Das Verwaltungsgericht Weimar hat am 01.05.2021 zum Aktenzeichen 1 E 631/21 We entschieden, dass das Verbot einer Versammlung am 01.05.2021 in Weimar unter dem Motto: „Wir Gedenken der Grund- und Menschenrechte, die im April 2021 in Weimar beerdigt worden sind“ aufrechterhalten bleibt.
Aus der Pressemitteilung des VG Weimar Nr. 3/2021 vom 01.05.2021 ergibt sich:
Der Antragsteller hat sich mit seinem am 30.04.2021 beim Verwaltungsgericht Weimar eingegangenen Antrag gegen eine Verfügung der Stadt Weimar vom gleichen Tag gewandt, mit der diese eine für den 01.05.2021 für 14.00 Uhr bis 14.30 Uhr angemeldete Versammlung vor dem Amtsgericht Weimar mit 50 Teilnehmern untersagt hatte.
Das Gericht führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass sich die Verbotsverfügung im Rahmen des Eilverfahrens voraussichtlich als rechtmäßig erweise und mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar sei, so dass in der Folge die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfalle.
Gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG könne die Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet sei. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse den Schutz zentraler Rechtsgüter wie u. a. Leben und Gesundheit des Einzelnen. Demnach könnten versammlungsbeschränkende Maßnahmen – unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – grundsätzlich auch zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren ergriffen werden, wobei Versammlungsverbote nur verhängt werden dürften, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stünden. Außerdem müssten im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung ergebe.
Das Gericht geht insoweit auch aktuell von einer sehr hohen Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung durch die Atemwegserkrankung COVID-19 (SARS-CoV-2) aus. Es folgt hierbei der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, dem bei der Beurteilung des Infektionsgeschehens hinsichtlich übertragbarer Krankheiten eine zentrale Stellung zukomme. In seiner aktuellen Risikobewertung aufgrund des Lageberichts vom 30.04.2021 schätze das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Inzidenz der letzten 7 Tage liege deutschlandweit aktuell bei 153,4 Fällen pro 100.000 Einwohner, wobei in Thüringen die 7-Tage-Inzidenz zum Stichtag 30. April 2021 bei 210 liege und damit bundesweit am höchsten sei. Hauptübertragungsweg sei die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel. Die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme sei grundsätzlich im Umkreis von 1 bis 2 m um eine infizierte Person herum erhöht, wobei eine Maske das Übertragungsrisiko reduzieren könne. Hinzu komme, dass mittlerweile auch in Deutschland Mutationen des SARS-Virus aufgetreten seien, bezüglich derer zumindest eine höhere Übertragbarkeit anzunehmen sei. Es sei daher nachvollziehbar, dass auch bei gesunkenen Neuinfektionszahlen aufgrund der Mutationsverbreitungen nach wie vor eine sehr hohe Gefährdung der Gesamtbevölkerung bestehe. Soweit der Antragsteller sich auf neuere Erkenntnisse der Aerosolforschung berufe, wonach von Veranstaltungen unter freiem Himmel nur ein sehr geringes Infektionsrisiko ausgehe, sei dem zu entgegnen, dass auch nach den Erkenntnissen der Gesellschaft für Aerosolforschung die Gefahr der Verbreitung des Corona-Virus im Freien im Hinblick auf die nicht auszuschließende Gefahr von Tröpfcheninfektionen keinesfalls zu vernachlässigen sei.
Nach Auffassung des Gerichts sei es daher dringend geboten, im Rahmen von größeren Menschenansammlungen, wo ein erhöhtes Übertragungsrisiko bestehe, die Übertragung des SARS-CoV-2-Virus weitgehend zu verhindern bzw. einzudämmen, soweit dies die Versammlungsfreiheit zulasse. Um die Leistungsfähigkeit des derzeit bereits stark beanspruchten Gesundheitswesens auch weiterhin zu erhalten, sei die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gekommen, dass von dem Versammlungsgeschehen am Amtsgericht Weimar voraussichtlich infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbare Gefahren für eine Vielzahl von Menschen (Versammlungsteilnehmer, Polizeibeamte und Passanten) ausgingen, welche nicht durch versammlungsrechtliche Beschränkungen als mildere Mittel weitgehend behoben werden könnten.
Dabei teilt das Gericht die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die hier angemeldete Versammlung – die zwar für sich gesehen den Anforderungen des § 14 ThürSARS-CoV-2-IFS-MaßnVO entsprechen könnte – nicht isoliert von den beiden anderen, zeitlich nachfolgenden Versammlungsanmeldungen vor dem Amtsgericht Weimar betrachtet werden könne; es sich vielmehr im Hinblick auf die zeitliche Abfolge, die gleichartigen Themen, den angesprochenen Teilnehmerkreis und die Art der Bewerbung der Versammlung um ein einheitliches Versammlungsgeschehen handele. Hinzu komme, dass nach dem Verbot einer in München geplanten Großdemonstration der Querdenker am selben Tag explizit zur Teilnahme in Weimar aufgerufen worden sei und führende Persönlichkeiten der Bewegung das Versammlungsgeschehen in Weimar bundesweit beworben hätten. Es liege damit auch angesichts der gewonnen Erfahrungen aus mehreren Großdemonstrationen der „Querdenker“ in den vergangenen Monaten nahe, dass der Antragsteller bzw. die „Querdenker“-Bewegung in der Lage seien, Teilnehmer in einem Umfang zu mobilisieren, der die zulässige Anzahl an Versammlungsteilnehmern nach § 14 ThürSARS-CoV-2-IFS-MaßnVO weit übersteige. Hinzu komme, dass die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Hygienemaßnahmen – wie zahlreiche Erfahrungen aus der Vergangenheit belegten – nicht gewährleistet sei.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.