Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat mit Beschluss vom 11.11.2020 zum Aktenzeichen 3 B 349/20 entschieden, dass das Öffnungsverbot für Tätowier- und Piercing-Studios aufgrund der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung bestehen bleibt.
Aus der Pressemitteilung des Sächs. OVG Nr. 18/2020 vom 12.11.2020 ergibt sich:
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 19 der Sächsischen Corona-Schutz- Verordnung in der seit 02.11.2020 geltenden Fassung vom 30.10.2020 (SächsCoronaSchVO a.F.). – und inhaltsgleich gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 21 der ab 13.11.2020 geltenden neuen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung – ist die Öffnung und das Betreiben von Betrieben im Bereich der körpernahen Dienstleistung, mit Ausnahme medizinisch notwendiger Behandlungen und von Friseuren, verboten. Der Betreiber eines Tätowier- und Piercing-Studios ging in einem Normenkontrollverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) gegen diese Regelung vor und verlangte, § 4 Abs. 1 Nr. 19 vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Das OVG Bautzen hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wird diese Vorschrift in Bezug auf Tätowier- und Piercing-Studios einem Normenkontrollantrag in der Hauptsache, mit dem diese Vorschrift endgültig für unwirksam erklärt werden könnte, standhalten. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes des Bundes sieht das Oberverwaltungsgericht trotz teilweise daran geübter Kritik in Rechtsprechung und Schrifttum weiterhin als ausreichend an, auch für den Erlass eines Betriebsverbots u.a. für Tätowier- und Piercing-Studios.
Die Voraussetzungen nach dem Infektionsschutzgesetz für den Erlass eines solchen Betriebsverbots durch Rechtsverordnung der Länder seien gegeben. Nach den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen sei die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung (Covid-19) sehr infektiös, hat ein erhöhtes Risiko schwerer Verläufe bei vielen unterschiedlichen Personengruppen und breite sich als Pandemie welt-, deutschland- und sachsenweit rasant aus, ohne dass bisher eine Impf- oder spezifische Medikationsmöglichkeit bestehe. Diese ernstzunehmende Situation verpflichte die Behörden der Länder zum Handeln, wobei ihnen von Verfassungs wegen ein Wertungsspielraum bleibe, welche Maßnahmen sie im Einzelnen ergreifen. Dieser Wertungsspielraum wurde auf Grundlage der von den Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 28.10.2020 beschlossenen Maßnahmekonzeption (sog. „Lockdown light“) mit der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung sachlich und willkürfrei wahrgenommen. Alternative Empfehlungen zum Umgang mit der Pandemie, v.a. eine Konzentration der Schutzmaßnahmen auf Risikogruppen, seien u.a. wegen der vielen Risikopersonen (bis zu 40% der Bevölkerung) nicht erfolgversprechend.
Deshalb stelle auch das Betriebsverbot für körpernahe Dienstleistungen in § 4 Abs. 1 Nr. 19 SächsCoronaSchVO a. F. eine durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigte Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dar, die dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entspreche. Der Eingriff sei für die betroffenen Gewerbetreibenden zwar gravierend. Dem stehe jedoch das durch die Pandemie dramatisch bedrohte Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Bevölkerung gegenüber. Denn nach den dem Oberverwaltungsgericht vorliegenden Daten werde bei ungebremstem Fortgang der Pandemie in wenigen Wochen die Kapazitätsgrenze der Krankenhaus- und Intensivbetten in Sachsen erreicht sein. Hinzu kommen die gravierenden Folgen für Bildung und Wirtschaft, falls wieder ein vollständiger Lockdown nötig würde. Demgegenüber sei das aktuelle Betriebsverbot auf nur vier Wochen befristet und für die betroffenen Betriebe wurden erhebliche staatliche Entschädigungen angekündigt.
Die Ausnahme für Friseure in § 4 Abs. 1 Nr. 19 SächsCoronaSchVO a. F. sei sachlich gerechtfertigt, weil deren Tätigkeit zur Grundversorgung der Bevölkerung im Bereich der Körperhygiene gehöre. Die Kontaktbeschränkungen gemäß § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO a.F. widersprechen dem Betriebsverbot ebenfalls nicht, weil beim erlaubten Zusammentreffen von Personen im öffentlichen oder privaten Raum der Mindestabstand von 1,5 Metern grundsätzlich einzuhalten sei, so dass dies mit den Betrieben der körpernahen Dienstleistungen nicht vergleichbar sei. Gleiches gelte für den für die Grundversorgung der Bevölkerung bedeutsamen Einzelhandel, wo das Abstandsgebot durch bestimmte organisatorische Maßnahmen sicherzustellen sei.
Die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist unanfechtbar.