Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16. November 2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 1775/21 entschieden, dass vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ein Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO zu stellen ist.
Zwar dürfte das Landgericht das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben, als es dessen hilfsweise Klageänderung in Form der Änderung des Klagegrundes nicht beschied. Diese Verletzung wurde auch nicht durch den – nicht angegriffenen – Beschluss des Landgerichts vom 20. Juli 2021 über die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers geheilt.
Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Zu den insoweit zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten gehört auch das Stellen eines nicht offensichtlich aussichtslosen Antrags auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO.
Einen derartigen Antrag hätte der Beschwerdeführer hier – gegebenenfalls nach vorheriger Berichtigung des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils gemäß § 320 ZPO – stellen müssen, da das Landgericht seinen Hilfsantrag trotz Eintritts der innerprozessualen Bedingung nicht beschieden hat. Dem steht nicht entgegen, dass eine Urteilslücke im Sinne des § 321 ZPO nicht vorliegt, wenn der Urteilstenor trotz teilweise fehlender Urteilsgründe den gesamten Streitstoff erfasst und das Landgericht die Klage vorliegend „im Übrigen“ abgewiesen hat. Denn der hier betroffene Hilfsantrag wurde weder in Tatbestand oder Urteilsgründen des amtsgerichtlichen Urteils noch in Tatbestand oder Urteilsgründen des angegriffenen Urteils des Landgerichts erwähnt oder behandelt, weshalb eine Auslegung des Tenors des angegriffenen Urteils ergibt, dass der Hilfsantrag nicht beschieden worden ist. Die von dem Beschwerdeführer statt eines Antrags auf Urteilsergänzung erhobene Anhörungsrüge hingegen war, anders als vom Landgericht offenbar vorausgesetzt, nicht statthaft.
Ein Fall der entsprechenden Anwendbarkeit des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, indem das Bundesverfassungsgericht dennoch entscheiden könnte, ist nicht gegeben, da durch die Nichtbescheidung des Hilfsantrags dessen Rechtshängigkeit entfallen ist, weshalb der Beschwerdeführer seinen Anspruch insoweit erneut geltend machen könnte.