Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat am 01.07.2020 zum Aktenzeichen 8 C 213/15.N entschieden, dass Sonn- und Feiertagsarbeit in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein, Betrieben des Großhandels mit Erzeugnissen dieser Betriebe sowie in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis grundsätzlich unzulässig ist.
Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 28/2020 vom 01.07.2020 ergibt sich:
Die Antragsteller, eine Gewerkschaft und zwei evangelische Dekanate, wandten sich mit ihren Normenkontrollanträgen direkt gegen die entsprechenden Bestimmungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung (im Folgenden: Verordnung). Die Verordnung regelt, dass abweichend vom generellen Verbot im Arbeitszeitrecht an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein und Betrieben des Großhandels mit Erzeugnissen dieser Betriebe sowie Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betrieben des Großhandels mit diesen Erzeugnissen Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen, soweit die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Die Antragsteller trugen zur Begründung ihres Antrags vor, im Hinblick auf die Regelungen der Bedarfsgewerbeverordnung über die Produktion am Sonntag seien Feststellungen dazu notwendig, ob ein täglicher Bedarf insgesamt oder zeitweilig so ansteige, dass die Befriedigung nur möglich sei, wenn unter Berücksichtigung von Vorproduktion und Lagerung die Produktion auch sonntags erfolge. Die Beweislast hierfür treffe den Antragsgegner, das Land Hessen, als Verordnungsgeber. Das Land vertrat demgegenüber die Ansicht, in der Eis- und Getränkeindustrie stünden den Unternehmen lediglich solche Möglichkeiten zur Befriedigung der Nachfrage in den Spitzenzeiten im Sommer zur Verfügung, die sämtlich nicht Erfolg versprechend seien.
Der VGH Kassel hat dem Normenkontrollantrag stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind die in der angegriffenen Verordnung insoweit enthaltenen Regelungen unwirksam. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sei nicht erforderlich, um tägliche oder an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Jedenfalls diene eine Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nicht zur Vermeidung erheblicher Schäden. Dass die Getränkehersteller in Spitzenzeiten auf eine Produktion rund um die Woche angewiesen seien, um den dann gegebenen erhöhten Bedarf auch zeitversetzt zur Produktion täglich decken zu können, sei dem Vorbringen der Beteiligten nicht zu entnehmen. Insbesondere habe das Land keine Anhaltspunkte für diese Annahme darlegen können.
Die von den Beteiligten in diesem Zusammenhang genannten Abweichungen der Produktionsmengen von Getränken über das Jahr ließen nicht auf Nachfragespitzen schließen, die nur durch Sonn- und Feiertagsarbeit befriedigt werden könnten. Auch eine Ausnahme vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit in Betrieben des Großhandels, die die Erzeugnisse der Brauereien sowie der Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein vertreiben, zur Auslieferung an die Kundschaft, sei nicht erforderlich zur Abwehr eines erheblichen Schadens.
Dass eine Belieferung von Großhandelskunden an Sonn- und Feiertagen über den Ausgleich von Fehldispositionen hinaus erforderlich wäre, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und so einen erheblichen Schaden zu vermeiden, sei dem Vorbringen der Beteiligten nicht zu entnehmen und auch nicht wahrscheinlich. Denn die Belieferung von Kunden durch den Getränkegroßhandel sei bis Samstag Nacht um 23.59 Uhr zulässig.
Ferner sei auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Fabriken zur Roh- und Speiseeisherstellung und in Betrieben des Großhandels, die deren Erzeugnisse vertreiben, an Sonn- und Feiertagen nicht notwendig zur Vermeidung eines erheblichen Schadens.
Da diese Erzeugnisse eine mehrmonatige Haltbarkeit hätten und die ganz überwiegende Mehrheit der Haushalte, Gaststätten und sonstigen Verkaufsstellen über Gefrierschränke und -truhen verfüge, könnten sowohl Privatpersonen als auch gewerbliche Anbieter grundsätzlich ihren täglichen Bedarf durch Vorratshaltung befriedigen. Für die Produzenten bestehe aufgrund der langen Haltbarkeit durch Optimierung der Lagerhaltung eine Möglichkeit, für Spitzenzeiten Vorsorge zu treffen.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das BVerwG zu entscheiden hätte.