Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 10.07.2020 zum Aktenzeichen 813 Ls 474 Js 160306/19 eine 34-jährige Frau, die nachts in die Wohnung ihres Schwarms eingebrochen ist und den schlafenden Mann geküsst hat, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 32/2020 vom 17.07.2020 ergibt sich:
Im Januar 2017 lernte die Angeklagte als Hotelmitarbeiterin den gut 40-jährigen Geschädigten während dessen Urlaubsaufenthalt in Österreich kennen, wobei er seine Handynummer herausgab und anfangs sporadisch auf ihre Nachrichten antwortete. Neben Kontaktversuchen u.a. via Telefon, Mail, Brief, WhatsApp und SMS suchte die Angeklagte ihn ab Mitte 2017, nachdem der Geschädigte ihre Nummer gesperrt hatte, auch persönlich zum Teil unter stundenlangem Klingeln zu jeder Tages- und Nachtzeit an seiner Münchner Wohnanschrift in Schwabing, im Fitnessstudio, beim Besuch von Bars und Restaurants und an seinem Arbeitsplatz auf. Nach einem dadurch veranlassten Umzug des Geschädigten fand sie seine neue Münchner Anschrift heraus, um ihm auch dort nachzustellen. U.a. entnahm sie Briefe aus seinem Briefkasten, beschmierte den Sattel seines Rades mit Alleskleber, die Türklinke mit Creme, die Tür mit Lippenstift, warf Steine, zuletzt auch einen Sack mit Bohnen an die Fensterscheiben, versuchte durch Steigen auf eine Mülltonne in die Wohnung zu sehen und rief immer wieder laut seinen Namen.
Bei ihrer polizeilichen Vernehmung durch die Münchner Polizei am 11.10.2018 bezichtigte sie den Geschädigten fälschlich, sie im Januar 2017 vergewaltigt zu haben. Der Geschädigte hatte seit September 2018 jährlich familiengerichtliche Gewaltschutzanordnungen gegen die Angeklagte erwirkt, die sämtlich missachtet wurden. Allein im Zeitraum vom 09.06.2019 bis 22.06.2019 wurde er von ihr 232-mal angerufen.
Am 22.06.2019 bewarf sie gegen 21 Uhr die Fenster des Geschädigten mit Steinen und einer Glühbirne. Als er sich in eine Bar begab, folgte sie ihm, um zunächst vor der Bar auf ihn zuwarten. Als er sich am Folgemorgen in weiblicher Begleitung seiner Wohnung näherte, stieß sie seine Begleiterin so gegen die Brust, dass diese Hämatome erlitt. Um 07:30 Uhr gelangte die Angeklagte wohl über ein geöffnetes Fenster in sein Schlafzimmer, legte sich nur mit BH und Jeans bekleidet auf den tief schlafenden Geschädigten und drang mittels Zungenkuss in seinen Mund ein. Die Angeklagte wurde von der herbeigerufenen Polizei festgenommen, am 06.11.2019 aus der Untersuchungshaft mit der Auflage entlassen, nach Österreich zurückzukehren und den Geschädigten nicht mehr zu kontaktieren. Tatsächlich blieb sie in München und stellte dem Geschädigten ab Februar 2020 bis zu ihrer neuerlichen Festnahme am 01.05.2020 in geschilderten Weisen weiter nach. Der Festnahme versuchte sie sich gewaltsam zu entziehen. U.a. riss sie sich in der Haftanstalt die Atemschutzmaske vom Gesicht und hustete die Beamten an, die eine Infizierung mit Covid-19 fürchten mussten.
Der Geschädigte schilderte in der Verhandlung, nach Wohnungs- und Berufswechsel aufgrund der Nachstellungen gesundheitlich beeinträchtigt zu sein und unter Schlaflosigkeit zu leiden. Er traue sich weder seine Fenster zu öffnen noch sein Auto zu benutzen. Auf Frage ihres Verteidigers bestätigte er, die Angeklagte in seinem Leben nicht mehr wiedersehen zu wollen. Der psychiatrische Sachverständige sah aufgrund des diagnostizierten Liebeswahns keine nachweisbaren Einschränkungen der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten.
Das AG München hat die Angeklagte wegen Nachstellung, Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, sexuellen Übergriffs, falscher Verdächtigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Beleidigung und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Sie wurde angewiesen, jegliche Kontaktaufnahme zum Geschädigten zu unterlassen, eine geeignete Therapie anzutreten und diese nicht gegen ärztlichen Rat abzubrechen.
Das Amtsgericht begründete die Bewährungsaussetzung damit, dass die Angeklagte bislang überhaupt nicht vorbestraft sei und nunmehr erstmals vor Gericht stehe. Somit könne ihr grundsätzlich eine günstige Sozialprognose ausgestellt werden. Die Angeklagte habe im Rahmen der Hauptverhandlung auch zu erkennen gegeben, nunmehr endgültig verstanden zu haben, dass der Geschädigte keinerlei Kontakt zu ihr haben möchte und hat hier versichert auch von sich aus keinen Kontakt mehr haben zu wollen. Es liegen auch besondere Umstände vor, welche eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigten. So habe die Angeklagte den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt, habe sich lange Zeit in Untersuchungshaft befunden, insofern einen erheblichen Hafteindruck erhalten und sei nunmehr im 4. Monat schwanger. Die Angeklagte hatte sich nach der ersten Entlassung aus der Untersuchungshaft in München bei einem Bekannten und mutmaßlichen Kindsvater wie auch bei einer Bekannten aus der Untersuchungshaft aufgehalten.
Das Urteil ist rechtskräftig