Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am 27.05.2020 zum Aktenzeichen 6 LP 287/19 entschieden, dass dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Entscheidung zusteht, ob der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes Bremerhaven die Führung der Dienstgeschäfte verboten wird.
Aus der Pressemitteilung des OVG Bremen vom 28.05.2020 ergibt sich:
Gegen die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes Bremerhaven wurde straf- und disziplinarrechtlich ermittelt, weil sie an ihre Mitarbeiter adressierte Briefe geöffnet haben soll. Das Strafverfahren wurde inzwischen gegen eine Geldauflage vorläufig eingestellt; das Disziplinarverfahren läuft noch. Am 03.08.2017 beantragte der Personalrat Allgemeine Verwaltungsdienste beim Magistrat Bremerhaven unter anderem, der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes die Führung der Dienstgeschäfte vorläufig zu verbieten. Diese habe aufgrund der Vorwürfe, die Gegenstand des Straf- und Disziplinarverfahrens sind, sowie anderer Vorkommnisse das Vertrauen ihrer Mitarbeiter verloren. Der Magistrat beteiligte zunächst die Stadtverordnetenversammlung, die sich am 31.08.2017 gegen die vom Personalrat geforderten Maßnahmen aussprach. Daraufhin lehnte der Magistrat am 22.09.2017 den Antrag des Personalrats ab. Der Personalrat verlangte vom Magistrat nun die Einberufung einer sog. „Einigungsstelle“. Eine Einigungsstelle besteht aus je drei vom Personalrat und drei vom Magistrat benannten Mitgliedern sowie einem von beiden Seiten gemeinsam ernannten unparteiischen Vorsitzenden. Sie entscheidet, wenn sich Personalrat und Dienststellenleitung über eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme nicht einigen können. Der Magistrat lehnte die Bildung der Einigungsstelle ab. Er ist der Auffassung, dass ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes nicht der Mitbestimmung unterliege. Der Personalrat könne nur bei solchen Maßnahmen mitbestimmen, über die der Magistrat als Dienststellenleitung bestimmen könne. Der Magistrat könne aber der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes die Führung der Dienstgeschäfte nicht verbieten, da Bedienstete des Rechnungsprüfungsamtes nach § 72 Abs. 2 der Stadtverfassung Bremerhaven nur auf Vorschlag der Stadtverordnetenversammlung „bestellt, befördert und entlassen“ werden könnten. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stehe der „Entlassung“ gleich, weil es ebenfalls die weitere Tätigkeit der Beamtin im Rechnungsprüfungsamt unterbinde.
Das vom Personalrat angerufene VG Bremen gab dem Magistrat mit Beschluss vom 27.09.2019 Recht.
Das OVG Bremen hat auf die Beschwerde des Personalrats diesen Beschluss abgeändert und festgestellt, dass dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes zusteht.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist der Magistrat ohne Bindung an die Stadtverordnetenversammlung befugt, über ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu entscheiden. Daher könne der Personalrat bei dieser Entscheidung auch mitbestimmen und bei fehlender Einigung die Einberufung einer Einigungsstelle verlangen. Ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stehe einer „Entlassung„, die nach § 72 Abs. 2 der Stadtverfassung nur auf Vorschlag der Stadtverordnetenversammlung zulässig ist, nicht gleich, denn es handle sich nur um eine vorläufige und vorübergehende Maßnahme. Im Übrigen sei § 72 Abs. 2 der Stadtverfassung auch unwirksam. Die Entscheidungsbefugnis über die Entlassung bzw. ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stehe nach dem Bremischen Beamtengesetz bezüglich aller Beamter der Stadt Bremerhaven dem Magistrat bzw. dem Oberbürgermeister zu. Eine diesbezügliche Sonderstellung der im Rechnungsprüfungsamt tätigen Beamten könne nicht in der Stadtverfassung geregelt werden, sondern nur in einem Landesgesetz. Solche Regelungen enthalte das Bremische Beamtengesetz z.B. für Beamte bei der Bürgerschaft oder Mitglieder des Landesrechnungshofs, nicht aber für die Beamten im Rechnungsprüfungsamt Bremerhaven.
Das Gericht hatte nicht darüber zu entscheiden, ob ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes ausgesprochen wird. Dies muss nun im weiteren Mitbestimmungsverfahren die Einigungsstelle prüfen.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG zu erheben.