Der Europäische Gerichtshof hat am 16.09.2021 zum Aktenzeichen C-341/20 entschieden, dass Italien dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen hat, dass es Kraftstoffe, die für private, von den Endnutzern zu nichtgewerblichen Zwecken gecharterte und genutzte Freizeitwasserfahrzeuge verwendet werden, von der Verbrauchsteuer befreit hat. Der Umstand, dass die Vercharterung eines Wasserfahrzeugs für die Person, die dieses Fahrzeug einem anderen zur Verfügung stellt, eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, rechtfertigt die in Rede stehende Steuerbefreiung nicht.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 157/2021 vom 16.09.2021 ergibt sich:
Der Chartervertrag für ein Wasserfahrzeug ist ein Vertrag, mit dem der Vercharterer dieses Wasserfahrzeug gegen einen Preis (die Charter) einem Benutzer (dem Charterer) zur Verfügung stellt, der es für seine Bedürfnisse nutzt. In Italien stellt die Vercharterung eine gewerbliche Tätigkeit des Vercharterers dar. Demgegenüber kann der Charterer das Wasserfahrzeug zu gewerblichen Zwecken (beispielsweise für die entgeltliche Personenbeförderung) oder zu privaten Freizeitzwecken nutzen.
Im Jahr 2018 warf die Kommission Italien einen Verstoß gegen die Richtlinie 2003/96 zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51) vor, da dieser Mitgliedstaat die für private Freizeitwasserfahrzeuge, die Gegenstand eines Chartervertrags sind, verwendeten Kraftstoffe von der Verbrauchsteuer befreit, unabhängig davon, wie diese Wasserfahrzeuge von den Charterern genutzt werden. Nach Auffassung der Kommission muss eine solche Befreiung ausgeschlossen sein, wenn der Endnutzer das Wasserfahrzeug zu privaten Freizeitzwecken nutzt. Im Jahr 2020 hat die Kommission, die die Erklärungen Italiens für nicht zufriedenstellend hielt, die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben.
Der EuGH hat mit Urteil vom 16.09.2021 festgestellt, dass Italien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2003/96 verstoßen hat, dass es die Vergünstigung einer Befreiung von der Verbrauchsteuer für Kraftstoffe gewährt hat, die für private Freizeitwasserfahrzeuge verwendet werden, wenn diese Wasserfahrzeuge, unabhängig von der Art ihrer tatsächlichen Nutzung, Gegenstand eines Chartervertrags sind.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie 2003/96 das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts fördern soll, indem sie die Höhe der von den Mitgliedstaaten angewandten Besteuerung harmonisiert. Folglich müssen die Bestimmungen der Richtlinie über die Steuerbefreiungen gestützt auf ihren Wortlaut sowie die von der Richtlinie verfolgten Ziele autonom ausgelegt werden.
Der Gerichtshof unterstreicht, dass die Richtlinie Energieerzeugnisse in Abhängigkeit von ihrer tatsächlichen Verwendung besteuern soll. Zu diesem Zweck knüpft die Steuerbefreiung an den Tatbestand an, dass Energieerzeugnisse als Kraftstoff in der Schifffahrt auf den Unionsgewässern zu gewerblichen Zwecken verwendet werden, also daran, dass ein Wasserfahrzeug unmittelbar für eine entgeltliche Dienstleistung (beispielsweise eine Beförderungsdienstleistung) genutzt wird.
Der Gerichtshof schließt daraus, dass die Gewährung oder Versagung der Steuerbefreiung von der Art abhängig sind, in der das Wasserfahrzeug vom Endnutzer (also im Fall einer Vercharterung: durch den Charterer) verwendet wird, also davon, dass dieses Fahrzeug zu gewerblichen Zwecken (Gewährung) oder zu anderen als gewerblichen Zwecken (Versagung) genutzt wird. Der Umstand, dass die Vercharterung eines Wasserfahrzeugs für den Vercharterer eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, ist für die in Rede stehende Steuerbefreiung nicht relevant.
Der Gerichtshof stellt die gleichen Erwägungen für andere Vertragstypen an, wie die Miete oder die gelegentliche Vercharterung: Allein die Natur (gewerblich oder private Freizeit) der Tätigkeit des Endnutzers des Wasserfahrzeugs bestimmt, ob eine Befreiung gewährt oder versagt wird. Die italienischen Rechtsvorschriften, die den Standpunkt des Vercharterers einnehmen, ohne die Modalitäten der Nutzung des Wasserfahrzeugs durch den Charterer angemessen zu berücksichtigen, stehen daher in Widerspruch zu der Richtlinie1.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der Umstand, dass die Vercharterung neben der Zurverfügungstellung des Wasserfahrzeugs die einer Crew umfassen kann und dass der Vercharterer damit die Herrschaft über die technische und nautische Führung des Wasserfahrzeugs behält, nicht in Frage stellen kann, dass der Charterer vertraglich derjenige bleibt, der die Nutzung des gecharterten Wasserfahrzeugs bestimmt, mit der Folge, dass es die Natur dieser Nutzung ist, nach der sich bestimmt, ob die Vergünstigung der Befreiung von der Verbrauchsteuer gewährt wird.
Der Gerichtshof stellt klar, dass es förmlich als Charterverträge eingestufte Vertragsbeziehungen gibt, die die Erbringung eines Bündels von anderen Dienstleistungen als Leistungen der Schifffahrt umfassen und die mit denen vergleichbar sind, die Passagieren eines Kreuzfahrtschiffes angeboten werden, die der „Charterer“ tatsächlich nur als beförderte Person in Anspruch nimmt, ohne dass er in irgendeiner Weise die Nutzung des Wasserfahrzeugs bestimmen könnte. In diesem Fall könnte angenommen werden, dass das Wasserfahrzeug – für die Zwecke der Gewährung der in Rede stehenden Befreiung – zu gewerblichen Zwecken genutzt wird.
1 Im Fall einer gelegentlichen Vercharterung, die nach italienischem Recht für den Vercharterer keine gewerbliche Tätigkeit darstellt, sowie im Fall der Vermietung versagt Italien die Befreiung, unabhängig davon, ob der Charterer oder der Mieter das gecharterte oder gemietete Wasserfahrzeug nutzen können, um Dienstleistungen gegen Entgelt, z. B. die Vermarktung von Kreuzfahrten, zu erbringen. Diese Herangehensweise ist mit der Richtlinie 2003/96 ebenfalls nicht vereinbar.