Das Oberlandesgericht Köln hat am 06.03.2020 zum Aktenzeichen 11 U 274/19 entschieden, dass ein Autofahrer, der an Karneval nachts einen alkoholisierten Fußgänger angefahren hat, auch dann zu einem Teil haftet, wenn sich der Fußgänger grob fahrlässig verhalten hat und der Autofahrer nicht nachweisen kann, dass er sich selbst wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat.
Aus der Pressemitteilung des OLG Köln Nr. 23/2020 vom 08.05.2020 ergibt sich:
Der Kläger war in der Nacht nach Rosenmontag zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Er trug ein in dunklem Braun gehaltenes Ganzkörperkostüm als Bär. Die Strecke führte ihn entlang einer Bundesstraße, an deren Seite sich ein Fuß- und Radweg befindet. Auf der unbeleuchteten Strecke war eine Geschwindigkeit von 70 km/h zulässig. Wann und wie der mit rund 1,5 Promille alkoholisierte Kläger auf die Fahrbahn der Bundesstraße geriet, konnte nicht geklärt werden. Unklar blieb ebenfalls, ob er die Fahrbahn überqueren oder ein Auto anhalten und „trampen“ wollte. Als er von einem Opel Corsa erfasst wurde, befand er sich nicht am Straßenrand, sondern auf der linken Hälfte der Fahrspur. Er wurde schwer verletzt.
Das LG Bonn hatte entschieden, dass der Kläger zu 75% und die Beklagten – Fahrer und Haftpflichtversicherung des Opel Corsa – zu 25% für die Schäden haften.
Das OLG Köln hat darauf hingewiesen, dass die Haftungsquote der Beklagten mit 25% nicht zu hoch angesetzt worden sei. Daraufhin haben die Beklagten die Berufung zurückgenommen. Die Anschlussberufung des Klägers hat damit ihre Wirkung verloren.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fällt dem Kläger ein ganz erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zur Last. Er habe gegen § 25 Abs. 3 StVO verstoßen, als er sich nachts mitten auf der Fahrbahn befunden habe. Diese enorme Sorglosigkeit des Klägers sei als alkoholbedingte Ausfallerscheinung einzuordnen.
Obwohl der Kläger für die Entstehung des Schadens maßgebliche Ursachen damit grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe, habe sich auch die mit einem KFZ verbundene sog. „Betriebsgefahr“ in geradezu klassischer Weise verwirklicht. Auch gegenüber einem sich grob fahrlässig verhaltenden Fußgänger hafte ein Autofahrer, wenn er sich selbst nicht wie ein „Idealfahrer“ verhalten habe. Von diesem – von den Beklagten zu beweisenden – Umstand könne aber nicht ausgegangen werden. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei erst im letzten Moment vor das Auto getreten und der Unfall vom Fahrer unter keinen Umständen zu verhindern gewesen, sei nicht bewiesen worden. Es sei nicht mehr feststellbar, wann der Kläger die Fahrbahn betreten habe. Auch ein Sachverständiger hätte zur Klärung dieser Frage nichts beitragen können. Angesichts der Verkehrssituation, die bei Nacht und Feuchtigkeit besondere Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert habe, sei eine Mithaftung in Höhe einer Betriebsgefahr von 25% angemessen, zumal alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht gänzlich unwahrscheinlich seien.
Die Beklagten müssen neben einem Viertel der materiellen Schäden auch ein Schmerzensgeld bezahlen, dessen endgültige Höhe in diesem Verfahren noch nicht festgelegt werden musste.