Das Finanzgericht Stuttgart hat am 24.11.2021 zum Aktenzeichen 14 K 982/20 die Frage verneint, ob eine Trauer- und Hochzeitsrednerin eine ermäßigt zu besteuernde künstlerische Tätigkeit ausübt.
Aus der Pressemitteilung des FG Stuttgart Nr. 1/2022 vom 07.02.2022 ergibt sich:
Die Klägerin meldete nach ihrem theologischen und philosophischen Studium eine selbständige Tätigkeit als Trauerrednerin, Gestalterin von Hochzeitsfeiern sowie von Begrüßungsfeiern für Neugeborene an. Sie verfasste auch Bücher über Trauerreden und die Trauersprache. In ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2017 erklärte sie unter anderem Umsätze aus Trauer- und Hochzeitsreden zum ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % im Wesentlichen mit der Begründung, ihre Reden seien kreativ ausgestaltete individuelle Botschaften. Sie gehe bei jedem Anlass nach persönlichen Gesprächen auf die Bedürfnisse und persönlichen Umstände ein. Sie erstelle Redemanuskripte auch mit eigenen Gedichten und Gedanken. Sie trage ihre Reden vor und passe diese ggf. situationsbedingt spontan an. Ihre Tätigkeit als „ausübende Künstlerin“ unterliege dem ermäßigten Steuersatz. Der Beklagte besteuerte die Umsätze mit dem Regelsteuersatz von 19 %. Seiner Ansicht nach werde historisch gesehen das Tätigkeitsbild eines Trauerredners von Elementen des Brauchtums und der Seelsorge und nicht von der Kunst bestimmt. Während des Klageverfahrens machte die Klägerin detaillierte Angaben zu ihrer Vorgehensweise und der Ausgestaltung ihrer Reden. Sie übersandte Redetexte, Rechnungen und Links zu Videos mit ihren Trauerreden. In der mündlichen Verhandlung trug sie auszugsweise eine Trauerrede vor. Noch in der mündlichen Verhandlung erließ der Beklagte einen zu Gunsten der Klägerin geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2017, da er die entsprechenden Umsätze zu hoch angesetzt habe. Er habe die Bemessungsgrundlage fehlerhaft ermittelt.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, wies die Klage ab. Die Umsätze als Rednerin seien nicht ermäßigt zu besteuern. Es berücksichtigte jedoch bei den Kosten, dass die Klägerin infolge der Neuberechnung der Bemessungsgrundlage zu 15 % obsiegt habe.
Der 14. Senat führte im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe keine Umsätze aus der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz erzielt. Die jeweiligen Redemanuskripte bzw. die Einräumung von Nutzungsrechten an diesen seien nicht der Hauptzweck der Tätigkeit gewesen. Deren Hauptzweck seien die Erarbeitung einer Rede und deren Vortrag z.B. in einer Trauerfeier sowie bei solchen Aufträgen die Begleitung der Trauernden.
Die Klägerin habe auch keine Umsätze aus Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler erzielt. Zweck der eng auszulegenden Steuerbefreiungsnormen sei, zugunsten der Besucher von kulturellen Veranstaltungen eine Preiserhöhung zu vermeiden. Der Senat teilte die Auffassung des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 23. März 2006 B 3 KR 9/05 R, dass, „jedenfalls dann, wenn der Wortbeitrag bei dem Begräbnis im Vordergrund steht, Trauerredner grundsätzlich nicht als Künstler anzusehen sind“. Er ergänzte, dass es nach dem Wortlaut der Steuerbefreiungsvorschrift auf die „Darbietung“ ankomme und nicht darauf, „ob ein kunstvoller Text vorgetragen wird“. Der Vortrag müsse „mit Theatervorführungen und Konzerten vergleichbar sein“, einen unterhaltenden Charakter haben. Den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin bilde jedoch „nicht die (künstlerische) Form des Vortrags, sondern sein Gegenstand und Inhalt“. Es seien jeweils „Gebrauchsreden“. Es handle sich um Reden anlässlich bestimmter Ereignisse. Bei solchen komme es zu schablonenartigen Wiederholungen anhand eines Redegerüsts. So seien die Reden der Klägerin ähnlich aufgebaut. Bei Trauerreden werde über den Verstorbenen berichtet. Gedichte und eine musikalische Begleitung seien üblich. Die Klägerin äußere „durchaus tiefsinnige“ „Gedanken zum Leben, Sterben und Abschiednehmen“. Doch diese machten die anlassbezogenen Reden nicht zu einer künstlerischen Darbietung. Dies gelte auch für die Hochzeitsreden. Auch bei diesen seien „trotz der etwas höheren Individualität der Reden“ „deutliche Gemeinsamkeiten zu erkennen.“