tagen mit 230,73 € brutto pro Urlaubstag abgelten, sofern er nicht von Herrn H in natura in Anspruch genommen wird. Im Übrigen besteht Einigkeit, dass der gesetzliche Mindesturlaub in den Vorjahren genommen wurde und die Abgeltung eines darüber hinausgehenden Urlaubsanspruchs nicht erfolgt.“

Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 41 ff. der erstinstanzlichen Akte) erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers und erklärte sich bereit, die vom Kläger gewünschten Änderungen im Hinblick auf das Beendigungsdatum sowie den Zeugnistext umzusetzen. Darüber hinaus führte er wie folgt aus:

„Den weitergehenden Zahlungsforderungen Ihres Auftraggebers wird unsere Mandantin vor dem Hintergrund des bereits sehr entgegenkommenden Angebots der Abfindungszahlung nicht nachkommen. Wir stellen hiermit klar, dass es über die bereits gemachten Zugeständnisse hinaus kein weiteres Entgegenkommen unserer Mandantin geben wird. Es handelt sich bei dem nachfolgenden Angebot um ein finales Vergleichsangebot. Sollte das nachfolgende Vergleichsangebot nicht angenommen werden, sehen wir die Einigungsversuche als gescheitert an.“

Der beigefügte Vergleichsvorschlag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 30.03.2023, zugegangen am 30.03.2023, aus betrieblichem Anlass zum 30.04.2023 endet.

[…]

7. Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.

[…]

9. Die Parteien sind sich darüber einig, dass über die hier geregelten Ansprüche hinaus weitere Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen.

[…]“

Mit Schreiben vom 29.03.2023 (Bl. 77 d.A.) teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass ihr Mandant mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden sei und fügte hinzu:

„Ich weise an dieser Stelle auf die erheblichen Bedenken meines Mandanten im Hinblick auf den Vergleichsschluss und die diesseitig, zuletzt mit Schreiben vom 28.03.2023, geäußerte Rechtsauffassung hinweisen.“

Den Vergleichstext reichte die Vertreterin des Klägers bei Gericht ein. Die Beklagte stimmte zu, woraufhin der Vergleich (Bl. 4 ff. der erstinstanzlichen Akte) am 31.03.2023 gerichtlich festgestellt wurde.

Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte der Kläger aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub mehr nehmen.

Auf die zum Zweck der Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit gestellte Nachfrage des Gerichts führte der Bevollmächtigte des Beklagten aus:

„[…] wird mitgeteilt, dass zwischen den Parteien u.a. die Abgeltung von 20 übergesetzlichen Urlaubstagen in Streit stand und im Laufe der Verhandlungen auch bzgl. dieses Urlaubsanspruchs eine vergleichsweise Einigung gefunden wurde (siehe Ziffer 7. des Vergleichs).“

Mit Schreiben vom 12.06.2023 (Bl. 11 der erstinstanzlichen Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.615,14 EUR geltend. Mit seiner Klage vom 13.07.2023 verfolgte er sein Begehr weiter. Er vertrat die Auffassung, auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch habe er im Rahmen des Vergleichs nicht verzichtet, so dass der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 abzugelten sei. Das habe der Kläger auch explizit in den Vergleichsverhandlungen thematisiert. Es ergebe sich ein Anspruch in Höhe von 230,73 EUR pro Urlaubstag, insgesamt also 1.615,11 EUR.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu Beginn des Jahres 2023 gemäß §§ 1, 3 BUrlG in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag einen gesetzlichen Urlaubsanspruch in einem Umfang von 20 Arbeitstagen erworben. Hinzu kam ein übergesetzlicher, arbeitsvertraglicher Urlaubsanspruch im Umfang von weiteren 10 Arbeitstagen, der vorliegend nicht streitgegenständlich ist. Aufgrund des Ausscheidens des Klägers in der ersten Hälfte des Kalenderjahres 2023 war der zunächst entstandene Vollurlaub für jeden vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis in diesem Jahr nicht mehr bestand, um 1/12 zu kürzen (vgl. BAG, Urteil vom 23.04.1996 – 9 AZR 317/95, juris). Es ergab sich bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 30.04.2023 ein Anspruch auf 6,67 Tage gesetzlichen Urlaub. Dieser war gemäß § 5 Abs. 2 BUrlG auf sieben Tage aufzurunden.

Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2023 ist nicht durch Erfüllung untergegangen. Unstreitig hat der Kläger im Jahr 2023 keinen Urlaub genommen.

