Vor dem Kölner Amtsgericht fand im Januar 2020 auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Köln ein Strafverfahren wegen Raub und Körperverletzung gegen drei Angeklagte statt. Die Angeklagten sollen einen Mann nach einer Hochzeitsfeier in Niehl geschlagen, in ein Auto gezerrt, entführt und schließlich beraubt haben.
Die Verhandlung unter der „kölschen Strafprozessordnung“ fand – sagen wir mal – eigenwillig statt und endete mit den Worten „Wir beerdigen das, gehen Sie nach Hause“ ohne Plädoyers der Verteidigung und Staatsanwaltschaft, letzte Worte der Angeklagten und ohne Urteilsberatung mit den beiden anwesenden Schöffen im Freispruch für die drei Angeklagten. Der Richter teilte mit: „Man muss erkennen, wenn ein Pferd tot ist.“ Der Richter wies darauf hin, dass ein ehemaliger Richter bei Verkehrsdelikten mit dem Ruf: „Freispruch“ in den Gerichtssaal hinein Verfahren beendete. Auch während der Verhandlung wurde ein unwilliger Zeuge nicht weiter vernommen und scherzhaft vom Richter gefragt, ob dieser nun in Beugehaft genommen werden solle.
Der Staatsanwalt hat den formlosen Freispruch vom Richter durchgewunken und nicht protestiert. Die Staatsanwaltschaft Köln sieht das ganze nun aber ganz anders und hat Rechtsmittel gegen das Formlos-Urteil eingelegt und behält sich offen ob es Berufung oder direkt Revision einlegt – dies ist im Strafrecht möglich. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Köln soll fallen, nachdem der Richter das schriftliche Urteil erlassen hat.
Für den Richter hat dies nun unangenehme Konsequenzen, wohlmöglich deshalb will er von dem Urteil nichts mehr wissen. Das Amtsgericht Köln hat auf EXPRESS Anfrage mitgeteilt: „Der Kollege hat sich im Nachgang mit der Rechtslage beschäftigt und festgestellt, dass das Verfahren nicht beendet ist“. Man ist dort wohl nun zu der Rechtsauffassung gekommen, dass der Freispruch nicht formgerecht verkündet sei und deshalb nichtig sei. Die Folge wäre, dass ein neuer Verhandlungstermin anberaumt werden müsse und neu entschieden werden müsse.
„Die Staatsanwaltschaft sieht das anders und ist der Meinung, dass ein Urteil ergangen ist“, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn auf Anfrage des EXPRESS. Die Staatsanwaltschaft will das Rechtsmittel gegen das Urteil aufrechterhalten. Die sich freigesprochenen glaubenden Angeklagten sind entsprechend nachvollziehbar über die Rolle rückwärts irritiert.
Der Präsident des Amtsgerichts Köln hat unterdessen eine dienstrechtliche Prüfung des Urteils durch den Richter eingeleitet. Im Übrigen scheint es so, dass die Staatsanwaltschaft Köln eine Straftat des Richters prüfen könnte – in Betracht käme die Rechtsbeugung aus § 339 StGB.
Vor welchem Richter die Neuverhandlung stattfindet ist unterdessen derzeit unklar.
Zur „kölschen Verhandlung“ abseits der Strafprozessordnung darf es in einem rechtsstaatlichen Verfahren, welches für die Angeklagten einschneidende Folgen haben kann und überdies für die Angeklagten mitunter belastend ist, nicht kommen. Und auch dem mutmaßlichen Opfer der vorgeworfenen Straftaten wird eine solche Verhandlung nicht gerecht. Denn bei aller Menschlichkeit und auch mal einem lockeren Spruch und auch einem scherzhaften Vorgehen, darf nicht vergessen werden, das Strafverfahren immer noch Sanktionen der Bürger des Staates gegen Strafnormen darstellen, die keinen allzu lockere Verfahrensführung zulassen und erst recht keine „kölsche“ Verfahrensführung.