Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg hat am 04.11.2020 zum Aktenzeichen 3 R 218/20 entschieden, dass das im Rahmen des „Teil-Lockdowns“ von der Landesregierung Sachsen-Anhalt verordnete touristische Beherbergungsverbot verhältnismäßig ist.
Aus der Pressemitteilung des OVG SA Nr. 20/2020 vom 04.11.2020 ergibt sich:
Eine große Hotelkette beantragte die Außervollzugsetzung mehrerer Regelungen der Achten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (Achte SARS-CoV-2-EindV). Diese Regelungen betreffen die Untersagung von Veranstaltungen und Versammlungen, das Beherbergungsverbot von Personen zu touristischen Zwecken, die Schließung von Gaststätten für den Publikumsverkehr und die Untersagung des Sportbetriebs auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen sowie Schwimmbädern bis zum 30.11.2020.
Das OVG Magdeburg hat den Antrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist es als offen anzusehen, ob die Verordnungsregelungen dem Parlamentsvorbehalt gerecht werden. Bei derart offenen Erfolgsaussichten habe aber eine Folgenabwägung stattzufinden, die eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dringend erforderten.
Das touristische Beherbergungsverbot wie auch die übrigen Maßnahmen (Untersagung des Veranstaltungswesens, Schließung der Gastronomie und der Sportstätten) seien bei derzeitiger (summarischer) Betrachtung eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Der mit dieser Maßnahme in erster Linie verbundene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben und die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsgarantie genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn es sei legitimes Ziel der Maßnahme, den exponentiellen Anstieg des Infektionsgeschehens (insgesamt) durch Kontaktreduzierung zu stoppen, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern. Die Schutzrichtung des Verordnungsgebers umfasse dabei nicht nur Risikogruppen, deren Gesundheitsgefährdung durch das Coronavirus als sehr hoch eingeschätzt wird, sondern nehme die als insgesamt hoch eingeschätzte Gefährdung für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland in den Blick.
Angesichts des weiten Entscheidungsspielraums des Verordnungsgebers sei es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber mit seinem Einschreiten nicht nur Risikogruppen betrachte und nicht allein diesen in besonderem Maße Schutz zu teil werden lasse bzw. nur insoweit auf das Infektionsgeschehen Einfluss nehme.
Auch wenn zutreffend sei, dass nach Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts das Beherbergungsgewerbe nicht zum Treiber der Pandemie zähle, seien auch nach den Statistiken des Robert-Koch-Institutes die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75% der Fälle zwischenzeitlich unklar. Insofern sei nicht ausgeschlossen, dass es auch in Beherbergungsbetrieben zu Virusübertragungen komme.
Im Übrigen ziele das Beherbergungsverbot auch nicht vordringlich darauf ab, Infektionen gerade in den betroffenen Unterkünften zu unterbinden. Vielmehr diene es dem Zweck, durch Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu senken. Die Unterbindung touristischer Beherbergungen wirke massiv auf die Bewegungsströme der Gäste ein. Sie sorge dafür, dass die Zahl der touristischen Aufenthalte und die damit im Zusammenhang stehenden Sozialkontakte (Reiseweg, Aufenthalt am Ort und im Beherbergungsbetrieb, touristische Nutzung öffentlicher Angebote) reduziert würden und diene damit auch der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten. Den mit touristischen Aufenthalten verbundenen Risiken aufgrund der Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten könne allein durch die Anwendung auch konsequenter Abstands- und Hygieneregeln innerhalb der Beherbergungsbetriebe nicht wirksam begegnet werden.
Zudem werde der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und das Eigentumsrecht der Betreiber von Beherbergungsbetrieben dadurch gemildert, dass sog. „Neue Corona-Hilfen für betroffene Unternehmen„, die von der zielgerichteten, zeitlich befristeten Maßnahme, dem „Teil-Lockdown“ betroffen sind, geschaffen worden seien, die über die bestehenden bisherigen Unterstützungsprogramme deutlich hinausgingen.