Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 03. November 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 828/21 entschieden, dass ein Strafgefangener einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf geeignete Medikamente haben könnte, um sich das Leben zu nehmen.
Der seit über 35 Jahren ununterbrochen inhaftierte Beschwerdeführer verbüßt zwei lebenslange Freiheitsstrafen.
Im Strafvollzugsverfahren hat das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von sich aus die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Die Entscheidung des Landgerichts Kleve lässt eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts nicht erkennen. Das Landgericht versäumt es bereits, den Inhalt des ablehnenden Bescheids der Justizvollzugsanstalt (…) vom 26. Mai 2020 und dessen Begründung im Detail wiederzugeben. Ohne diesen ist eine verantwortbare Prüfung, mit welchen Argumenten die Justizvollzugsanstalt die Ablehnung des Antrages begründete, nicht möglich. So ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Entscheidung auf einer vom Landgericht angenommenen Gewissensentscheidung beruht, worauf diese sich genau bezog und inwiefern dem Beschwerdeführer seine grundrechtlich geschützten Belange wahrende Perspektiven eröffnet wurden. Auch Unterlagen zum Behandlungsstand des Beschwerdeführers oder zu Kontaktaufnahmeversuchen zu weiteren, gegebenenfalls zur Feststellung der Ernsthaftigkeit des Suizidverlangens geeigneten Stellen außerhalb der Justizvollzugsanstalt hat das Landgericht nicht beigezogen oder Ermittlungen hierzu angestellt. Die Möglichkeit einer Hinzuziehung anstaltsfremder Ärzte ist offenbar nicht geprüft worden. Es erscheint unklar, von wem, auf welcher Grundlage und nach welchem Prozedere der Beschwerdeführer die von ihm begehrten Medikamente tatsächlich erhalten will, deren Beschaffung er von der Justizvollzugsanstalt zu dulden verlangt. Ob und mit welchem Ergebnis der Beschwerdeführer bislang diesbezüglich Bemühungen – auch rechtlicher Art – unternommen hat, ist ebenfalls nicht bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, ob sich das Begehren des Beschwerdeführers auf eine bloße Duldung der Beschaffung der Medikamente beschränkt oder eine darüber hinausgehende Mitwirkung der Anstalt angestrebt wird.
Darüber hinaus begegnet die vom Landgericht vertretene Ansicht, wonach die von der Justizvollzugsanstalt geäußerte Ablehnung als Gewissensentscheidung gleichfalls verfassungsrechtlich geschützt, in der weiteren Folge zu beachten und insbesondere vom Beschwerdeführer hinzunehmen sei, verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob sich die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt als grundrechtsverpflichtete Amtsträger dem Beschwerdeführer gegenüber überhaupt auf eine Gewissensentscheidung berufen können. Dies hat es vielmehr ohne nähere Begründung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Insoweit erscheint die Entscheidung des Landgerichts zumindest unzureichend begründet.
Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. April 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Soweit das Oberlandesgericht den aufgezeigten Aufklärungsmängeln nicht abhilft, verletzt es den Beschwerdeführer ebenfalls in Art. 19 Abs. 4 GG. Die auch vom Oberlandesgericht geäußerte Rechtsauffassung, die im Rahmen seines Organisationsermessens getroffene Entscheidung eines Dritten, hier des Leiters der Justizvollzugsanstalt, sei als Gewissensentscheidung nach Art. 4 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt und könne dem Beschwerdeführer entgegengehalten werden, begegnet denselben verfassungsrechtlichen Bedenken wie die Entscheidung des Landgerichts.