Der Urlaubsanspruch ist auch nicht durch die in Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 31.03.2023 enthaltende Klausel erloschen.

In der Klausel haben die Parteien festgehalten, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien.

Die Vereinbarung hat den Urlaubsanspruch des Klägers nicht durch einen Tatsachenvergleich im Sinne des § 779 BGB zum Erlöschen gebracht.

In Abgrenzung zum Erlassvertrag bzw. dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis, bei denen der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, einen bestimmten Anspruch zum Erlöschen zu bringen (vgl. BAG, Urteil vom 25.09.2013 – 5 AZR 936/12, juris, Rn. 21), bezieht sich beim Tatsachenvergleich das Nachgeben auf eine Ungewissheit im Tatsächlichen (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.1997 – 4 AZR 682/95, juris). Ein Tatsachenvergleich setzt nach § 779 BGB voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2022 – 6 AZR 459/21 –, juris, Rn. 35; BAG, Urteil vom 20.01.1998 – 9 AZR 812/96 –, juris, Rn. 27). Es muss also ein Unsicherheitsmoment vorhanden sein, ob der Anspruch dem Grunde nach oder in der geltend gemachten Höhe besteht. Eine völlig unstreitige Forderung kann nicht Gegenstand eines wirksamen Tatsachenvergleichs sein, der hinter der vollständigen Erfüllung zurückbleibt (vgl. Korinth, in: ArbRB 2003, 316, 317). In diesem Fall liegt in Wahrheit ein Erlassvertrag vor (vgl. Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 20. Auflage 2023, § 72. Einreden und Einwendungen gegen den Anspruch auf Arbeitsvergütung, Rn. 18).

Vorliegend bestand zwischen den Parteien jedoch zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage.

Der Kläger hat dargelegt, dass weder das Entstehen, noch der Umfang oder die Nichterfüllung der gesetzlichen Urlaubsansprüche für 2023 zwischen den Parteien streitig gewesen sei. Er sei seit Beginn des Jahres 2023 bis zum Abschluss des Vergleiches vom 31.03.2023 und darüber hinaus bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen, so dass kein Urlaub habe gewährt werden können. Die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat die Beklagte nicht bestritten. Dass der Kläger während eines bewilligten Urlaubs erkrankte, stand zwischen den Parteien nicht in Rede. Eine Erfüllung der Urlaubsansprüche für 2023 war damit mangels Arbeitsverpflichtung, von der der Kläger durch Urlaubsgewährung hätte befreit werden können, letztlich ausgeschlossen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 15.06.1993 – 9 AZR 65/90, juris). Dementsprechend hatte die Klägervertreterin unmittelbar vor Abschluss des Vergleichs im Schreiben vom 28.03.2023 ausgeführt, dass ein Mindesturlaubsanspruch des Klägers für 2023 im Umfang von sieben Tagen bestünde. Dem war die Beklagte nicht entgegengetreten. Die Beklagte hat zwar pauschal behauptet, dass die Anzahl der vom Kläger beanspruchten Urlaubstage insgesamt alles andere als unstreitig gewesen sei. Sie hat aber nicht konkret dargelegt, welche tatsächlichen Aspekte des Urlaubsanspruches für das Jahr 2023 zwischen den Parteien streitig gewesen sein sollten. Soweit die Beklagte sich auf einen Schriftsatz vom 10.02.2023 (Bl. 43 ff. d.A.) bezieht, in welchem der Beklagtenvertreter ausgeführt hatte, es sei unzutreffend, dass der Kläger angeblich in seiner vierjährigen Tätigkeit nur zwei Wochen Urlaub genommen habe, sondern der Kläger habe regelmäßig Urlaub genommen, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn dass die Beklagte die Erfüllung des Urlaubsanspruches für 2023 behauptet hätte, ergibt sich aus diesen Ausführungen nicht. Auch mit Schreiben vom 13.04.2023 hat der Beklagtenvertreter im Hinblick auf die Streitwertfestsetzung ausdrücklich lediglich mitgeteilt, dass die Abgeltung von 20 übergesetzlichen Urlaubstagen in Streit gestanden habe. Dass darüber hinaus das Bestehen gesetzlicher Urlaubsansprüche in tatsächlicher Hinsicht streitig gewesen sein sollte, ergibt sich daraus gerade nicht.

Nach alldem lag also in der Vereinbarung in Ziffer 7 des Prozessvergleichs kein zulässiger Tatsachenvergleich.

