Verein muss nicht aus Verfassungsschutzbericht gelöscht werden

04. November 2020 -

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 29.10.2020 zum Aktenzeichen 10 B 4291/20 entschieden, dass das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport einen Verein, der die Förderung der Religion und der islamischen Kultur bezweckt, nicht aus seinem Verfassungsschutzbericht und der dazugehörigen Pressemitteilung löschen muss.

Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 03.11.2020 ergibt sich:

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen im Jahr 2017 gegründeten eingetragenen Verein mit bundesweit etwa 2.100 Mitgliedern. Nach der Vereinsatzung bezweckt er die Förderung der Religion und der islamischen Kultur. In dem vom Antragsgegner am 27.05.2020 veröffentlichten Verfassungsschutzbericht wird der Antragsteller als ein Akteur des salafistischen Spektrums aus Hannover benannt. Zudem wird der Antragsteller in der zum Verfassungsschutzbericht gehörenden Pressemitteilung „Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 2019: Rechtsextremismus heterogener, Zahl der Islamisten stagniert, Anstieg im Linksextremismus“ vom 27.05.2020 des Antragsgegners unter dem Stichwort „Islamismus“ erwähnt. Der Antragsteller wandte sich an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport und forderte es auf, es zu unterlassen, den Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2019 und die dazugehörige Pressemitteilung in digitaler, schriftlicher oder sonstiger Form zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, soweit der Antragsteller darin genannt werde. Weiterhin sollten alle ihn betreffenden Angaben aus dem von dem Antragsgegner herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2019 sowie der Pressemitteilung entfernt werden. Nachdem das Ministerium dieser Aufforderung nicht nachkam, hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.

Das VG Hannover hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung des Verfassungsschutzberichts 2019 und der dazugehörigen Pressemitteilung. Ein solcher ergebe sich weder aus der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG) noch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Der Antragsgegner habe es als Verfassungsschutzbehörde nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz (NVerfSchG) zur Aufgabe, u.a. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, zu beobachten. In Erfüllung dieser Aufgabe habe er Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, zu sammeln, auszuwerten und die Öffentlichkeit über die Auswertungsergebnisse aufzuklären.

Zudem sei der Antragsgegner zur Vorlage eines jährlichen Verfassungsschutzberichtes verpflichtet. Zur Nennung des Antragstellers in eben diesem Verfassungsschutzbericht und der dazugehörigen Pressemitteilung sei der Antragsgegner befugt gewesen. Er habe nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller dem Beobachtungsobjekt der „Salafistischen Bestrebungen“ zuzurechnen sei, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sei. So lägen beispielsweise Erkenntnisse darüber vor, dass der Antragsteller sowie sein Präsident und Vorstandsvorsitzender in den sozialen Medien ihre salafistische Ideologie verbreiteten und seit langem weitreichende Verbindungen zum salafistischen Milieu hätten. Auch die personelle Struktur des Antragstellers sei im salafistischen Spektrum zu verorten. Sein politisches Engagement und seine Missionstätigkeit zielten auf eine Polarisierung der Öffentlichkeit ab. Zudem vertrete der Antragsteller ein problematisches Verständnis von Scharia-Schiedsgerichten. Es sei zudem belegbar, dass der Präsident des Antragstellers bereits im Jahr 2013 regelmäßiger Teilnehmer der Freitagsgebete in der bekannten salafistischen Moschee der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e.V. in Braunschweig gewesen sei. Schließlich habe der Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt Videos und Live-Streams veröffentlicht, die eine starke Verbindung zu anderen Personen und Organisationen des salafistischen Milieus aufzeigten. Nach Ansicht des VG Hannover überwiege das öffentliche Interesse an einer umfassenden Information der Öffentlichkeit über die Betätigungsfelder einer als extremistisch eingestuften Bestrebung – hier des Salafismus – gegenüber dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Religionsfreiheit des Antragstellers.

Den Beteiligten steht das Rechtsmittel der Beschwerde zum OVG Lüneburg zu.