Die EU-Kommission will mit einer am 02.12.2020 vorgelegten Strategie die Einhaltung der Grundrechtecharte in der EU verbessern.
Aus EU-Aktuell vom 02.12.2020 ergibt sich:
Dazu gehört ein jährlicher Bericht, in dem die Kommission ab 2021 jährlich untersuchen will, wie die Mitgliedstaaten die Charta anwenden. Der Schwerpunkt des Charta-Berichts 2021 wird auf Grundrechten im digitalen Zeitalter liegen. In den Mitgliedstaaten soll es künftig eine Charta-Kontaktstelle geben. „Vor 20 Jahren wurde die EU-Grundrechtecharta erstmals proklamiert. Sie verkörpert die Werte unserer Union“, sagte Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz. „Die Charta hat den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge. Ich möchte, dass die Menschen wissen, an wen und wohin sie sich wenden können, wenn ihre Rechte verletzt werden.“
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags im Dezember 2009 rechtsverbindlich. Grundrechte können jedoch nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Mit der neuen Strategie bekräftigt die Kommission ihr Engagement, dafür Sorge zu tragen, dass die Charta vollumfänglich Anwendung findet.
Die Strategie ergänzt den Europäischen Aktionsplan für Demokratie und den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit, die zusammen den umfassenden Ansatz der Kommission für die Förderung und den Schutz der Grundwerte veranschaulichen.
Die Strategie konzentriert sich auf vier Handlungsschwerpunkte und legt die Richtung für die Umsetzung der Charta für die nächsten zehn Jahre fest:
- Wirksame Anwendung durch die Mitgliedstaaten: Die Charta ist für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Recht bindend. Die Kommission wird eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und ist bereit, sie im Dialog bei der wirksamen Umsetzung des EU-Rechts unter uneingeschränkter Achtung der Charta zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten werden ersucht, eine Charta-Kontaktstelle einzurichten, um die Koordinierung und den Informationsaustausch zu erleichtern. Ab 2021 wird die Kommission jährlich über die Charta berichten und sich eingehender damit befassen, wie die Mitgliedstaaten sie in bestimmten Bereichen anwenden. Der Schwerpunkt des Charta-Berichts 2021 wird auf Grundrechten im digitalen Zeitalter liegen.
- Stärkere Rolle der Zivilgesellschaft: Die Kommission wird nationale Maßnahmen, die sich auf die Tätigkeiten der Zivilgesellschaft auswirken und gegen EU-Recht verstoßen, genau beobachten und dagegen vorgehen. Einige Mitgliedstaaten verfügen immer noch nicht über voll funktionsfähige nationale Menschenrechtsinstitutionen, die ein wichtiges Bindeglied zwischen Regierung und Zivilgesellschaft darstellen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, solche Institutionen einzurichten und sicherzustellen, dass sie über die Mittel verfügen, um völlig unabhängig zu arbeiten. Die Kommission wird auch Schulungen im Zusammenhang mit der Charta für Richter, andere Angehörige der Rechtsberufe und Rechtsverteidigern fördern.
- Die Charta als Richtschnur für die EU-Organe: Die EU-Organe müssen die Charta bei allen ihren Handlungen einhalten. Die Kommission wird ihre internen Kapazitäten zur Einhaltung der Charta stärken, u.a. durch E-Learning, aktualisierte Leitlinien für das Personal und Fortbildungspläne. Die Kommission ist bereit, das Europäische Parlament und den Rat dabei zu unterstützen, die Charta bei ihrer Arbeit wirksam anzuwenden.
- Sensibilisierung der Menschen: Laut einer kürzlich erfolgten Eurobarometer-Umfrage wollen sechs von zehn Befragten mehr über ihre Rechte sowie darüber erfahren, an wen sie sich bei Verletzungen ihrer Rechte aus der Charta wenden können. Die Kommission wird eine Informationskampagne über die Charta starten, bei der das Programm Erasmus+ genutzt wird, um jüngere Menschen zu sensibilisieren. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, eigene Initiativen zur Sensibilisierung zu entwickeln.
Nächste Schritte
Da die Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle bei der Umsetzung dieser Strategie spielen, fordert die Kommission den Rat auf, Schlussfolgerungen mit Folgemaßnahmen vorzubereiten.
2025 wird die Kommission über die Umsetzung dieser Strategie berichten.
Hintergrund
Dem Grundrechtebericht 2020 und 2019 der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ist zu entnehmen, dass es in den Mitgliedstaaten nach wie vor keine nationalen Strategien zur Sensibilisierung für die Charta und zu deren Umsetzung gibt. Die FRA kommt zu dem Ergebnis, dass Organisationen der Zivilgesellschaft und nationale Menschenrechtsinstitutionen eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die Charta zu einer Realität im Leben der Menschen wird, doch sind diese Organisationen nicht ausreichend über die Charta und ihren Anwendungsbereich informiert.
Die Kommission arbeitet mit Behörden auf nationaler, lokaler und europäischer Ebene zusammen, um die Menschen besser über ihre Grundrechte aufzuklären und sie darüber zu informieren, wo sie Hilfe finden können, wenn ihre Rechte verletzt wurden. Praktische Informationen sind über das Europäische Justizportal verfügbar.
In Vorbereitung dieser neuen Strategie führte die Kommission im Rahmen der Charta-Konferenz 2019 eine Eurobarometer-Umfrage zur Charta sowie Konsultationen der Interessenträger durch; außerdem wurden gezielte Fragebögen von der FRA analysiert.