Die Vereinbarung hat den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Klägers für 2023 auch nicht durch einen Verzicht im Sinne des (§ 397 Abs. 1 BGB) zum Erlöschen gebracht.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen dieses Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG damit unverzichtbar. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis gewahrt bleibt. Ferner sichert die Bestimmung den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewähren kann. Der gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11 –, juris, Rn. 13; BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 278/16 –, juris, Rn. 17). Die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten ist mit den Zielen unvereinbar, die mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfolgt werden und u. a. darin bestehen, zu gewährleisten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz ihrer Sicherheit und ihrer Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16 –, juris, Rn. 34).

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht an seiner Rechtsprechung, nach der der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs einer einschränkenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien entzogen sei, in deren Folge die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung in § 7 IV BUrlG schlechter stehe, nach der Aufgabe der Surrogatstheorie ausdrücklich nicht festgehalten, soweit die Vereinbarung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Stande kommt (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11, juris, Rn. 43).

Die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Einschränkung des gesetzlichen Urlaubsanspruches besteht jedoch nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Denn der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 S. 3 BurlG würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.06.2021 – 2 Sa 116/20 – juris, Rn. 60; LAG München, Urteil vom 12.01.2023 – 3 Sa 358/22 -, juris, Rn. 57).

Etwas anders gilt auch nicht dann, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststeht (a.A. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.02.2016 – 8 Sa 1923/15 –, juris, Rn. 40; LAG Köln, Urteil vom 08.11.2012 – 7 Sa 767/12 –, juris, Rn. 59).

Denn nur der Beendigungszeitpunkt selbst bildet eine Zäsur, die nicht nur die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub betrifft. Erst ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann eine Freistellung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht nicht mehr erfolgen. Zudem können weder neue Urlaubsansprüche entstehen noch bestehende nach § 7 Abs. 3 BUrlG erlöschen. Der innere Zusammenhang zwischen der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit und dem Urlaub wird erst durch die Ablösung des Freistellungsanspruchs von der Vergütungskomponente und deren Umwandlung in einen Abgeltungsanspruch aufgelöst (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 495/17 –, juris, Rn. 34). Die strukturell schwächere Stellung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16 – juris, Rn. 41), endet erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG, Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20 –, juris, Rn. 43).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze war die Vereinbarung im vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen Vergleich vom 31.03.2023 wegen eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nach § 134 BGB unwirksam.

Die Vereinbarung in Ziffer 9 des Vergleichs hat den Urlaubsanspruch des Klägers ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht.

Die Ausgleichsklausel, die von den Parteien als umfassender Anspruchsausschluss gedacht sein dürfte, verstößt aus den vorstehend unter II.3.b) dargestellten Erwägungen im Hinblick auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG und ist insoweit unwirksam.

Da der gesetzliche Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2023 damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Umfang von sieben Tagen noch bestand und wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte, war er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Bei einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 5.000,00 EUR ergibt sich gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG ein Abgeltungsbetrag in Höhe von 230,77 EUR pro Urlaubstag; somit von 1.515,38 EUR für die abzugeltenden sieben Urlaubstage.

Dem Kläger ist es nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Verzichtsvereinbarung zu berufen. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann Vertragsparteien zwar unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) daran hindern, sich mit eigenen früheren Erklärungen und eigenem früherem Verhalten in Widerspruch zu setzen. Dies ist regelmäßig jedoch nur dann der Fall, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Sach- oder Rechtslage geschaffen wurde (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.1996 – 5 AZR 855/95 –, juris, Rn. 14). Es verstößt nicht grundsätzlich gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung beruft oder ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn ein Vertrauenstatbestand dahingehend entstanden ist, dass die andere Seite später die Unwirksamkeit ihrer Erklärungen nicht mehr geltend machen werde (vgl. BAG, Urteil vom 12.02.2014 – 4 AZR 317/12 –, juris, Rn. 28). Es ist vorliegend weder ersichtlich noch legt die Beklagte dar, der Kläger habe ihr gegenüber erkennen lassen, er wolle den Verzicht trotz seiner Rechtsunwirksamkeit gegen sich gelten lassen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Beklagte vielmehr im Rahmen der Vergleichsverhandlungen darauf aufmerksam gemacht, dass auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht wirksam verzichtet werden könne und dass der Kläger diese Rechtsauffassung auch im Hinblick auf den beabsichtigten Vergleichsabschluss vertrete.