Das Bundessozialgericht hat am 06.10.2020 zum Aktenzeichen B 2 U 9/19 R entschieden, dass ein verletzender Sprung auf einer Hüpfburg im Rahmen eines FSJ in einer Bildungs- und Ferienstätte ein Arbeitsunfall darstellt.
Aus dem Terminbericht des BSG Nr. 37/20 vom 06.10.2020 ergibt sich:
Die Beteiligten streiten darum, ob der tödliche Verkehrsunfall des Ehemanns der Klägerin ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin ist die Witwe des Verunfallten, der als Produktionsmitarbeiter tätig war. Am 25.06.2014 verließ er während der Schicht bei laufender Maschine vorzeitig seinen Arbeitsplatz, ohne dass hierfür ein Grund ermittelt werden konnte. Der Verstorbene meldete sich auch bei der Arbeitszeiterfassung nicht ab. Er fuhr sodann mit seinem PKW auf der Route seines direkten Heimwegs vom Arbeitsplatz. Später geriet er kurz vor der Abzweigung zu seinem Wohnort mit seinem Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite und stieß mit einem entgegenkommenden LKW zusammen, wobei er verstarb. Vor seinem Fahrtantritt hatte der Ehemann der Klägerin diese entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nicht per SMS über die beginnende Heimfahrt informiert. Die Beklagte lehnte einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Es sei nicht feststellbar, dass der Verstorbene sich beim Unfallereignis auf seinem Weg nach Hause befunden habe. Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht erhoben, mit dem Antrag, ihr unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen Hinterbliebenenleistungen nach §§ 63 ff. SGB VII zu gewähren. Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dresden eingeholt, die Klägerin und Arbeitskollegen des Verstorbenen befragt. Nach Änderung des Klageantrags in einen reinen Feststellungsantrag hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, den Unfall des Verstorbenen als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Verstorbene habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Heimweg befunden. Die darauf gerichtete subjektive Handlungstendenz des Verstorbenen sei nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Beweismittel nach freier richterlicher Überzeugung unter Berücksichtigung der einschlägigen Beweisregeln zu bejahen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Zurücklegen des versicherten Weges müsse im Vollbeweis festgestellt werden. Mit dem hierfür erforderlichen Beweisgrad könne weder aus dem äußeren Verhalten des Verstorbenen noch aus den sonstigen Umständen die notwendige subjektive Handlungstendenz, gerichtet auf Rückkehr in den Privatbereich nach Beendigung der Tätigkeit, abgeleitet werden. Es komme auch keine Beweiserleichterung aufgrund einer typischen Beweisnot in Betracht, da dem Zurücklegen des Weges gerade kein typischer Ablauf der Geschehnisse vorausgegangen sei.
Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Bei nicht mehr aufklärbarer Handlungstendenz treffe die Beklagte die Beweislast dafür, dass der Verstorbene nicht die Handlungstendenz gehabt habe, auf dem versicherten Heimweg vom Ort der Tätigkeit nach Hause zu fahren.
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BSG hat das Landessozialgericht im Ergebnis zu Recht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe keinen versicherten Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten. Allerdings sei die im Revisionsverfahren nunmehr ausschließlich verfolgte Klage auf Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis am 25.06.2014 um einen Arbeitsunfall des Verstorbenen gehandelt habe, bereits unzulässig gewesen. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass für Hinterbliebene eines Versicherten insoweit regelmäßig kein Feststellungsinteresse (§ 55 Abs. 1 SGG) gegeben ist. Die Absicht des Hinterbliebenen, ggf. künftig auf Grundlage eines festzustellenden Arbeitsunfalls Hinterbliebenenleistungen geltend machen zu wollen, stelle kein schutzwürdiges Interesse dar. Denn die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe, sei bei Hinterbliebenen kein eigenständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, sondern nur eine zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung der im Einzelnen genannten Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen gemäß §§ 63 ff. SGB VII. Ein rechtliches Bedürfnis für eine isolierte Vorabentscheidung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls beim Verstorbenen bestehe mithin nicht. Anders sei die Lage beim Versicherten selbst, bei dem zukünftige weitere Ansprüche auf Basis des festgestellten Arbeitsunfalls in Betracht kommen können. Hingegen verbleiben für die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes allein einmalig zu prüfende Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Eintritts des Versicherungsfalls. Diese eigenständigen Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen, deren Voraussetzungen gesondert zu prüfen seien, könnten gerichtlich direkt mit der rechtsschutzintensiveren kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG geltend gemacht werden.
Dessen ungeachtet wäre die Klage aber auch unbegründet gewesen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe keinen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten, als er mit dem entgegenkommenden LKW kollidierte. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sei versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe sich der Verstorbene aber nicht auf einem versicherten Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII befunden. Zwar habe sich der Ehemann der Klägerin objektiv auf der Route seines üblichen Heimwegs von seiner Arbeitsstätte fortbewegt, jedoch habe es an dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit seiner Beschäftigung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) gefehlt. Hierfür sei erforderlich, dass der Verstorbene gerade mit der Handlungstendenz unterwegs war, den Heimweg von der Arbeitsstätte zurückzulegen. Die entsprechende Handlungstendenz des Verstorbenen, gerichtet auf das Zurücklegen des direkten Weges von der Arbeitsstätte in den Privatbereich, müsse zur vollen richterlichen Überzeugung des Tatsachengerichts vorliegen. Nach dem vom Landessozialgericht bindend ermittelten Sachverhalt (§ 163 SGG) sei nicht mehr feststellbar, ob der Verstorbene am Unfalltag den Weg mit der Zwecksetzung zurückgelegt habe, vom Ort der Tätigkeit aus unmittelbar nach Hause (oder an einen dritten Ort mit einer beabsichtigten Aufenthaltsdauer von mindestens zwei Stunden) zu gelangen. Dies gehe zu Lasten der Klägerin.
Das Landessozialgericht habe bei seiner Entscheidung, dass nicht mehr geklärt werden könne, mit welcher Handlungstendenz der Verstorbene unterwegs gewesen sei, auch die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nicht überschritten. Die Handlungstendenz stelle eine innere Tatsache dar, die aufgrund der objektiven Umstände des Einzelfalls nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Tatrichters festgestellt werde. Eine Überprüfung durch das Revisionsgericht sei nur eingeschränkt möglich. Vorliegend habe das Landessozialgericht alle abwägungsrelevanten Indizien in seine Gesamtbeurteilung eingestellt und sei zu dem revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Abwägungsergebnis gelangt, die Handlungstendenz des verstorbenen Ehemanns lasse sich nicht mehr aufklären. Die Ablehnung weiterer Beweiserleichterungen zu Gunsten der Klägerin sei ebenfalls nicht zu beanstanden gewesen, weil gerade kein regelhafter, üblicher Ablauf der Geschehnisse beim Verlassen der Arbeitsstätte vorgelegen habe. Darüber hinaus habe wegen des ungewöhnlichen Geschehensablaufs auch keine Grundlage für eine tatsächliche Vermutung bestanden, dass die Handlungstendenz des Versicherten auf das Zurücklegen eines versicherten Weges i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gerichtet gewesen sei.