Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat sich im Streit um den sofortigen Weiterbau von Nord Stream 2 zunächst durchgesetzt.
Aus der Pressemitteilung der DUH vom 21.05.2021 ergibt sich:
Nachdem die DUH vor das Verwaltungsgericht Hamburg gezogen ist, hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 20.05.2021 die Anordnung zum sofortigen Vollzug der 2. Änderungsgenehmigung für den Bau der Mega-Pipeline aufgehoben. Diese Änderungsgenehmigung hatte den Bau im Zeitraum von Oktober bis Mai erlaubt. Das BSH hatte den Sofortvollzug der Genehmigung erst an diesem Montag (17. Mai 2021) überraschend angeordnet. Nur vier Tage später zog die Bundesbehörde nun die Notbremse.
Trotz des Erfolgs der DUH versucht das BSH dennoch einen Weiterbau der Pipeline zu erzwingen. Die Behörde beruft sich dabei auf die ursprüngliche Genehmigung von Nord Stream 2 aus dem Jahr 2018, die einen Bau der Pipeline grundsätzlich in den Monaten Juni bis September erlaubt. Gebaut werden soll nach Aussage der Nord Stream 2 AG, die in dem Gerichtsverfahren beigeladen war, lediglich ein 2 Kilometer langes Teilstück in deutschen Gewässern. Der größte Teil der Pipeline in deutschen Gewässern bleibt weiterhin unvollendet.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Es ist traurig und peinlich, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hier agiert. Hektisch wird etwas angeordnet, dann zurückgenommen, dann argumentiert, dass alte Genehmigungen jetzt schon wieder gelten. Und es wird deutlich: Alle Schritte geschehen immer zugunsten des Weiterbaus von Nord Stream 2. Eine Bundesbehörde, die eigentlich neutral prüfen und genehmigen soll, liefert beim größten und umstrittensten Gasprojekt des Kontinents übereilte und rechtlich nicht haltbare Schnellschüsse – stets im Sinne eines Gasunternehmens und gegen Klimaschutz und die Interessen der zukünftigen Generationen. Das ist nicht hinnehmbar. Und das werden wir weiter mit allen Mitteln bekämpfen.“
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg konnte das BSH nicht plausibel darstellen, warum ein Weiterbau der Pipeline in deutschen Gewässern zu diesem Zeitpunkt notwendig ist und dafür ein sofortiger Vollzug der strittigen Genehmigung angeordnet werden muss, während das Hauptsacheverfahren dazu noch aussteht. Auch eilig beigebrachte Unterlagen der Nord Stream 2 AG konnten die Zweifel an der Notwendigkeit des Sofortvollzugs nicht ausräumen.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Um eine Niederlage vor Gericht abzuwenden, hat das Bundesamt für Seeschifffahrt schließlich die Anordnung des Sofortvollzugs aufgehoben. Diese Behörde produziert am laufenden Band Chaos. Das zeigt auch die neue Volte, dass mit der alten Genehmigung, die eigentlich einen Zeitraum ab Juni betrifft, nun Verlegearbeiten ab ‚Ende Mai‘ gerechtfertigt werden. Und dieses Ende des Mai wird dann auch noch auf das gesamte letzte Maidrittel ausgedehnt. Warum auch hier so irritierend gehandelt wird, wird klar, wenn man sich anschaut, dass die Nord Stream2 AG offenbar bereits ab morgen mit ihrem Verlegeschiff in deutsche Gewässer möchte. Das zeigt, was wirklich hinter den Kulissen läuft: Wenn die Nord Stream 2 AG etwas beim BSH bestellt, bekommt sie es – egal ob die Begründung passt oder nicht. Auf der Strecke bleiben dabei Klima- und Naturschutz. Mit dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein solches Vorgehen schon gar nicht in Einklang zu bringen.“
Bei Gericht hat die Nord Stream 2 AG erklärt, dass lediglich zwei Kilometer eines einzelnen Strangs der Pipeline, die aus zwei parallelen Strängen besteht, in deutschen Gewässern abgelegt werden. Das Bauschiff Fortuna, das derzeit in dänischen Gewässern arbeitet und sich Richtung deutsche Seegrenze bewegt, wird voraussichtlich am Pfingstsamstag die Grenze der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone erreichen. Es fehlen dann weiterhin mindestens 14 Kilometer beider Stränge der Pipeline in deutschen Gewässern. Die Fortuna soll nach Ablegen der Pipeline dann die Arbeiten in dänischen Gewässern fortsetzen, wo ein weitaus längerer Abschnitt der Pipeline noch fehlt.
Die DUH wird das Hauptsacheverfahren gegen die 2. Änderungsgenehmigung weiter fortsetzen. Zudem prüft die DUH weitere rechtliche Schritte gegen die ursprüngliche Genehmigung, die ab Juni den Weiterbau ermöglicht und die jetzt schon vom BSH angewendet wird. Unklar ist etwa, ob die zahlreichen Nebenbestimmungen erfüllt sind. Insbesondere, weil nun völlig andere Verlegeschiffe mit anderer Technik eingesetzt werden als ursprünglich vorgesehen.