Der Bundesgerichtshof hat am 12.03.2019 entschieden, dass ein beim Landgericht Chemnitz in Sachsen rechtshängiges Strafverfahren gegen einen aus Syrien stammenden Angeklagten dort verbleibt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am 26. August 2018 in Chemnitz gemeinsam mit einem irakisch-stämmigen Mittäter einen Mann durch Messerstiche getötet und einen anderen lebensgefährlich verletzt zu haben.
Die Verteidigung des Angeklagten hat beantragt, die Untersuchung und Entscheidung einem Landgericht außerhalb der Bundesländer Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu übertragen. Bei Durchführung der Hauptverhandlung in diesen Ländern sei insbesondere wegen der in diesem Jahr dort stattfindenden Landtagswahlen mit rechtsgerichteten und ausländerfeindlich motivierten Demonstrationen sowie mit massiven, von der Polizei nicht beherrschbaren Ausschreitungen zu rechnen. Angesichts dieses Gewaltpotentials könnten die Verfahrensbeteiligten nicht unbeeindruckt und angstfrei urteilen. Zudem bestünde die Gefahr, dass das Gedankengut der rechten Demonstranten seitens der Justizmitarbeiter geteilt werde.
Der für Gerichtsstandsbestimmungen zuständige 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat es abgelehnt, das Verfahren gemäß § 15 StPO an ein Landgericht eines anderen Bundeslandes zu übertragen. Im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) kommt eine Übertragung nur dann in Betracht, wenn die bestehende Gefahr nicht auf andere Weise als durch einen Eingriff in das gesetzliche Zuständigkeitssystem beseitigt werden kann. Das Landgericht Chemnitz beabsichtigt, die Verhandlung in einem besonders gesicherten Saal des Oberlandesgerichts Dresden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen. Dafür, dass die Justiz- und Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen nicht in der Lage wären, den von dem Angeklagten geltend gemachten Gefahren für die öffentliche Sicherheit wirksam zu begegnen, ist nichts ersichtlich. Ebenso wenig bestehen die geringsten Anhaltspunkte dafür, die zur Entscheidung berufenen Richter des Landgerichts Chemnitz würden das Gedankengut rechter Demonstranten teilen, bzw. „unter dem Druck der Straße“ nicht unbeeindruckt und angstfrei urteilen.
Ist das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder tatsächlich verhindert oder ist von der Verhandlung vor diesem Gericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen, so hat das zunächst obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines anderen Bezirks zu übertragen.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. bearbeitet im Schwerpunkt das Strafprozessrecht und Verfassungsrecht.