Eine bedeutende Umstrukturierung steht der Thyssenkrupp-Stahltochter bevor. Ein „Eckpunktepapier“ für ein „industrielles Zukunftskonzept“ sieht vor, dass die produzierte Stahlmenge reduziert wird. Dies wird die Streichung von tausenden Stellen zur Folge haben, die entweder wegfallen oder ausgelagert werden sollen.
Steel Europe plant, bis zum Jahr 2030 insgesamt 5000 Stellen in Produktion und Verwaltung bei der Stahltochter von Thyssenkrupp zu streichen. Zusätzlich dazu sollen weitere 6000 Arbeitsplätze durch „Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder den Verkauf von Geschäftstätigkeiten“ abgebaut werden. Dies würde insgesamt 11.000 Stellen betreffen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind etwa 27.000 Mitarbeiter für die Thyssenkrupp-Stahlsparte tätig.
Der Vorstand schlägt bereits jetzt vor, den Weiterverarbeitungsstandort Kreuztal-Eichen zu schließen. Diese Umstrukturierungen sind Teil der Pläne der Konzernspitze, den Betriebspunkt für die produzierte Stahlmenge von derzeit 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf künftig 8,7 bis 9 Millionen Tonnen pro Jahr zu senken.
Der Vorstand von Thyssenkrupp hat ein neues „Zukunftskonzept“ vorgestellt, das als Basis für zukünftige Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern sowie für die Erstellung eines neuen Businessplans und eines Sanierungsgutachtens (IDW S6-Gutachten) dienen soll. Vorstandssprecher Dennis Grimm betonte, dass es in den kommenden Jahren unvermeidlich sei, eine große Anzahl von Arbeitsplätzen abzubauen und dass dies für viele Mitarbeiter eine große Herausforderung darstellen werde.
Mit diesen Maßnahmen reagiert das Unternehmen erstmals konkret auf die derzeitige konjunkturelle und strukturelle Schwäche im Stahlgeschäft. Nach einem Streit über die Ausgestaltung des Businessplans hat Konzernchef Miguel López die Führung der Stahltochter neu organisiert, indem er den bisherigen Stahlchef Bernhard Osburg durch den bisherigen Chief Transformation Officer Dennis Grimm ersetzte. Auch der bisherige Stahl-Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel trat zurück und wurde durch Thyssenkrupp-Vorständin Ilse Henne ersetzt, die zudem die Sparte Material Services leitet.
In Anbetracht der sich verfestigenden fundamentalen und strukturellen Veränderungen auf dem europäischen Stahlmarkt sind die vorgeschlagenen Maßnahmen laut einer Pressemitteilung von Thyssenkrupp notwendig, um ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau zu erreichen. Die Holding EPCG des tschechischen Investors Daniel Kretinsky unterstützt das Konzept, nachdem Kretinsky in diesem Jahr mit einem 20-prozentigen Anteil bei Thyssenkrupp Steel Europe eingestiegen ist. Das langfristige Ziel des Konzerns ist es, mit dem Tschechen ein 50:50-Joint Venture zu bilden. In der vergangenen Woche haben vor allem Abschreibungen beim Stahl den Gesamtkonzern zu einem Verlust von 1,5 Milliarden Euro im Jahresergebnis geführt.
Thyssenkrupp Steel bekräftigt in einer aktuellen Pressemitteilung, dass der Bau der geplanten Direktreduktionsanlage im Werk in Duisburg weiterhin auf dem Plan steht. Zuvor waren Bedenken bezüglich möglicher Kostensteigerungen aufgekommen, die das Projekt in Frage gestellt hatten. Die Anlage, zusammen mit den Einschmelzanlagen, wird voraussichtlich über drei Milliarden Euro kosten. Das Projekt wird vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen mit insgesamt zwei Milliarden Euro gefördert.
In der Pressemitteilung wird betont, dass konstruktive Gespräche mit den zuständigen Stellen geführt werden, um die Wirtschaftlichkeit dieses bedeutenden Investitionsprojekts unter den sich schnell verändernden Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dabei wird vermutet, dass Thyssenkrupp höhere finanzielle Unterstützung vom Wirtschafts- und Klimaministerium unter Robert Habeck benötigt, insbesondere aufgrund verzögerter und vermutlich teurerer Wasserstofflieferungen, die für den Betrieb der Anlage notwendig sind.
Die Pläne zum Abbau von Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp Steel stoßen auf massive Kritik seitens der Arbeitnehmervertreter. Jürgen Kerner, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der thyssenkrupp AG und zweite Vorsitzende der IG Metall, warnt seit Monaten davor, dass zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden, sollte das Konzernmanagement seine Vorstellungen umsetzen. Er kritisiert, dass diejenigen, die zuvor Panikmache vorwarfen, nun genau dies durchsetzen wollen – und sogar noch schlimmere Maßnahmen in Betracht ziehen. Kerner betont, dass die Gewerkschaft und die Betriebsräte sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst sind und keine Illusionen darüber haben.
Der Bezirksleiter der IG Metall NRW, Knut Giesler, äußert sich kritisch zum Vorgehen eines Unternehmens, das plant über 11.000 Beschäftigte abzubauen und einen Standort zu schließen. Er warnt vor dem erbitterten Widerstand der IG Metall und betont, dass betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen nicht akzeptabel sind. Diese roten Linien wurden bereits mehrfach deutlich kommuniziert. Des Weiteren wird in einem Schreiben erwähnt, dass das Unternehmen plant, die Personalkosten um zehn Prozent zu reduzieren, um die Stahlsparte auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Kurz nach der Ankündigung des Stellenabbaus gab der bisherige Personalvorstand Oliver Burkhard bekannt, dass er den Vorstand bis zum 31. Januar 2025 verlassen werde. Er wird jedoch weiterhin als CEO von Thyssenkrupp Marine Systems tätig sein und sich ab Februar ausschließlich auf diese Aufgabe fokussieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Bestrebungen des Konzerns, das Segment Marine Systems zu verselbständigen und an die Börse zu bringen.