Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Mai 2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 1809/17 entschieden, dass die Umgehung des Rechtsanwalts durch das Gericht zur Verfassungswidrigkeit einer gerichtlichen Entscheidung führt
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung, durch die er zur Zahlung einer Vergütung aus einem Escort-Servicevertrag verurteilt worden ist.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erwirkte zunächst einen Mahnbescheid über die streitige Summe, den das Amtsgericht Hünfeld – zentrales Mahngericht – gegen den Beschwerdeführer erließ. Dieser ließ durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch erheben. Das Verfahren wurde sodann gemäß § 696 Abs. 1 und 2 ZPO an das zuständige Amtsgericht Frankfurt am Main – Zivilabteilung – abgegeben.
Nach dem Eingang der Anspruchsbegründung ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 23. März 2017 an, dass gemäß § 495a ZPO im schriftlichen Verfahren entschieden werde. Den Beschwerdeführer forderte es auf, binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses schriftlich auf die Klage zu erwidern. Es wies darauf hin, dass ohne Einhaltung der gesetzten Frist der Prozess allein deswegen verloren werden könne; bei genügender Klärung des Sachverhalts oder Versäumung der gesetzten Frist könne ohne Bestimmung eines besonderen Verkündungstermins Endurteil nach Aktenlage ergehen. Ferner verfügte das Amtsgericht, dem Beschwerdeführer den Beschluss per Zustellungsurkunde mit einer beglaubigten Abschrift der Anspruchsbegründung zuzustellen. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde dem Beschwerdeführer am 28. März 2017 persönlich an seiner Wohnanschrift durch Einlegung in den Briefkasten, nicht aber dem aus dem Widerspruchsformular ersichtlichen und auch im Aktenausdruck des Mahngerichts aufgenommenen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugestellt. In der Folge reagierte der Beschwerdeführer nicht weiter.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beschwerdeführer durch das angegriffene Urteil vom 26. April 2017, in dessen Rubrum der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aufgeführt war, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO zur Zahlung der im Streit stehenden Summe; die Berufung wurde nicht zugelassen. Der Anspruch folge aus dem schlüssigen und unstreitig gebliebenen klägerischen Vortrag. Eine Klageerwiderung habe der Beschwerdeführer binnen der gesetzten Frist nicht eingereicht, obgleich er auf die möglichen Folgen einer Fristversäumung hingewiesen worden sei.
Obgleich eine Geschäftsstellenbeamtin die erkennende Richterin darauf hinwies, dass der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers erst nach Zustellung des Beschlusses vom 23. März 2017 ins Rubrum aufgenommen und der Beschluss an ihn nicht zugestellt worden sei, verfügte die Geschäftsstelle, zur „Verkündung durch Zustellung“ eine Urteilsabschrift dem Beschwerdeführer zuzustellen. Das Urteil wurde dem Beschwerdeführer daraufhin zu einem unbekannten Zeitpunkt persönlich, nicht jedoch seinem Prozessbevollmächtigten übermittelt.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Mai 2017, welcher mit Schreiben vom 3. Juli 2017 ergänzt worden ist, lehnte der Beschwerdeführer die erkennende Richterin des Amtsgerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, erhob Anhörungsrüge nach § 321a ZPO und beantragte, den Prozess vor dem Amtsgericht fortzuführen, das Endurteil vom 26. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Anspruchsbegründung, der prozessleitende Beschluss des Amtsgerichts sowie das Endurteil seien nicht wirksam zugestellt worden. Sein für den Rechtszug bestellter Prozessbevollmächtigter habe entgegen § 172 Abs. 1 ZPO keinerlei Zustellungen erhalten. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, Einwendungen gegen die Ansprüche der Klägerin geltend zu machen und unter Beweis zu stellen; er habe deren Dienste weder beauftragt noch in Anspruch genommen. Da die erkennende Richterin von der Geschäftsstelle auf die unterbliebene Zustellung an den Prozessbevollmächtigten hingewiesen worden sei, hätte sie die Zustellung des Urteilsentwurfs unterbinden müssen.
