Das Thüringer Landessozialgericht in Erfurt hat am 25.11.2021 zum Aktenzeichen L 7 AS 623/17 entschieden, dass das Jobcenter der Stadt Jena die Unterkunftskosten für die Jahre 2014 und 2015 nicht in dem erforderlichen Umfang zu Grunde gelegt hat.
Aus der Pressemitteilung des LSG Erfurt Nr. 2/22 vom 03.03 2022 ergibt sich:
In verschiedenen Verfahren der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II war über die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung in den Jahren 2014 und 2015 zu entscheiden. Das Jobcenter der Stadt Jena berücksichtigte bei den Leistungsberechtigten statt der von diesen geschuldeten tatsächlichen Kaltmiete lediglich die aus Sicht des Jobcenters für einen Ein-Personenhaushalt in der Stadt Jena angemessenen Kosten. Das Jobcenter stützte sich dabei auf einen Methodenbericht der Firma F + B. GmbH zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII auf Basis des qualifizierten Jenaer Mietspiegels 2013. Die Werte dieses Konzeptes galten für den Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 und sahen als maximal angemessene Bruttokaltmiete für eine Person einen Wert von 295,00 € monatlich vor.
Vor dem SG Altenburg hatte die Klage auf höhere Kosten der Unterkunft teilweise und vor dem Thüringer Landessozialgericht in vollem Umfang Erfolg.
Der 7. Senat des Thüringer Landessozialgerichts hat auf die Berufung des Klägers das Jobcenter verpflichtet, für den klagegegenständlichen Zeitraum Juni bis November 2014 weitere 68,00 € monatlich zu zahlen.
Nach Auffassung des Senats entspricht das von dem Jobcenter zur Bemessung der Angemessenheitsgrenze für die Stadt Jena herangezogene Konzept nicht den gesetzlichen Vorgaben unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendung anerkannt, soweit diese angemessen sind. Nach den Bestimmungen des Freistaats Thüringen in der Richtlinie für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus in den Jahren 2013 bis 2015 ist für einen Ein-Personenhaushalt eine angemessene Wohnungsgröße von 45 qm zu Grunde zu legen. Zu Recht hat das beklagte Jobcenter anschließend die gesamte Stadt Jena als Vergleichsraum gewählt. Die Stadt Jena bildet einen homogenen Lebensraum, der nach Auffassung des Senats keine Besonderheiten aufweist, die eine Aufteilung in verschiedene Vergleichsräume rechtfertigen könnten.
Beanstandet hat der Senat, dass die vom Beklagten zur Erstellung des Konzepts erhobenen Daten nicht repräsentativ sind. Repräsentativität der Daten bedeutet in Anlehnung an mietrechtliche Grundsätze, dass sie ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes liefern müssen. Nach den erhobenen Daten sind die sogenannten Großvermieter überrepräsentiert. Von den auf Vermieterseite erhobenen Daten stammten 98,4 % von Großvermietern. Dieses Ungleichgewicht wurde durch die Datenerhebung auf Mieterseite nicht ausgeglichen. Da der Wohnungsmarkt in Jena im maßgeblichen Zeitraum nicht deutlich überwiegend oder nahezu ausschließlich durch Großvermieter geprägt wurde, war es zur repräsentativen Abbildung des Wohnungsmarktes erforderlich, auch ausreichend Daten von kleineren Vermietern in die Erhebung einzubeziehen. Diese Voraussetzung war hier nicht gegeben. Da anderweitige repräsentative Daten, auf deren Grundlage eine Angemessenheitsgrenze festgesetzt werden könnte, nicht vorlagen und mit vertretbarem Aufwand auch nicht mehr beschafft werden konnten, hat der Senat das Jobcenter zur Übernahme von höheren Unterkunftskosten des Klägers verurteilt. Aufgrund des Erkenntnisausfalls war es erforderlich, auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % zurückzugreifen. Danach ergab sich eine maximale Bruttokaltmiete für einen Ein-Personenhaushalt von 363,00 €. Da das beklagte Jobcenter lediglich eine Bruttokaltmiete von 295,00 € übernommen hatte, war dem Kläger ein Anspruch auf weitere 68,00 € monatlich zuzubilligen.
Die Entscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG angefochten werden.