Urteil in einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Braunschweig im Zusammenhang mit sog. VW-Dieselaffäre

10. Februar 2022 -

In dem Rechtsstreit eines im Zeitraum von 2005 bis 2007 als Bereichsleiter „Entwicklung Aggregate“ beschäftigten Klägers hat das Arbeitsgericht Braunschweig am 10. Februar 2022 ein Urteil verkündet.

Aus der Pressemitteilung des ArbG Braunschweig vom 10.02.2022 ergibt sich:

Neben der Frage der Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers streiten die Parteien u.a. um damit größtenteils im Zusammenhang stehende Vorruhestandsbezüge, Schadensersatzansprüche, Bonusansprüche und Ansprüche auf Karenzentschädigung, Ruhegeldansprüche und Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs. Die beklagte Arbeitgeberin hat eine auf Schadensersatz gerichtete Feststellungsklage erhoben. Sie wirft dem Kläger vor, die Nutzung einer unerlaubten Abgassoftware einschließlich deren Weiterentwicklung um eine Fahrprofilerkennung in den USA im November 2006 genehmigt zu haben, die Verwendung nicht unterbunden und die Rechtmäßigkeit der Funktion nicht „abgeklärt“ zu haben. Der Kläger macht geltend, er habe den Einsatz der Abgassoftware in seiner damaligen Funktion nicht zu verantworten gehabt; er habe ihn nicht, jedenfalls nicht vorbehaltlos genehmigt und habe zudem seinerzeit von einer zulässigen Softwarefunktion ausgehen dürfen. Die finale Entscheidung über die Verwendung der endgültigen Softwareversion sei erst nach seinem Ausscheiden als Bereichsleiter „Entwicklung Aggregate“ bei der Beklagten durch andere getroffen worden.

Nachdem am 25.01.2022 ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme zum Verlauf und Inhalt einer Besprechung vom 15. November 2006 stattgefunden hatte, hat das Arbeitsgericht Braunschweig der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Das Gericht geht von der Unwirksamkeit der zwischen den Parteien im Streit stehenden Kündigungen aus, insbesondere da sich das Verhalten des Klägers aus der maßgeblichen Sicht im Jahr 2006/2007 nach der Würdigung aller Umstände und dem Ausgang der Beweisaufnahme nicht als Pflichtverletzung darstelle. Dies gelte insgesamt für den Vorwurf, die Verwendung der Abgassoftware mit der Weiterentwicklung um eine Fahrprofilerkennung genehmigt bzw. nicht unterbunden zu haben und die Rechtmäßigkeit der Funktion nicht „abgeklärt“ zu haben.

Aufgrund der festgestellten Unwirksamkeit der Kündigungen hat das Arbeitsgericht auch die vom Kläger für nachfolgende Zeiträume geltend gemachten Zahlungsansprüche, Schadensersatzansprüche für die Vorenthaltung von Geschäftsfahrzeugen und den Anspruch auf Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für begründet erachtet. Karenzentschädigungsansprüche wurden dem Kläger zugesprochen, da die Beklagte nicht auf dessen Einhaltung verzichtet habe und die Ansprüche nicht verfallen sind. Abgewiesen wurde die Klage lediglich im Hinblick auf einen Antrag auf eine Einmalzahlung für das Jahr 2019. Die auf Schadensersatz gerichtete Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht als zulässig aber unbegründet angesehen und daher abgewiesen.