Das Befangenheitsgesuch erklärte das Amtsgericht Frankfurt am Main nach Einholung einer dienstlichen Erklärung der erkennenden Richterin mit Beschluss vom 11. Juli 2017 für unbegründet. Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit folgten nicht daraus, dass der Beschluss vom 23. März 2017 dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt worden sei und die erkennende Richterin in Kenntnis dieses Umstands das Urteil, nachdem sie es auf die Geschäftsstelle gebracht habe und es durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bereits zur Zustellung verfügt gewesen sei, in der Akte belassen und nicht mehr eingegriffen habe. Sei das Urteil so in den Geschäftsgang gelangt, dass ohne nachträgliche Entnahme aus der Verfahrensakte eine Veränderung nicht mehr möglich sei, könne auf die Entscheidung kein Einfluss mehr genommen werden.
Die Anhörungsrüge wies das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die erkennende Richterin mit angegriffenem Beschluss vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführer habe seit der persönlichen Zustellung des prozessleitenden Beschlusses bis zum Erlass des Endurteils hinreichend Zeit gehabt, seinen Prozessbevollmächtigten zu unterrichten. Im Übrigen werde auf die Ausführungen des Klägervertreters verwiesen, wonach dieser dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers die Anspruchsbegründung bereits am 7. März 2017 per Fax übersandt habe; der Beschwerdeführer habe bis heute Einwendungen gegen die Ansprüche nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, sondern nur unsubstantiiert mitteilen lassen, er habe die Dienste weder beauftragt noch in Anspruch genommen.
Mit Beschluss vom 9. August 2017 erklärte das Amtsgericht Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde unter Aufhebung seines Beschlusses vom 11. Juli 2017 das Ablehnungsgesuch für begründet.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und eine Verletzung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG, daneben eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ihm sei unter Verstoß gegen § 172 Abs. 1 ZPO eine Klageerwiderung nicht ermöglicht worden. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge verstärke den Verstoß, da die unzuständige Richterin sie – unter Verstoß gegen § 47 Abs. 1 ZPO vor Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung über das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch – unter Hinweis auf die unwirksamen Zustellungen zurückgewiesen habe. Dadurch werde der Kerngehalt des Grundrechts verkannt. Der Beschwerdeführer habe nicht wissen können, dass das Amtsgericht keines der verfahrensrelevanten Schriftstücke an seinen form- und fristgerecht bestellten Prozessbevollmächtigten zugestellt habe; er habe sich darauf verlassen können, dass sein Prozessbevollmächtigter sich um die Führung des Rechtsstreits kümmern werde.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG offensichtlich begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen insbesondere zur Bedeutung einer den Vorgaben von § 172 Abs. 1 ZPO nicht entsprechenden Zustellung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <318 f.>) bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügt. Dem steht der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; BVerfGK 19, 197 <203 f.>) trotz Entscheidung über die Anhörungsrüge durch eine rechtskräftig für unzuständig erkannte Richterin nicht entgegen.
Zwar kann der Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung der Grundsatz der Subsidiarität entgegenstehen, wenn möglicherweise ein Restitutions- oder Nichtigkeitsgrund gegeben ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 1992 – 2 BvR 40/92 -, NJW 1992, S. 1030 <1030 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Februar 1998 – 2 BvR 189/98 -, NVwZ 1998, S. 1174 <1174>; s.a. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 1992 – 2 BvR 799/92 -, BeckRS 1992, 08135, Rn. 1). Gegen ein nicht mehr anfechtbares Urteil, das vor der rechtskräftigen Entscheidung über das bereits gestellte und schließlich erfolgreiche Ablehnungsgesuch ergeht, in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Nichtigkeitsklage zu erheben, ist dabei grundsätzlich trotz der Ungewissheit, die aus dem hierzu bestehenden kontroversen Meinungsstand resultiert, zumutbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 1992 – 2 BvR 799/92 -, BeckRS 1992, 08135, Rn. 1 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 – 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3773>).
Hier erging das angefochtene Endurteil jedoch, bevor das Ablehnungsgesuch gestellt wurde. Eine entsprechende Anwendung auf die vorliegende prozessuale Konstellation oder eine „Nichtigkeitsbeschwerde“ in doppelter Analogie zu § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegen die Entscheidung über die Gehörsrüge (dagegen etwa VGH München, Beschluss vom 8. März 2018 – 10 ZB 18.530 -, BeckRS 2018, 4350, Rn. 2 m.w.N. <zu § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 579 ZPO>) war dem Beschwerdeführer mangels erkennbarer Erfolgsaussicht nicht zumutbar.
Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfGE 67, 39 <41>; 69, 145 <148>; 89, 381 <392>; 101, 106 <129>; stRspr). Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsschutzgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen können, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 86, 133 <144>). Dementsprechend darf das Gericht nur solche Tatsachen verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (vgl. BVerfGE 70, 180 <189>; 101, 106 <129>).
Das Äußerungsrecht ist zudem eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Die Verfahrensbeteiligten müssen sich unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff unterrichten können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 96, 189 <204>). Den Gerichten obliegt zudem die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen (vgl. BVerfGE 36, 85 <88>); es bedarf keines Antrags und es besteht in der Regel keine Erkundigungspflicht des Grundrechtsträgers (vgl. BVerfGE 17, 194 <197>; 50, 381 <385>; 67, 154 <155>).
Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen bleiben muss (vgl. BVerfGE 60, 1 <5>; 67, 208 <211>). Der einfachgesetzlichen Umsetzung des Rechts auf Information dienen insofern die prozessrechtlichen Vorschriften über die Ladung (vgl. BVerfGE 36, 298 <301>) und die Bekanntgabe, insbesondere die Zustellung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <318 f. Rn. 13>). Damit soll sichergestellt werden, dass der Betroffene von für ihn erheblichen Informationen zuverlässig Kenntnis erhält (vgl. BVerfGE 67, 208 <211>).
Soweit das Recht auf Gehör durch einen Rechtsanwalt ausgeübt wird, hat das Gericht ihm gegenüber die Pflichten aus Art. 103 Abs. 1 GG zu erfüllen. Ist ein Rechtsanwalt bestellt, so nimmt er die prozessualen Rechte und Möglichkeiten für den gehörberechtigten Beteiligten wahr. Er ist es dann, den das Gericht auf jeden Fall durchgängig am Verfahren zu beteiligen hat. Wird dies übersehen, so ist grundsätzlich Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <319 Rn. 14>).
So liegt der Fall hier. Der Wortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO lässt keine alternative Zustellung an die Partei zu. Der Prozessbevollmächtigte ist in diesem Fall allein berufener Adressat aller Zustellungen, damit die Prozessführung übersichtlich in einer Hand liegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <319 Rn. 15 m.w.N.>).
Die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor.
Zweifel an der wirksamen Bestellung des Prozessbevollmächtigten im Sinne der § 81, § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestehen im vorliegenden Fall nicht. Denn aus dem Aktenausdruck des hessischen Mahngerichts zum Verfahrensablauf ergibt sich ausdrücklich, dass er als Prozessbevollmächtigter den Widerspruch eingereicht hat, wobei der Ausdruck zum eingereichten Vordruck auch den Passus enthält, dass die „ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert wird“. Das Mahngericht hat ihn entsprechend als Prozessbevollmächtigten in den Aktenausdruck (§ 696 Abs. 2 ZPO) aufgenommen. Das Verfahren war zudem anhängig im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Anhängigkeit im Mahnverfahren tritt bereits mit Einreichung des Mahnbescheids ein. Mit der Abgabe nach § 696 Abs. 1 und 2 ZPO endet das Mahnverfahren. Der beim Abgabegericht aufgetretene Rechtsanwalt bleibt Prozessbevollmächtigter bis zu einer eventuellen Neubestellung eines Rechtsanwalts für das Streitverfahren beim Empfangsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <319 Rn. 18 m.w.N.>). Mit Eingang der Akten (bzw. des Aktenausdrucks) beim Empfangsgericht wird die Sache dort anhängig (§ 696 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 ZPO). Zugleich tritt (im Fall des § 696 Abs. 3 ZPO zeitlich zurückbezogen) Rechtshängigkeit ein.
Zustellungen an die Partei selbst unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind unwirksam beziehungsweise wirkungslos und setzen Fristen nicht in Lauf. Zustellungen an die Partei sind nur noch möglich, wenn das Gesetz sie ausnahmsweise befiehlt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <319 Rn. 19 m.w.N.>). Gemessen hieran waren die Zustellung des Beschlusses vom 23. März 2017, dem die Anspruchsbegründung beigefügt war, sowie die Zustellung des Urteils vom 26. April 2017 unwirksam, da sie dem Beschwerdeführer selbst zugestellt wurden.
