Verfassungswidrigkeit der polizeilichen Kontrolle eines Bahnreisenden in Anknüpfung an seine Hautfarbe

Das Verwaltungsgericht Dresden hat am 18.01.2022 zum Aktenzeichen 6 K 438/19 entschieden, dass die polizeiliche Kontrolle eines Bahnreisenden gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstößt, wenn sie aufgrund seiner Hauptfarbe erfolgt.

Aus der Pressemitteilung des VG Dresden vom 01.02.2022 ergibt sich:

Dies hat das Verwaltungsgericht Dresden mit nunmehr den Beteiligten zugestellten Urteil vom 18. Januar 2022 klargestellt. Die Richterinnen und Richter der 6. Kammer gaben damit der Klage eines aus Guinea stammenden Mannes statt und erklärten seine im März 2018 durch Bundespolizisten im Chemnitzer Hauptbahnhof durchgeführte Personenkontrolle für rechtswidrig, einschließlich der damit verbundenen „Identitätsfeststellung, Verbringung auf die Dienststelle, Fixierung sowie körperliche Durchsuchung, Durchsuchung von Sachen und Anwendung von unmittelbarem Zwang“.

Der Kläger wartete am fraglichen Tag mit einem Mitbewohner in der Bahnhofshalle auf seinen Zug zur Heimfahrt. Er und sein Begleiter wurden von einer Streife der Bundespolizei zur Durchführung einer Personenkontrolle angesprochen. Darüber, wie sich der darauf folgende Vorfall im Einzelnen abgespielt hat, machten die Beteiligten unterschiedliche Angaben. Der Kläger gab an, dass ihm die Beamten bereits unfreundlich entgegen getreten seien und seinen Ausweis verlangt hätten. Er habe wissen wollen, warum ausgerechnet er und sein Begleiter kontrolliert werden sollten. Demgegenüber gaben die Polizisten an, dass der Kläger behauptet habe, keinen Ausweis zu besitzen und sie als „Rassisten“ beschimpft habe. Er wurde im Verlauf der folgenden Auseinandersetzung zu Boden gebracht, fixiert, zur Identitätsfeststellung auf die Wache geschafft und dort nach etwa zwei Stunden wieder freigesetzt, nachdem bei einer Durchsuchung seines Rucksacks seine Personalpapiere gefunden wurden. Nach den Angaben der Beteiligten sollen sowohl der Kläger, als auch die Beamten Blessuren davongetragen haben. Im März 2019 hat der Kläger die nunmehr entschiedene Klage mit dem Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der gegen ihn getroffenen Maßnahmen feststellen zu lassen.

Die Kammer hat am 12. Januar 2022 in der Sache mündlich verhandelt und sowohl den damaligen Begleiter des Klägers, als auch die beteiligten Polizeibeamten als Zeugen zum Geschehensablauf vernommen. Seine im Ergebnis der Verhandlung zugunsten des Klägers getroffene Entscheidung begründete das Gericht im Wesentlichen damit, dass die Bundespolizei im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit zwar u. a. „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet“ im Bahnhofsbereich unter bestimmten Umständen befugt ist, „jede Person kurzzeitig“ anzuhalten, zu befragen und zu verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.  Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass alle in der Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen erfüllt gewesen seien,  sei allerdings die „Auswahl des Klägers als zu kontrollierende Person nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung als ermessensfehlerhaft anzusehen“. Der Kläger und sein Begleiter hätten aufgrund ihres Verhaltens oder anderer Auffälligkeiten keinen Anlass zur Kontrolle gegeben. Es sei vor diesen Hintergrund Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass die Kontrolle des Klägers nicht lediglich aufgrund einer Anknüpfung an seine Hautfarbe und damit unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgte, was ihr nicht gelungen sei.  Die Kammer habe daher im Ergebnis feststellen müssen, „dass die Hautfarbe des Klägers für den Entschluss, ihn einer Befragung und Kontrolle zu unterziehen, zumindest mitursächlich gewesen ist und nicht festgestellt werden kann, dass die Maßnahme auch ohne diesen Aspekt in gleicher Weise durchgeführt worden wäre“.  Er habe die Herausgabe seiner Papiere zu Recht verweigern können, so dass auch sämtliche danach gegen ihn ergriffenen Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien.

Gegen das Urteil kann binnen eines Monats ein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht gestellt werden.