Teilerfolg für A49-Gegner: Zeitliche Beschränkungen der Versammlungen zum Abschiednehmen von Bäumen rechtswidrig

22. Oktober 2020 -

Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschlüssen vom 21.10.2020 zu den Aktenzeichen 4 L 3580/20.GI, 4 L 3583/20.GI und 4 L 3585/20.GI drei Eilanträgen, die sich gegen ein Verbot von Versammlungen im Waldbereich der vorgesehenen Autobahntrasse richten und für den Zeitraum vom 19.10.2020 bis 01.03.2021 angemeldet wurden, teilweise entsprochen.

Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 21.10.2020 ergibt sich:

Der Antragsteller meldete Mitte Oktober 2020 öffentliche Versammlungen unter dem Tenor „Abschied nehmen von Bäumen, die Leben stiften und nun dem toten Beton weichen müssen“ an. Immer dann, wenn es zur Rodung- oder Räumarbeiten kommen soll, war vorgesehen, für geraume Zeit eine Menschenkette um ausgewählte Arbeitsfahrzeuge zu bilden, um die ablehnende Haltung gegen das Vorhaben kundzutun. Das Regierungspräsidium Gießen verbot die Versammlungen auf der Trasse der geplanten Autobahn nebst einem Sicherheitsabstand von insgesamt 120 m sowie auf den bereits gerodeten Flächen. Zur Begründung führte es aus, dass in diesem Bereich bei laufenden Arbeiten eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der sich dort aufhaltenden Menschen gegeben sei. Außerhalb dieses Bereichs wurden für die angemeldeten Versammlungen Auflagen verfügt, unter deren Einhaltung sie durchgeführt werden können. Des Weiteren beschränkte das Regierungspräsidium den Versammlungszeitraum bis zum 31.10.2020. Auf der Grundlage der Einschätzung des Robert-Koch-Institutes sei mit einem negativen dynamischen Infektionsrisiko zu rechnen, so dass die auf Vorrat (bis 01.03.2021) angelegte tägliche Versammlungsanmeldung in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen sei. Veranstaltungen nach dem 31.10.2020 sollten vom Veranstalter erneut zu gegebener Zeit angemeldet werden.

Das VG Gießen hat drei Eilanträgen teilweise entsprochen. Es hat eine vom Regierungspräsidium Gießen verfügte Beschränkung des Versammlungszeitraumes (bis 31.10.2020) außer Vollzug gesetzt. Im Hinblick auf die vom Regierungspräsidium darüber hinaus angeordneten örtlichen Einschränkungen der Versammlungen blieben die Eilanträge hingegen erfolglos.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die vom Regierungspräsidium verfügten (örtlichen) Beschränkungen der angemeldeten Versammlungen rechtmäßig. Die angegebenen Versammlungsorte befänden sich im Rodungsgebiet und von den Rodungsarbeiten gehe eine erhebliche Gefahr für etwaige Versammlungsteilnehmer sowie die Polizeibeamten aus. Selbst bei Stillstand der Rodungsarbeiten zum Zwecke der Durchführung der Versammlung bestehe eine Gefahrenlage aufgrund möglicher instabiler Baumbestände als Folge bereits stattgefundener Rodungsarbeiten. Die verfügte zeitliche Beschränkung sei hingegen rechtswidrig. Dem Regierungspräsidium bleibe es auf der Grundlage des Versammlungsrechts unbenommen, auf eine dynamische und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer prognostizierbare Entwicklung der Covid-19-Pandemie tagesaktuell zu reagieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Einer zeitlichen Beschränkung der Versammlungen bedürfe es deshalb nicht.

Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.