Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 27.10.2020 zum Aktenzeichen 159 C 13380/20 entschieden, dass eine Reisende, die bereits Anfang April 2020 von einer gebuchten Kreuzfahrt, die Anfang Juli 2020 hätte stattfinden sollen, zurückgetreten ist, die vereinbarte Stornogebühr zahlen muss, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen war, dass Anfang Juli die Durchführung der Kreuzfahrt trotz der Corona-Pandemie möglich gewesen wäre.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 50/2020 vom 13.11.2020 ergibt sich:
Die Klägerin buchte am 24.01.2020 für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder bei einer Schweizer Kreuzfahrtveranstalterin (Beklagte) eine Kreuzfahrt zu einem Gesamtpreis von 1.996 Euro und schloss eine Reiserücktrittsversicherung für 168 Euro ab. Die Kreuzfahrt sollte vom 28.06. bis 05.07.2020 von Warnemünde mit Stopps in Stockholm, Tallinn, St. Petersburg und Kopenhagen stattfinden. Die Klägerin zahlte 568 Euro an: 400 Euro auf den Reisepreis und 168 Euro für die Versicherung. Sie trat am 01.04.2020 von dem Pauschalreisevertrag zurück und klagt nun auf Rückerstattung ihrer Anzahlung. Die Klägerin meint, dass bei ihrem Rücktritt bereits absehbar gewesen sei, dass die Kreuzfahrt auf Grund der Corona-Pandemie nicht stattfinden werde. Dies auch, weil die Beklagte nachfolgend am 29.04.2020 ihren Flottenbetrieb bis zum 10.07.2020 eingestellt und die Kreuzfahrt letztendlich nicht stattgefunden habe. Mit Stand 28.03.2020 sei die Einreise nach Russland und Dänemark nicht möglich gewesen. Es habe zudem eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestanden. Die Beklagte erhebt Anspruch auf die vereinbarten Stornogebühren in Höhe von 20% des Reisepreises. Zum Zeitpunkt des Rücktritts sei eben nicht absehbar gewesen, dass die Reise nicht stattfinden könne. Die Reisewarnung habe vorerst nur bis Mitte Juni 2020 gegolten.
Das AG München hat der Beklagten Recht gegeben und die Klage auf Rückerstattung der Reiseanzahlung von 568 Euro bis auf einen Kleinbetrag von 0,80 Euro abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts ist Folge des Rücktritts des Reisenden vor Reisebeginn, dass der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert. Gemäß § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB könne der Reiseveranstalter dann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Dies gelte nach § 651h Abs. 3 BGB aber nicht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigten.
Die Covid-19-Pandemie könne grundsätzlich als solch ein Umstand zu bewerten sein. Allein die Tatsache der Pandemie reiche jedoch nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen. Es sei zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise aus einer ex-ante Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein werde. Spätere Ereignisse könnten die ex-ante Beurteilung nicht nachträglich ändern. Die Höhe des Anspruchs müsse im Zeitpunkt des Rücktritts feststehen. Nach § 651h Abs. 5 BGB sei der Reiseveranstalter verpflichtet, innerhalb von 14 Tagen den Reisepreis zurückzuerstatten. Käme es auf die zukünftige Entwicklung an, könnte ein zunächst nicht begründeter Anspruch im Laufe der Zeit begründet werden. Das könne nicht richtig sein.
Es komme angesichts der Dynamik der Pandemie auf die Umstände des Einzelfalls an. Sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wie die Einreiseverbote nach Dänemark und Russland seien zunächst befristet gewesen. Damit lag im Zeitpunkt des Rücktritts für den Reisezeitraum vom 28.06.2020 bis 05.07.2020 noch keine Reisewarnung vor. Zwar lagen zu dieser Zeit bereits erste Erfahrungen mit Corona-Ausbrüchen auf Kreuzfahrtschiffen vor. Dennoch war Anfang April 2020 nach Auffassung des Amtsgerichts nicht ausgeschlossen, dass drei Monate später mit einem Hygienekonzept und Testungen der Passagiere die Durchführung der Kreuzfahrt möglich gewesen wäre.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte geht das Amtsgericht davon aus, das bei der ex-ante Betrachtung am 01.04.2020 nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass im Reisezeitraum Umstände vorliegen werden, die die Reise erheblich beeinträchtigten. Der frühzeitige Rücktritt der Klägerin spreche vielmehr dafür, dass ihr bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass sie die Kreuzfahrt unter keinen Umständen wahrnehmen möchte. Dies seien aber primär bloße Unwohl- und Angstgefühle, die für eine kostenlose Stornierung gerade nicht ausreichten. Somit war die Klage nur in Höhe der die Stornogebühr übersteigenden 80 Cent begründet.
Das Urteil ist aufgrund zugelassener Berufung noch nicht rechtskräftig.