Der Europäische Gerichtshof hat am 09.03.2021 zum Aktenzeichen C-392/19 entschieden, dass dann, wenn der Urheberrechtsinhaber beschränkende Maßnahmen gegen Framing getroffen oder veranlasst hat, die Einbettung eines Werks in eine Website eines Dritten im Wege dieser Technik eine Zugänglichmachung dieses Werks für ein neues Publikum darstellt.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 36/2021 vom 09.03.2021 ergibt sich:
Für diese öffentliche Wiedergabe muss daher die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegen.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), eine deutsche Stiftung, ist Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek, die eine Online-Plattform für Kultur und Wissen anbietet, die deutsche Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander vernetzt. Diese Bibliothek verlinkt auf ihrer Website digitalisierte Inhalte, die in den Webportalen der zuliefernden Einrichtungen gespeichert sind. Als „digitales Schaufenster“ speichert die Deutsche Digitale Bibliothek selbst nur Vorschaubilder (thumbnails), d. h. verkleinerte Versionen der Bilder in Originalgröße.
Die VG Bild-Kunst, eine Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten an Werken der bildenden Künste in Deutschland, macht den Abschluss eines Lizenzvertrags mit der SPK über die Nutzung ihres Repertoires von Werken in Form von Vorschaubildern davon abhängig, dass in den Vertrag eine Bestimmung aufgenommen wird, wonach sich die SPK verpflichtet, bei der Nutzung der Werke wirksame technische Maßnahmen gegen das Framing der im Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek angezeigten Vorschaubilder dieser Werke durch Dritte durchzuführen. Die Framing-Technik besteht darin, dass eine Internetseite eines Webauftritts in mehrere Rahmen unterteilt wird und in einem dieser Rahmen mittels eines anklickbaren oder eingebetteten Internetlinks (Inline Linking) ein einer anderen Website entstammender Bestandteil angezeigt wird, damit den Nutzern dieses Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Bestandteils verborgen bleibt.
Da die SPK eine solche Vertragsbedingung aus urheberrechtlichen Gründen nicht für angemessen hielt, erhob sie vor den deutschen Gerichten Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der VG Bild-Kunst, die fragliche Lizenz zu erteilen, ohne diese an die Bedingung zu knüpfen, dass Maßnahmen zur Verhinderung von Framing getroffen werden. Die Verwertungsgesellschaften sind nach deutschem Recht verpflichtet, jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen eine Lizenz zur Nutzung der ihnen übertragenen Rechte einzuräumen. Jedoch besteht nach der deutschen Rechtsprechung ausnahmsweise keine Abschlusspflicht der Verwertungsgesellschaft, wenn im Einzelfall eine missbräuchliche Ausnutzung der Monopolstellung auszuscheiden ist und die Verwertungsgesellschaft dem Verlangen auf Einräumung von Nutzungsrechten vorrangige berechtigte Interessen entgegenhalten kann.
Vor diesem Hintergrund ersucht der Bundesgerichtshof (Deutschland) den Gerichtshof um Klärung der Frage, ob dieses Framing als eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29 (ABl. 2001, L 167, 10) anzusehen ist, was es der VG Bild-Kunst erlauben würde, die SPK zur Durchführung dieser Maßnahmen zu verpflichten. Nach Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten.
Die Große Kammer des Gerichtshofs entscheidet, dass die Einbettung urheberrechtlich geschützter und der Öffentlichkeit mit Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts auf einer anderen Website frei zugänglich gemachter Werke in die Website eines Dritten im Wege des Framing eine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die dieser Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat.
Würdigung durch den Gerichtshof
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Änderung der Größe der Werke bei Gelegenheit eines Framings für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, keine Rolle spielt, solange die Originalelemente dieser Werke erkennbar sind.
Sodann führt der Gerichtshof zum einen aus, dass die Framing-Technik eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe darstellt, da damit der angezeigte Gegenstand sämtlichen potenziellen Nutzern einer Website zugänglich gemacht wird. Zum anderen verweist er darauf, dass diese Wiedergabe, da die Framing-Technik nach demselben technischen Verfahren erfolgt wie das bereits zur öffentlichen Wiedergabe des geschützten Werks verwendete Verfahren, nicht die Voraussetzung eines neuen Publikums erfüllt und daher keine „öffentliche“ Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29 darstellt.
Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass dies nur dann gilt, wenn der Zugang zu den betreffenden Werken auf der ursprünglichen Website keinen Beschränkungen unterliegt. In diesem Fall hat der Rechtsinhaber nämlich von Anfang an die Wiedergabe seiner Werke gegenüber sämtlichen Internetnutzern erlaubt.
Hat der Rechtsinhaber im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner Werke dagegen von Anfang an beschränkende Maßnahmen getroffen oder veranlasst, dann hat er der freien öffentlichen Wiedergabe seiner Werke durch Dritte nicht zugestimmt. Vielmehr wollte er die Öffentlichkeit, die Zugang zu seinen Werken hat, auf die Nutzer einer bestimmten Website beschränken.
Der Gerichtshof stellt daher fest, dass, wenn der Urheberrechtsinhaber beschränkende Maßnahmen gegen Framing getroffen oder veranlasst hat, die Einbettung eines Werks in eine Website eines Dritten im Wege der Framing-Technik eine „Zugänglichmachung dieses Werks für ein neues Publikum“ darstellt. Diese öffentliche Wiedergabe bedarf daher der Erlaubnis der betreffenden Rechtsinhaber.
Ansonsten würde nämlich eine Regel der Erschöpfung des Rechts der Wiedergabe aufgestellt. Diese Regel nähme dem Urheberrechtsinhaber die Möglichkeit, eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werks zu verlangen. Damit liefe ein solcher Ansatz dem angemessenen Ausgleich zuwider, den es zwischen den Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Rechten am Schutz ihres Rechts am geistigen Eigentum einerseits und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen andererseits im Umfeld der Digitaltechnik zu sichern gilt.
Schließlich stellt der Gerichtshof klar, dass der Urheberrechtsinhaber seine Zustimmung zum Framing nicht auf andere Weise als durch wirksame technische Maßnahmen beschränken kann. Ohne solche Maßnahmen könnte es nämlich schwierig sein, zu überprüfen, ob sich der Rechtsinhaber dem Framing seiner Werke widersetzen wollte.