Jedenfalls in Bezug auf den Beschluss vom 23. März 2017 wurde der Zustellungsmangel nicht gemäß § 189 ZPO geheilt. Denn die Vorschrift besagt, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln lediglich dann angenommen werden kann, wenn das Dokument der Person , an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte , tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung hätte vorliegend also nur erfolgen können, wenn dem Prozessbevollmächtigten der Beschluss (mit Anspruchsbegründung) sowie das Urteil zugegangen wären. Dies ist hier jedoch lediglich in Bezug auf das Urteil sowie die Anspruchsbegründung, nicht hingegen auf den das Verfahren nach § 495a ZPO anordnenden und die Ausschlussfrist setzenden Beschluss vom 23. März 2017 der Fall.
Zwar ist die (an ein örtlich unzuständiges Gericht gerichtete) Anspruchsbegründung dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 7. März 2017 vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorab per Fax zugeleitet worden. Spätestens bei Rücksendung der Verfahrensakte am 16. Mai 2017 nach Akteneinsicht war dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zudem das Urteil tatsächlich zugegangen. Der die Klageerwiderungsfrist setzende Beschluss des zuständigen Gerichts vom 23. März 2017 war dem Prozessbevollmächtigten jedoch weder innerhalb der gesetzten Frist noch vor Erlass des Urteils vom 26. April 2017 tatsächlich zugegangen, so dass keine Heilung mehr erfolgen konnte. Ein Zugang an die vertretene Partei (wie hier vom Amtsgericht für maßgeblich erachtet) genügt nicht für eine Heilung nach § 189 ZPO (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2016 – 2 BvR 1614/14 -, NJW 2017, S. 318 <319 Rn. 20 m.w.N.>).
In dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mangels wirksamer Zustellung der Anordnung der Entscheidung gemäß § 495a ZPO im schriftlichen Verfahren und der Aufforderung zur schriftlichen Klageerwiderung binnen einer Ausschlussfrist von drei Wochen ab Zugang des Beschlusses keine ausreichende Möglichkeit hatte, sich zum Sachverhalt zu äußern und etwaige Einwendungen vorzubringen, liegt eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.
Zwar stellt nicht jede falsche Handhabung der für das rechtliche Gehör einschlägigen Prozessvorschriften durch den Richter zwingend auch einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar. Bei einer willkürlich fehlerhaften oder jedenfalls offensichtlich unrichtigen Gesetzesanwendung ist dies jedoch der Fall (vgl. BVerfGE 69, 145 <149>; 70, 288 <293>).
Die fehlerhafte Gesetzesanwendung war vorliegend insbesondere deshalb offensichtlich, da der Wortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Erwägung des Amtsgerichts, der Beschwerdeführer habe hinreichend Gelegenheit gehabt, seinen Prozessbevollmächtigten zu unterrichten, ausdrücklich entgegensteht. Auch den Hinweis fehlender Zustellung an den Prozessbevollmächtigten seitens der Geschäftsstelle vor Erlass des Urteils (vgl. zur gewählten „Verkündung durch Zustellung“ als rechtliche Existenzvoraussetzung des Urteils Deppenkemper, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 495a Rn. 49; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 310 Rn. 1, 6 m.w.N.) hat das Amtsgericht nicht zum Anlass genommen, seinen Fehler jedenfalls im Verfahren nach § 321a ZPO zu korrigieren. Somit ist auch von einer objektiv willkürlichen, da nicht mehr verständlichen Gesetzesanwendung des Amtsgerichts auszugehen. Der Beschwerdeführer durfte sich nach Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten und der diesbezüglichen Anzeige an das Gericht darauf verlassen, dass Letzteres § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO beachten und sein Prozessbevollmächtigter von allen relevanten Schriftstücken Kenntnis erhalten würde. Dies gilt erst recht mit Blick auf die vom Amtsgericht gesetzte Frist, die der Präklusion sämtlichen weiteren Vorbringens diente.
Schließlich beruht das angegriffene Urteil auch auf der Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 89, 381 <392 f.>). Die Entscheidungserheblichkeit des Gehörsverstoßes liegt auf der Hand, denn der Beschwerdeführer hat ausdrücklich bestritten, die Klägerin beauftragt oder die Dienste ihres „Hostessservices“ tatsächlich in Anspruch genommen zu haben. Dementsprechend hätte das Amtsgericht die hierzu angebotenen Beweise der Klägerin würdigen müssen.