Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.08.2020 zum Aktenzeichen 1 BvQ 82/20 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich gegen das Kohleausstiegsgesetz richtete, abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 77/2020 vom 19.08.2020 ergibt sich:
Der mehreren Kommunen aus dem Ruhrgebiet gehörende Stromerzeuger Steag ist einer der größten Betreiber von Steinkohlekraftwerken in Deutschland. Die Steag ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Alleingesellschafterin seit 2014 die Kommunale Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (KSBG) ist. Bei der KSBG handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener kommunaler Stadtwerke- und Holding-Unternehmen. Eigentümer der Antragstellerin sind über mehrere Ebenen hinweg überwiegend kommunale Gebietskörperschaften, welche insgesamt 85,9% der Anteile halten.
Am 29.07.2020 hat die Steag zur Durchsetzung höherer Entschädigungen für die Abschaltung von Steinkohlekraftwerken den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft das Ausschreibungsvolumen und die Höhe des Steinkohlezuschlags nach dem sog. Kohleausstiegsgesetz, welches am 14.08.2020 in Kraft trat und mit dem die Kohleverstromung in Deutschland bis 2038 schrittweise reduziert und beendet werden soll. Der Stromerzeuger ist der Ansicht, er könne sich trotz der Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand auf Grundrechte berufen. Dies ergebe sich auch aus einer unionsrechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG.
Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des BVerfG wäre eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde des Stromerzeugers von vornherein unzulässig, weil sich die Antragstellerin als gemischtwirtschaftliches Unternehmen, an dem die öffentliche Hand mit mehr als 50% beteiligt ist, nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht auf Grundrechte berufen kann. Entgegen der Einschätzung des Stromerzeugers gebe die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hier keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Wesentliche Erwägungen des BVerfG:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG hat keinen Erfolg. Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig.
- Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, staatliche Unternehmen und sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mehr als 50% der Anteile hält, können sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG auf die materiellen Grundrechte berufen. Der Stromerzeuger kann sich deshalb als überwiegend von kommunaler Hand gehaltenes gemischtwirtschaftliches Unternehmen nicht auf die von ihr als verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 (Eigentumsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) berufen.
- Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gibt keinen Anlass, die Grundrechtsberechtigung der Antragstellerin abweichend zu beurteilen. Anderes folgt entgegen der Einschätzung der Antragstellerin auch nicht aus dem Beschluss des BVerfG „Recht auf Vergessen I“ (BVerfG, Beschl. v. 06.11.2019 – 1 BvR 16/13). Auch nach dieser Entscheidung findet die Charta bei der Beurteilung, ob sich Steag gegenüber dem beanstandeten Gesetz auf materielle Grundrechte des Grundgesetzes berufen kann, keine Anwendung, weil das Kohleausstiegsgesetz nicht als Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh anzusehen ist.